In einer Städtepartnerschaft ist es ähnlich wie in einer Beziehung zwischen zwei Personen: Selbst wenn man sich schätzt und mag, muss man immer daran arbeiten, in Kontakt und füreinander interessant zu bleiben. Michael Pfersich war vor knapp 35 Jahren im Rahmen des Schüleraustauschs in der Stockacher Partnerstadt La Roche sur Foron und hat viele schöne Erinnerungen an diese Zeit. Vor fünf Jahren unternahm er den ersten Versuch, die Partnerschaft über die Schüleraustausche hinaus zu beleben.
Die Corona-Pandemie stoppte die weitere Entwicklung, doch jetzt greift er den Faden wieder auf. Einige Ideen wurden schon umgesetzt, weitere Dinge sind geplant. Große Unterstützung seitens der Stadt erhält er von Hauptamtsleiter Hubert Walk.
Verbindung durch Sport und Musik
2019 hatte Michael Pfersich bereits Kontakt zu Gabriele Brouard vom Comité de Jumelage (Partnerschaftskomitee) in La Roche sur Foron. Er ist überzeugt: „Es gibt zwei Sachen, die alle Menschen verbinden: Sport und Musik.“ Sein Ansatz war zunächst, über Sportgruppen neue Verbindungen zu knüpfen. Der VfR Stockach organisierte damals ein Fußballturnier, zu dem auch junge Franzosen anreisten. Erst kürzlich waren Stockacher Jugendfußballer in La Roche bei einem dortigen Verein zu Gast.

Demnächst fahren Handballer aus der Verwaltungsgemeinschaft Stockach nach La Roche. Michael Pfersich und Joachim Hölzle vom TSV Bodman sind hier die Organisatoren und als Begleiter dabei. Pfersich erzählt: „Ich habe mich extra um einen deutschen Schiedsrichter bemüht. Im Handball sind es ja immer zwei pro Spiel. Wir haben dann je einen aus Deutschland und Frankreich – auch als Symbol der Partnerschaft.“
Das Programm des Ausflugs steht schon fest. So gebe es ein Kennenlernen, ein gemeinsames Training und gemütliches Beisammensein. Zudem wird der Hausberg von La Roche bestiegen und es finden Freundschaftsspiele sowie eine Stadtbesichtigung statt. Für einen Besuch der Basketballer der TG Stockach seien Gespräche geplant, so Pfersich.
Gemeinsame Auftritte an der Fasnacht?
Doch auch im musikalischen Bereich hat er einiges vor. „Mit den Yetis waren wir vor vielen Jahren schon mal dort. Ich möchte die Gruppe wieder nach La Roche bringen“, sagt er. Er fände es auch toll, eine Abordnung der Stadtmusik aus La Roche an der nächsten Fasnacht nach Stockach zu holen. „Und es wäre doch was, wenn beim großen Narrentreffen 2026 das ganze Orchester am Umzug mitliefe“, so Pfersich.
Gerade junge Leute aus La Roche könnten sich auch beim Schweizer Feiertag wohlfühlen. Michael Pfersich macht klar: „Dann hätten wir tagsüber schon richtig Programm in der Stadt und abends könnten sie feiern gehen.“
20-jährige Französin war als Au-pair in Stockach
Eine andere Möglichkeit ergab sich jüngst für eine junge Französin. Die 20-jährige Gaelle Raillard hatte sich an Iris Sylvestre-Baron, die Vorsitzende des Partnerschaftskomitees, gewandt, weil sie sechs Wochen in Stockach bei einer Familie leben und quasi als Au-pair arbeiten wollte. Iris Sylvestre-Baron erkundigte sich bei Michael Pfersich. Der gab die Information an viele Bekannte weiter – auch an CDU-Gemeinderat Martin Bosch, der seine Tochter Anna Struck ins Spiel brachte. Nach einem Videotelefonat waren ihr Mann Markus und sie sich schnell einig: „Gaelle kommt zu uns.“

„Es war so schnell so normal, dass noch jemand im Haus ist“, schwärmt die 34-jährige Anna Struck. Abends hätten sie oft zu dritt auf dem Balkon gesessen. „Wir haben uns viel ausgetauscht über Bräuche und Feste oder über das französische Schulsystem“, erzählt sie.
Die junge Studentin hat in der Schule und der Universität Deutsch gelernt und sechs Monate in Graz verbracht. In Deutschland kannte sie nur Berlin und München etwas. Sie hat Anna Struck bei der Betreuung des dreijährigen Bastian und des einjährigen Maximilian geholfen, viel mit der Familie unternommen und dabei in und um Stockach viel gesehen. Mitte August wurde sie von ihren Eltern wieder abgeholt.
Rückkehr nach Stockach geplant
Raillard sagt: „Die Stadt ist ein bisschen ähnlich wie La Roche. Man kann viel machen und es gibt eine schöne Architektur.“ Bei einer Stadtführung habe sie viel Geschichtliches erfahren – auch, dass Napoleon und Marie-Antoinette hier waren. Außerdem habe sie viel über die Fasnacht gelernt.
Beide Seiten ziehen ein positives Fazit. Anna Struck erklärt, es sei eine gute Gelegenheit gewesen, zu probieren, ob ein Au-pair eine Möglichkeit wäre, wenn sie wieder arbeiten ginge. „Gaelle kam, sah und siegte. Das hätte ich so niemals gedacht“, sagt sie. Bastian sei sogar überzeugt gewesen, dass sie immer da bleibe. Für die Französin steht ein Auslandsjahr in Finnland an, doch sie verspricht: „Oh ja, ich werde gerne wieder zu Besuch kommen.“
Beziehung ist wichtiger denn je
Es gibt also ganz unterschiedliche Wege, die Städtepartnerschaft mit neuem Leben zu erfüllen. Zwar haben viele junge Menschen heute keinen Bezug mehr zu der besonderen Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, doch in Zeiten voller Unruhen und Kriege sei es wichtiger denn je, grenzüberschreitende Freundschaften zu pflegen und die Bevölkerungen zusammenzubringen.
Davon ist auch Michael Pfersich überzeugt: „Das deutsch-französische Verhältnis war mal richtig gut. Wir müssen daran arbeiten und uns wieder auf gemeinsame Werte besinnen.“