Waldemar Zeiler ist nicht das, was man sich typischerweise unter dem Geschäftsführer eines Unternehmens vorstellt, das im vergangenen Jahr über sechs Millionen Euro Umsatz gemacht hat. Auf offiziellen Pressefotos trägt er Mütze, Jeans und Pulli, hat lange Haare und einen Vollbart – von einem maßgeschneiderten Anzug mit strenger Krawatte und polierten Lederschuhen ist nichts zu sehen. Der Umgangston mit der Reporterin ist lässig, es wird geduzt. Waldemar Zeiler, der in Stockach aufgewachsen ist, will mit seiner Firma Einhorn, die er gemeinsam mit Mitbegründer Philip Siefer im Jahr 2015 ins Leben rief, bewusst nichts auf die typische Weise tun.

Erstes Unternehmen in der Schule gegründet

Es ist nicht Zeilers erstes Unternehmen. „Ich habe meine erste Gründung in der zwölften Klasse gehabt“, erinnert sich der 39-Jährige, der in Kasachstan geboren wurde und mit sieben Jahren nach Stockach kam. In der Stadt wurde er groß, besuchte bis zur zehnten Klasse das Nellenburg-Gymnasium. „Ich weiß nicht, wie ich zum Unternehmertum gekommen bin“, sagt er heute. „Das war einfach so eine Idee.“

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Mit seiner ersten Firma wollte er jungen Leuten beim Berufseinstieg helfen, ihnen bei den Bewerbungsschreiben helfen. Der Erfolg der Idee blieb aus: „Das hat überhaupt nicht funktioniert“, bilanziert Zeiler. Die Kunden blieben fern, das Geld auch. „Aber das hat meine Leidenschaft und Lust geweckt.“

Es geht nicht mehr ums große Geld

Er habe sich mit dem Thema Gründungen beschäftigt, viele Wirtschaftsbücher gelesen, berufliche Erfahrungen gesammelt. Sieben Unternehmen habe er an die Wand gefahren, sein großer Traum: Mit 30 Jahren Millionär sein. „Jetzt könnte ich nicht weiter davon entfernt sein“, sagt er. Denn bei Einhorn, dem Unternehmen, mit dem Waldemar Zeiler erfolgreich wurde, geht es nicht um Ziele wie Geld oder möglichst schnelles Wachstum, erklärt er.

Seine Mentalität habe sich geändert. Spätestens nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Rana Plaza in Bangladesch, bei dem mehr als Tausend Menschen zu Tode kamen, sei ihm klar gewesen: „Du willst eigentlich nicht mehr Teil dieser Wirtschaft sein.“ Teil der Wirtschaft, in der Kosten gespart und dafür unter schlechten Arbeitsbedingungen produziert werde. Er wollte neue Wege gehen, auf denen weder Menschen noch Umwelt ausgebeutet werden. Einhorn sei als „Testlabor“ gegründet worden. „Wir wollen auf keinen Fall die alten Fehler machen.“

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Nicht die alten Fehler wiederholen

Heute wirbt Einhorn damit, sich für Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen einzusetzen. Angeboten werden Periodenprodukte aus Bio-Baumwolle und Kondome, für deren Herstellung Kautschuk nach eigener Auskunft in regenerativer Landwirtschaft angebaut wird. Zudem reinvestiere Einhorn 50 Prozent der Profite in soziale und nachhaltige Produkte. „Wir dürfen nicht für sowas verantwortlich sein wie Rana Plaza“, sagt Zeiler deutlich.

Auch die Kondome von Einhorn heben sich ab – sie kommen bunt und in einer Tüte verpackt daher.
Auch die Kondome von Einhorn heben sich ab – sie kommen bunt und in einer Tüte verpackt daher. | Bild: www.einhorn.my

Bei den Partnern kam die Einstellung der Gründer gut an: „Ich habe noch nie so einen leichten Durchgang erlebt“, berichtet Zeiler von der Entstehung und dem Wachstum des Unternehmens. Das führt er auf die ehrliche und offene Kommunikation mit den Partnern zurück. „Wir haben viele Deals abgesagt“, sagt er. Man habe sich gut überlegt, mit wem man zusammenarbeiten will. Aber das habe sich gelohnt: „Auf einmal triffst du ganz andere Partner“, berichtet Zeiler. „Du arbeitest dann mit jemandem zusammen, der die Welt verbessern will.“ Es hat funktioniert: „Wir haben es geschafft, Einhorn ohne Investoren groß zu machen.“

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Unternehmen gehört sich selbst

Aber nicht nur die Produkte von Einhorn sollen sich abheben. Auch intern läuft vieles anders, als es in den meisten Firmen der Fall ist. Die Mitarbeiter können so viel Urlaub machen, wie sie wollen. Das Gehalt werde immer mehr von den Mitarbeitern selbst festgelegt – und sei dann für alle einsehbar.

Seit zwei Jahren gehört Einhorn außerdem sich selbst, ist eine sogenannte Self-Owned Company und kann nicht mehr verkauft werden. Jeder Mitarbeiter – Einhorn genannt – sei nun Mitunternehmer. Jeder könne das Unternehmen mit beeinflussen. Bereichern könne sich auf diese Weise niemand, auch nicht die beiden Gründer, die Gewinne würden in der Firma bleiben.

Mitarbeiter sollen mitgestalten

Es klingt ein wenig wie eine Utopie – aber das ungewöhnliche Konzept funktioniere, sagt Waldemar Zeiler. Dadurch, dass die Mitarbeiter selbst das Unternehmen beeinflussen können, seien sie motiviert. Bei Einhorn soll nicht Dienst nach Vorschrift gemacht, sondern selbst gestaltet werden.

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„Ich glaube daran, dass das eine Facette der Zukunft ist“, sagt Zeiler. Das müsse nicht zwingend heißen, dass andere Unternehmen wie Einhorn arbeiten sollen. Aber es müsse sich etwas ändern. „Die Arbeitswelt ist voll kaputt“, glaubt Zeiler. Viele Menschen würden nicht gerne zur Arbeit gehen, mit Depressionen oder Burnout kämpfen. „Wir brauchen neue Versuche.“ Einhorn solle dafür Impulse geben, die Wirtschaft zu verändern – in dem es beispielhaft zeigt, dass es auch anders funktionieren kann. „Wir versuchen Anregungen zu geben.“ Dafür halte man auch Vorträge in anderen Firmen.

Zurück in der alten Heimat

Trotz seiner Arbeit im fernen Berlin hat Waldemar Zeiler Stockach nicht ganz aus den Augen verloren. Zweimal im Jahr besuche er seine Eltern, die nach wie vor in der Stadt wohnen, erzählt er. Die Landschaft und der nahe Bodensee seien sehr schön. „Wenn ich heim in den Bodenseeraum komme, ist das schon ein spezielles Gefühl.“