Fast alles lässt sich heute im Internet erledigen. Der persönliche Gang zum Amt gehört in Deutschland aber nach wie vor zum Standard. Doch das soll sich nun ändern. Zumindest wenn es nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) geht.
In diesem ist vorgeschrieben, dass Bund, Länder und Kommunen bis zum 31. Dezember 2022 die vollständige Digitalisierung aller Verwaltungsleistungen für Bürger und Unternehmen umsetzen müssen. Insgesamt geht es dabei um 575 Verwaltungsleistungen, die elektronisch über Verwaltungsportale angeboten werden sollen.
Seit 2017 ist nicht viel passiert
Verabschiedet wurde das Gesetz bereits 2017, die Umsetzung gestaltet sich für die Kommunen aber noch immer als schwierig, wie Bürgermeister Stolz in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats beklagte. „Ich denke, der Gesetzgeber hat nicht erwartet, dass es so kompliziert wird“, so Stolz. Noch stehe man am Anfang, doch der Prozess werde fortgeführt, fasste der Rathauschef den Sachstand zusammen.
Ein wesentliches Problem sei, „dass man es hier mit sehr komplexen technischen und organisatorischen Anpassungen zu tun hat. Dies gilt auch für die Stadt Stockach“, heißt es in den Sitzungsunterlagen des Gemeinderats.
Zusätzliche Kosten für die Verwaltung
Rainer Stolz wird in der Sitzung konkreter: „Dass IT die Vorgänge einfacher und günstiger macht, ist ein Trugschluss. Für alles braucht es eigene Programme und ständige Neuentwicklungen führen zu Kostensteigerungen für die Verwaltungen.“
Laut dem Bürgermeister kritisieren die kommunalen Spitzenverbände schon lange, dass aus den gesetzlichen Anforderungen immer höhere Belastungen für die Städte und Gemeinden entstehen. „Der Gesetzgeber gibt den Kommunen immer mehr Aufgaben, die diese aber selbst finanzieren müssen. Das ist dafür ein gutes Beispiel“, ärgert sich Stolz mit Blick auf die Digitalisierung.
Für Stadtrat Tobias Feindler (Grüne) ist das Digitalisierungs-Fiasko ein „Armutszeugnis von Land und Bund.“ Er äußerte im Gemeinderat zudem die Befürchtung, dass entsprechende Fördertöpfe nicht verlängert werden und die Finanzierung daher ab dem kommenden Jahr deutlich schwieriger wird.
Auch der Beamtenbund klagt
Stockach ist indes nicht alleine, was den Rückstand angeht. „Wir kommen bei der OZG-Umsetzung viel zu langsam voran. Es ist erschreckend, dass bis jetzt gerade einmal 16 digitale Verwaltungsleistungen flächendeckend verfügbar sind und davon nur zwei Landesleistungen“, wird Ulrich Silberbach, der Chef des deutschen Beamtenbundes (DBB) auf der Internetseite des Verbandes zitiert.

Was bereits möglich ist
Doch wie ist der Stand in Stockach konkret? Einige Dienstleistungen sind bereits über das Onlineportal www.service-bw.de zugänglich, heißt es in den Sitzungsunterlagen des Gemeinderats. Zusammen mit der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises biete das Portal einen sicheren Zugang zu den Dienstleistungen vieler Behörden.
Dazu zählen etwa die Beantragung einer Meldebescheinigung oder Geburtsurkunde, die Abmeldung ins Ausland, die Ausstellung eines Führungszeugnisses oder der Antrag auf Auskunft aus dem Gewerbezentralregister.
Bis zum Jahresende sollen aber auch dort von den anvisierten über 500 Leistungen gerade mal knapp über 30 als sogenannte Standardprozesse verfügbar sein. „Wir wollen diese in den nächsten Monaten schrittweise aktivieren und somit für den Bürger zur Verfügung stellen. Bei den einzelnen Prozessen sind hier teilweise
umfangreiche Einstellungen erforderlich“, heißt es in den Sitzungsunterlagen der Stadtverwaltung.
E-Akte soll kommen
Ein nächster wichtiger Schritt ist für die Stadt nun die Einführung der E-Akte. „Das Baurechtsamt ist deshalb gerade daran, die Prozesse dafür zu verschlanken“, erklärt Bürgermeister Stolz. Denn hier und im Ordnungsamt soll die E-Akte als erstes eingeführt werden.
Um die Unterlagen künftig elektronisch bearbeiten und rechtssicher ablegen zu können, müssen aber noch diverse technische Voraussetzungen geschaffen werden. So dürfen Dokumente beispielsweise nach dem Eingang nicht verändert werden können, dies muss sichergestellt werden, heißt es in den Sitzungsunterlagen.
Diese Kosten kommen auf die Stadt zu
Für die dafür erforderlichen Softwaremodule, die Installation der Systeme und die begleitete Einführung des Verfahrens im Stockacher Rathaus fallen Kosten in höhe von insgesamt rund 90.500 Euro an. Der Gemeinderat genehmigte dies einstimmig.
Für Stadtrat Andreas Bernhart (CDU) darf die E-Akte nicht auf ihre Kosten reduziert werden. „Es bringt große Vorteile, von unterschiedlichen Orten auf eine Akte zugreifen zu können. Die Digitalisierung ist einfach die Zukunft“, betont er.