Mit aufwendigen Taschenkontrollen durch Justizbeamte begann eine Verhandlung in Saal 107 des Konstanzer Amtsgericht, die schlimmste menschliche Abgründe offenbarte. Denn die Angeklagte, eine 51-jährige Frau, die momentan in Stockach lebt, soll die Hilflosigkeit und Einsamkeit mehrerer schwer kranker Senioren ausgenutzt und so über 120.000 Euro ergaunert haben. Zumindest einen von ihnen soll sie zudem mit Nacktfotos versucht haben milde zu stimmen.
Konkret warf die Staatsanwaltschaft der Angeklagten Betrug in mehreren Fällen sowie die Verbreitung pornografischer Inhalte vor, was sie auch zugab. Ihre Masche: Auf Anzeigen von hilfe- oder nähebedürftigen älteren Männern zu reagieren, Vertrauen aufzubauen – und dann eiskalt zuzuschlagen. So soll sie laut Anklage auf eine Anzeige nach einer Haushaltshilfe eines betagten Mannes reagiert haben, der in Radolfzell wohnte.
Gefälschte Goldmünzen als Sicherheit
Nachdem sie eine Weile bei ihm geputzt und gekocht habe, soll sie sich unter verschiedenen Vorwänden immer wieder Geld geliehen haben – mal für die Kinder, mal für eine Anschaffung oder für eine offene Geldstrafe. Der Geschädigte protokollierte dies fein säuberlich in Darlehensverträgen, die die 51-jährige unterschrieb. Die Summen wurden immer größer – am Ende waren es insgesamt über 120.000 Euro, so eine Schätzung der Tochter des Geschädigten.
Zwischenzeitlich übergab die Angeklagte dem Mann sogar mehrere Krügerrand-Goldmünzen als Sicherheit für das Darlehen. Allerdings stellten sich diese später als Fälschung und wertlos heraus.
Dem zweiten Opfer aus Stockach diente sie sich auf eine Anzeige hin als Begleitung beim Spazierengehen an, da dieser unter plötzlichen Schwindelattacken leidet. Er lieh ihr 300 Euro für eine Autoreparatur, die er trotz etlicher Aufforderungen per WhatsApp nicht zurückbekam. Was er stattdessen bekam? Unaufgefordert und unerwünscht Nacktfotos und ein Selbstbefriedigungsvideo der Angeklagten, wie die Chats ebenfalls belegten.
Geschädigter bezahlt der Angeklagten Smartphones
An diesen hätte vermutlich eher der dritte Geschädigte, ebenfalls aus Stockach, Interesse gehabt, denn der suchte per Anzeige nach einer Frau für den Lebensabend. Die Angeklagte soll sich bei ihm gemeldet und nach einer Weile vorgespielt haben, bei ihm einziehen zu wollen. Allerdings nur, wenn er zuvor ihre noch offenen Mietschulden bezahlt. Nötig seien dafür zwei damals brandneue iPhones samt teuren Verträgen. Er zahlte der Angeklagten und einer Begleiterin zwei Handys und ließ die monatlich 160 Euro teuren Verträge auf sich laufen. Dann verschwanden die beiden Damen.
Die mit knapp 40 Einträgen im Bundeszentralregister vorbestrafte und laut eigenen Angaben alkoholsüchtige Angeklagte räumte die Vorwürfe vor Gericht über ihren Anwalt Björn Billidt vollumfänglich ein, äußerte sich aber nicht weiter dazu. Eine zu Beginn von Billidt und der Staatsanwalt angestrebte Einigung scheiterte an den unterschiedlichen Vorstellungen zur Höhe der Strafe – ob eher drei oder eher zwei Jahre Gefängnis. In der Verhandlung kamen deshalb die Tochter des ersten Geschädigten, das dritte Opfer sowie mehrere Polizisten zu Wort.
Opfer zahlt der Angeklagten wohl noch immer Geld
Schnell wurde klar: Alle drei Männer waren in einem zu schlechten gesundheitlichen Zustand, um das Vorgehen der Angeklagten nur schwer zu durchschauen. Und diese agierte ohne jeden Anflug von Skrupel und Mitgefühl. Vor allem beim ersten Opfer fiel auf, wie sehr er wegen seiner Einsamkeit an der Angeklagten hing – und noch immer hängt.
So habe er zwar irgendwann selbst Anzeige gegen sie erstattet, als der Betrug auffiel. Doch noch immer stehen die beiden in Kontakt, sie kommt regelmäßig zum Kochen und Putzen – und kassiert womöglich noch immer hohe Summen, wie die Kontoaktivitäten des Mannes nahelegen.
Selbst auf Bitten seiner in Köln lebenden Tochter, den Kontakt einzustellen, reagiert der Mann nicht, wie die Tochter vor Gericht sichtlich mitgenommen aussagte. Sie sagte, ihr Vater habe alleine in den vergangenen Tagen 6000 Euro abgehoben, die er in seinem Zustand kaum für sich selbst ausgeben könne. „Mein Vater ist im Prinzip jetzt pleite“, fasste sie zusammen.
Argument von Verteidiger Billidt scheitert
Mehrere Versuche der Angeklagten und ihres Verteidigers, sie in ein besseres Licht zu rücken, scheiterten kläglich. So zeigte sie einen aktuellen WhatsApp-Verlauf, der belegen sollte, dass der zweite Geschädigte durchaus Interesse an Sex und Nacktfotos habe. Allerdings konnte bei dem frisch eingespeicherten Kontakt ohne Profilbild nicht verifiziert werden, ob es sich tatsächlich um das Opfer handelt, da dieses aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Gericht erschien.
Björn Billidt versicherte in seinem Plädoyer, die Taten seiner Mandantin seien zwar sehr schlimm, doch der noch immer anhaltende Kontakt zum ersten Opfer zeige auch, dass sie eine Art Wiedergutmachung betreibe und sich tatsächlich kümmere. „Vielleicht haben sie ihren Frieden gemacht“, sagte er. Billidt forderte daher, seine Mandantin zu zwei Jahren Haft zu verurteilen.
Staatsanwalt: „Skrupellose“ und „verabscheuenswürdige“ Taten
Ganz anderer Ansicht war die Staatsanwaltschaft. Deren Vertreter Johannes Röger bezeichnete das Verhalten der Angeklagten als „skrupellos.“ Sie habe sich bewusst gebrechliche Menschen ausgesucht und deren Situation „eiskalt ausgenutzt“. Ihre Taten seien „verabscheuenswürdig“. Zudem sei es erstaunlich, dass die gesamte Beute bereits ausgegeben sein soll. Die Opfer könnten daher nichts zurückbekommen. Röger forderte eine Gefängnisstrafe von insgesamt drei Jahren und vier Monaten.
Auch ein Polizist, der die Wohnung der Angeklagten durchsucht hatte, beschrieb ihr Auftreten damals als „unverschämt, provokativ und entgegen jeder Gesellschaftsnorm“. Sie haben gesagt, ihre Opfer seien selbst schuld an dem Betrug.
Richterin Heike Willenberg folgte eher Rögers Aussagen über den Charakter der Angeklagten. Sie sei sprachlos angesichts der Taten, aber auch der offensichtlichen Einsamkeit älterer Menschen. „Hinter diesen Taten steckt viel kriminelle Energie und List“, sagte Willenberg. Sie sei sich sicher, dass die Angeklagte immer so weitermachen werde.
Ihr Geständnis und dass sie zwei betagten Geschädigten damit die Aussage vor Gericht ersparte, wertete Willenberg dennoch positiv. Sie verurteilte die Frau am Ende zu zwei Jahren und fünf Monaten Freiheitsstrafe.