Es gibt Biber in Stockach und ihre Spuren sind inzwischen unübersehbar. Bekannt seien Vorkommen in Winterspüren, an den Schwackenreuter Seen und an der Aachmündung zwischen Bodman und Ludwigshafen, erklärt Sabrina Molkenthin, Leiterin des Stockacher Umweltzentrums. Eine deutliche Spur haben die Nager aber zuletzt auch im Osterholz hinterlassen. Dort haben sie an einer abgelegenen Stelle des Eisweihers eine Biberburg errichtet und mehrere Bäume gefällt – darunter auch ein kapitales Exemplar.

Eine Fotofalle hat nachts dieses Biberbild im Osterholz aufgenommen. Die Nachsichtkameras reagieren automatisch auf Bewegung und machen ...
Eine Fotofalle hat nachts dieses Biberbild im Osterholz aufgenommen. Die Nachsichtkameras reagieren automatisch auf Bewegung und machen dann Bilder. | Bild: Max Planck Institut für Ornithologie, Radolfzell

Diese Fällung war offenbar ziemlich trickreich, so Molkenthin. Die Tiere hätten den Fallwinkel genau berechnet, denn der Baum hätte auch auf die Biberburg fallen können – ist er aber nicht, er liegt einige Meter daneben. Einige seiner Äste ragen ins Wasser, was laut Molkenthin ebenfalls Absicht gewesen sein dürfte. Der Eingang zur Biberburg liege unter der Wasseroberfläche, um das Wohnquartier vor Landsäugern zu schützen. "Wenn das Wasser im Winter zufriert, können die Biber unter Wasser an den Ästen weiter nagen und finden so Nahrung", erklärt Molkenthin.

Die erwachsenen Tiere, die dort leben, haben den Baum in nächtlicher Arbeit umgeworfen – denn Biber nagen nur nachts an Bäumen und auch nur im Winter. Eigentlich bevorzugen die Tiere aber Kräuter und Wasserpflanzen. Ende November sei das Umweltzentrum auf den "lehrbuchmäßig", in der typischen Uhrglasform angenagten Baum aufmerksam geworden, erzählt Molkenthin.

Sabrina Molkenthin, Leiterin des Stockacher Umweltzentrums, und Sarah Misselbeck, die ihr FÖJ beim Umweltzentrum macht, stehen neben ...
Sabrina Molkenthin, Leiterin des Stockacher Umweltzentrums, und Sarah Misselbeck, die ihr FÖJ beim Umweltzentrum macht, stehen neben einem Baum beim Eisweiher, den Biber umgenagt haben. | Bild: Freißmann, Stephan

Zu diesem Zeitpunkt sei der Baum bereits nicht mehr zu retten gewesen. Da er an einer abgelegenen Stelle war und klar gewesen sei, dass der Baum auch beim Sturz keine Menschen gefährden würde, habe man die Tiere weitermachen lassen. Denn Biber seien nur in einem Bereich von etwa 20 Metern rund um ein Ufer aktiv. Und besonders gerne nagen sie an Weiden und Obstbäumen, während Erlen durch Geschmacksstoffe weniger beliebt seien.

Unumstritten ist der Biber indes nicht. Zwar sind die Tiere streng geschützt, weshalb man sie nicht töten oder ihre Burgen zerstören darf. In Baden-Württemberg waren Biber ausgestorben und wurden wieder angesiedelt, weshalb Molkenthin es auch grundsätzlich als Erfolg bewertet, dass sie nun wieder hier heimisch werden.

Die Biberburg am Eisweiher.
Die Biberburg am Eisweiher. | Bild: Freißmann, Stephan

Doch Biber nagen auch Bäume in dichter besiedelten Teilen der Stadt an. So seien kürzlich zwei Bäume durch Biberbiss gefallen, die an der Zizenhausener Aach auf Höhe der Stadtwerke standen. Schaut man sich vor Ort um, sieht man, dass diese Bäume in private Gärten auf der anderen Seite des Flüsschens gefallen sind. Wer ein solches Problem hat, kann sich an die Biberbeauftragte wenden (siehe Text runten).

Hier waren Biber am Eisweiher im Osterholz am Werk.
Hier waren Biber am Eisweiher im Osterholz am Werk. | Bild: Freißmann, Stephan

Auch am Eisweiher rücken die Biber näher an die Menschen heran. Ein Baum, der unmittelbar neben dem Spazierweg steht, weist die typischen Nagespuren auf. Die dicksten Bäume haben daher inzwischen Drahthosen bekommen. Das sind stabile Zäune aus Maschendraht. Diese hätten die technischen Dienste der Stadt angebracht, erklärt Molkenthin.

Dass man über die Biber am Eisweiher so gut Bescheid weiß, liegt an einem Projekt des Max Planck Instituts (MPI) für Ornithologie in Radolfzell-Möggingen. Dieses Projekt heißt Tierschnappschuss und ist Teil eines weltweit angelegten Forschungsvorhabens, mit dem Tierbestände über lange Zeiträume hinweg beobachtet werden sollen, erläutert Martin Wikelski, Leiter des MPI in Möggingen. Die Idee dahinter: Bürger platzieren automatisch auslösende Kameras (Fotofallen) willkürlich in der Natur. Kommt ein Tier vorbei, löst die Kamera aus und macht ein Foto.

Eine Nachtkamera hat diese Biber-Bilder aufgenommen.
Eine Nachtkamera hat diese Biber-Bilder aufgenommen. | Bild: Max Planck Institut für Ornithologie, Radolfzell

Der Clou daran: Es gebe inzwischen standardisierte Methoden, um aus den Fotos auf die Tierpopulationen zu schließen, so Wikelski. An deren Erarbeitung seien Forscher des MPI in Möggingen beteiligt gewesen, zusammen mit Wissenschaftlern aus London und von der Smithsonian Institution in Washington, D.C., einer der renommiertesten Einrichtungen ihrer Art weltweit. Erprobt worden seien diese Methoden vor etwa 20 Jahren im Tropenwald von Panama.

Und dadurch, dass möglichst viele Laien daran teilnehmen und Fotofallen aufhängen, erhoffen sich die Forscher ein langfristig angelegtes "digitales Museum", wie Wikelski sagt, über Tierbewegungen. Dies soll auch Daten ergeben, mit denen man Tierpopulationen auch zu anderen Entwicklungen wie Siedlungen oder Ackerbau in Beziehung setzen könnte, so Wikelski.

Die typische Uhrglasform des mittlerweile gefällten Baums.
Die typische Uhrglasform des mittlerweile gefällten Baums. | Bild: Max Planck Institut für Ornithologie, Radolfzell

Derzeit laufe das Mögginger Projekt nur in einem Umkreis von 100 Kilometern um Konstanz, sagt Brigitta Keeves vom MPI, doch es soll bundesweit ausgedehnt werden. Und die Methode werde bereits weltweit angewandt, ergänzt Wikelski. Durch Kontakt mit dem Umweltzentrum sei eine solche Fotofalle an den Biberbaum am Eisweiher gekommen, erzählt Keeves.

Die Kamera am Eisweiher hat die Tiere dann auch bei ihrer Nagearbeit fotografiert. Durch die Aufnahmen ist klar, dass zwei erwachsene Biber an dieser Stelle leben. Und durch den eingebauten Zeitcode der Kameras ist auch klar, wann der Baum gefallen ist – am 15. Dezember 2018 zwischen 3.20 Uhr und 3.47 Uhr.

Was tun, wenn es Probleme mit Bibern gibt?

Nicht immer sind Biber fern von Menschen unterwegs wie am Eisweiher im Osterholz. Was man im Fall eines Konfliktes mit einem Biber beachten muss:

  • Ansprechpartner: Wer einen Biber in seiner Nähe, etwa im Garten, hat und Schäden befürchtet, kann sich an die Stadtverwaltung, (0 77 71) 802 0, das Umweltzentrum, (0 77 71) 49 99, oder das Landratsamt, (0 75 31) 800 0, wenden. Eine einschlägige Ansprechpartnerin ist auch die Biberbeauftragte im Regierungsbezirk Freiburg, Bettina Sättele, (0174) 301 27 16.
  • Maßnahmen: Da Biber streng geschützt sind, darf man sie auf keinen Fall töten, sondern nur vergrämen. Alle Maßnahmen dazu müssen aber mit der Biberbeauftragten abgesprochen werden, betont Sabrina Molkenthin vom Umweltzentrum. Dann können Bäume beispielsweise mit einer Biberpaste geschützt werden, die verhindert, dass die Tiere die Rinde annagen. Größere Bäume können mit Drahthosen geschützt werden. Das sind kleine Zäune, die den Bibern den Weg abschneiden.
  • Umgang mit den Tieren: Da Biber nachtaktiv sind, begegnen sich Mensch und Biber allenfalls in der Dämmerung, so Molkenthin. Für das Osterholz appelliert sie an Hundehalter, die Leinenpflicht einzuhalten, damit es nicht zu Konflikten zwischen Hund und Biber kommt. (eph)

Infos im Internet:
http://www.tierschnappschuss.de