Vor dem Stockacher Amtsgericht wurde jüngst ein Fall verhandelt, in dem wieder einmal ein Mann die Zurückweisung einer Frau nicht akzeptieren konnte. Denn anstatt das eindeutige Nein einer gerade einmal 22-Jährigen zu akzeptierten, entwickelte der 41-jährige Angeklagte eine Besessenheit und kontaktierte sie immer wieder. Dieses Verhalten brachte ihn nun auf die Anklagebank. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Nachstellung, im Volksmund auch als Stalking bekannt.

Der Angeklagte, der 41-jährige Betreiber einer Gastronomie im Raum Stockach, kannte die junge Frau aus seinem Laden. Die 22-Jährige, die in einem nahegelegenen Geschäft ihre Ausbildung macht, war dort immer wieder zu Gast, berichtete sie vor Gericht. Durch einen gemeinsamen Bekannten seien die beiden dort ins Gespräch gekommen, er habe ihr ab Februar vergangenen Jahres einen Nebenjob angeboten.

30 Anrufe in nur einer Nacht

Doch schnell merkt die junge Frau: Es läuft ganz anders, als sie möchte. Denn ihr Chef habe ständig das Gespräch gesucht, sie privat treffen wollen und ihr Avancen gemacht. Sie habe jedoch kein Interesse gehabt und ihm das auch gesagt. Doch er habe nicht locker gelassen. Immer wieder habe er geschrieben, sie täglich angerufen und ihre Nähe gesucht. Ende März kündigte sie deshalb.

Kurz darauf eskalieren seine Annäherungsversuche. Am 3. April ereignet sich der erste und gravierendste Vorfall. Wie Chatverläufe, Anruflisten und die Aussagen von Täter und Opfer zeigten, rief der 41-Jährige die junge Frau ab 21 Uhr über den ganzen Abend hinweg 30 Mal erfolglos an. Er schrieb ihr die ganze Nacht über, ans Telefon zu gehen, und drohte damit, zu ihrer Adresse zu fahren, was er schließlich auch tat. Sie reagierte nicht darauf. Zudem drohte der Angeklagte, bei den Nachbarn klingeln zu wollen, wie eine Nachricht belegt.

Beobachtete er sie täglich bei der Arbeit?

Es ist der einzige Vorfall, den der Angeklagte, der sichtlich angespannt auf der Anklagebank saß und sich immer wieder mit den Händen nervös durch das Gesicht fuhr, selbst vor Gericht „als großen Fehler“ einsah. Die weiteren Vorfälle beschrieb er lediglich als Versuche, sich zu entschuldigen. Die 22-Jährige sah das jedoch anders.

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Sie habe ihren ehemaligen Chef nach dem 3. April auf sämtlichen Kanälen blockiert, doch er habe nicht locker gelassen. Den Mai über soll er sie während der Arbeit beinahe täglich von seinem Laden aus beobachtet haben, besonders wenn sie Feierabend machte. Er selbst sagte hingegen aus, er könne sie von dort aus gar nicht beobachtet haben, er habe lediglich vor seinem Geschäft Pause gemacht.

22-Jährige traut sich nicht mehr alleine auf die Straße

Auch in den Folgemonaten hörten die Annäherungsversuche nicht auf: Im September passte er sie mit einem Strauß Rosen in der Tiefgarage bei ihrem Arbeitgeber ab und ließ sie nicht in ihr Auto einsteigen, weil er mit ihr reden wollte, berichtete die junge Frau. Erst nach dem Einschreiten ihrer Chefin habe er das Parkhaus verlassen. Wenige Tage danach sei er ihr mehrere Kilometer bewusst im Auto hinterhergefahren.

Bei einem weiteren Vorfall passte er sie wieder im Parkhaus ab und ließ sie nicht gehen, so die 22-Jährige. Wenig später fand sie einen Entschuldigungsbrief samt Blumen an ihrem Auto.

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Hinzu kommen etliche weitere Begegnungen, bei denen vor Gericht nicht endgültig klar wurde, ob sie zufällig oder vom Angeklagten forciert waren. Mehrfach rief die Geschädigte deshalb die Polizei, teilweise erstattete sie auch Anzeige. Aggressiv sei der Angeklagte dabei nie gewesen, das sagt auch die 22-Jährige, aber aufdringlich. Sie habe Angst bekommen und endlich ihre Ruhe gewollt.

Seit April traue sie sich nicht mehr alleine raus, sei immer in Begleitung der besten Freundin, zu der sie sich auch im Gerichtssaal mehrfach verunsichert umdrehte. Sie habe auch Angst, in die Berufsschule und zur Arbeit zu gehen. Zeitweise habe sie sogar überlegt, den Betrieb zu wechseln. „Ich habe mich durch die ständige Beobachtung sehr verletzlich und nirgendwo mehr wohl gefühlt“, erklärte sie vor Gericht.

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Der Angeklagte und sein Anwalt räumten zumindest den Vorfall vom 3. April als klaren Übergriff ein. Sein Mandant habe da „ein bisschen die Manieren verloren“, er habe „unangemessen Kontakt“ aufgenommen und einen „Dialog eingefordert“, beschreibt Verteidiger Sebastian Bösing. In der Zeit zuvor sei es lediglich hingegen ein „Hin und her“ gewesen, bei dem auch die 22-Jährige immer wieder den Kontakt gesucht habe.

Die folgenden Vorfälle seien nicht so dramatisch, denn auch sie sei auf ihn zugegangen bei Zufallsbegegnungen. Generell würde man sich in einer kleinen Stadt nun einmal regelmäßig über den Weg laufen. Bösing vermutete daher, die Geschädigte übertreibe etwas. Aber: „Mein Mandant hat die Botschaft inzwischen verstanden, ihr aus dem Weg zu gehen“, versicherte er.

Am Ende ging es nur um die Tagessatzhöhe

Der Angeklagte hatte daher gegen den Strafbefehl wegen Nachstellung Einspruch eingelegt, weswegen der Fall überhaupt erst vor Gericht gelandet war. Doch dort erhärteten die Chat- und Anrufprotokolle sowie die Aussagen der Geschädigten, ihrer Chefin und einer Polizistin die Vorwürfe der jungen Frau. Laut der Polizistin habe sie glaubhaft verängstigt gewirkt. Und bei einer Gefährderansprache durch die Polizei habe der 41-Jährige nur wenig Einsicht gezeigt.

Nach rund einer Stunde Verhandlungsdauer und einem Rechtsgespräch zwischen Richterin Rebecca Jenike, Staatsanwalt Johannes Röger und Verteidiger Sebastian Bösing zog dieser daher den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück und beschränkte ihn auf die Tagessatzhöhe. Denn aufgrund seiner finanziellen Situation mit nur 1200 Euro Nettogehalt, drei Kindern und etlichen Tausend Euro an Schulden sei der Angeklagte nicht in der Lage, die zunächst geforderten 50 Euro pro Tag zu zahlen.

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Staatsanwalt Johannes Röger war in seinem Plädoyer zu einer Reduzierung auf 80 Tagessätze zu je 15 Euro bereit, Bösing forderte 10 Euro. Rebecca Jenike folgte diesem Vorschlag am Ende und verurteilte den 41-Jährigen zu insgesamt 800 Euro Geldstrafe.