Seit der Grundsteinlegung zum Bau der Johanneskirche in Wahlwies sind 70 Jahre vergangen, in denen sich vieles ereignet hat. Die evangelische Kirchengemeinde Ludwigshafen feierte dieses Ereignis vor Kurzem in einem Festgottesdienst mit Pfarrer Matthias Sehmsdorf. Der Gottesdienst wurde von Jakob Sieke an der Orgel, Heide Kletschke am Klavier und Wolfgang Eißer an der Geige festlich begleitet.

Im Anschluss präsentierte Prädikantin Hella Diederichs einen Rückblick mit zahlreichen Bildern aus privater Hand und dem Stadtarchiv. Der Vortrag weckte bei vielen Besuchern Erinnerungen an die Zeit nach dem Krieg. Es kam zu einem regen Austausch, bei dem sich die Anwesenden einig waren, dass der Umgang der unterschiedlichen Konfessionen untereinander noch bis vor wenigen Jahrzehnten schwierig war.

Hella Diederich und Pfarrer Matthias Sehmsdorf beim Festgottesdienst zum 70-jährigen Bestehen der Johanneskirche in Wahlwies.
Hella Diederich und Pfarrer Matthias Sehmsdorf beim Festgottesdienst zum 70-jährigen Bestehen der Johanneskirche in Wahlwies. | Bild: Kay Diederichs

Anfänge der evangelischen Gemeinde in der Region

Wie Hella Diederichs dem SÜDKURIER im Nachgang erzählt, lebten in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Kinderlandverschickung schon evangelische Kinder, die überwiegend aus Mannheim stammten, im Ort. Hinzu kamen Waisenkinder, die im 1947 gegründeten Pestalozzi Kinderdorf ein neues Zuhause fanden. Im gleichen Jahr fand dann im katholisch geprägten Wahlwies in der Grund- und Hauptschule erstmals ein evangelischer Religionsunterricht statt. Pfarrer Ueltzhöffer aus Stockach unterrichtete dabei etwa 20 Kinder.

Im Folgejahr wurde die evangelische Kirchengemeinde Ludwigshafen gegründet. Dafür wurden die evangelischen Gemeinden Bodman, Espasingen, Ludwigshafen und Wahlwies aus der Kirchengemeinde Stockach herausgelöst, sowie die Gemeinden Bonndorf, Nesselwangen und Sipplingen aus der Kirchengemeinde Überlingen herausgenommen und alle als selbstständige Kirchengemeinde zusammengefasst. Später und bis 1990 gehörte auch Stahringen dazu.

Der erste Pfarrer dieser neuen Kirchengemeinde war Pfarrer Lipps. Er feierte die Gottesdienste im damaligen Kindergarten und späteren Rathaus neben der katholischen Pfarrkirche.

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So kam es zum Bau der Kirche

Hella Diederichs schildert im Gespräch, dass der Anteil evangelischer Christen durch den Zuzug von Flüchtlingen und das starke Anwachsen des Kinderdorfes schnell größer wurde. Die Leitung des Kinderdorfes schlug daraufhin der evangelischen Kirchengemeinde vor, in Wahlwies eine eigene kleine Kirche zu bauen.

„Damals stand die Kirche für einen Neuanfang, für einen gesellschaftlichen Wandel. Sie hat viele Zugezogene integriert. Sie hat sich den ...
„Damals stand die Kirche für einen Neuanfang, für einen gesellschaftlichen Wandel. Sie hat viele Zugezogene integriert. Sie hat sich den Veränderungen in Wahlwies und in der Kirchengemeinde angepasst. Sie hat Verbindungen zwischen den Menschen ermöglicht und ihren Platz im Dorf gefunden“, sagt Hella Diederichs. | Bild: Claudia Ladwig

Pfarrer Lipps griff diesen Antrag auf und ging in die Planung. Bereits 1954 erfolgte die Grundsteinlegung an besonderer Stelle: zwischen dem Kinderdorf und dem damaligen Ortsrand von Wahlwies. Hella Diederichs verdeutlicht: „Die Kirche sollte die Verbindung zwischen dem „neuen Kinderdorf“ und dem „alten Dorf Wahlwies“ sein.“ 1955 wurde die Johanneskirche eingeweiht.

Der ursprüngliche Bauplan beinhaltete die Kirche mit einem anschließenden Pfarrhaus. Da das Pfarrhaus erst später gebaut werden sollte, durften die Menschen aus der Gemeinde und dem Kinderdorf den Garten nutzen. Sie bauten Gemüse und Blumen an. Später wurde der gesamte Gartenanteil hinter der Kirche an eine Familie vermietet. Das Pfarrhaus wurde nie gebaut.

Das Innere der Johanneskirche in Wahlwies ist schlicht gehalten. Im Laufe der Jahrzehnte gab es dennoch einige Veränderungen.
Das Innere der Johanneskirche in Wahlwies ist schlicht gehalten. Im Laufe der Jahrzehnte gab es dennoch einige Veränderungen. | Bild: Kay Diederichs

Auch in der Kirche gab es Veränderungen. Die Heizung wurde von Koks über Öl bis zur elektrischen Sitzbankheizung in den 1990er-Jahren angepasst. 2009 wurde eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert. Der Innenraum der Kirche war sehr schlicht gehalten. Erst seit 2001 bereichern zwei gespendete Hinterglasbilder der Künstlerin Judith Beck-Meyer den Altarraum.

Die Orgel, Baujahr 1950, von der Firma Walcker wurde zuerst auf der Seitenempore aufgebaut, 23 Jahre später wurde sie von Mitarbeitern der Firma Mönch aus Überlingen zerlegt, gereinigt und an ihrem jetzigen Standort aufgebaut.

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Besonderheit der Kirche

Hella Diederich weist auf eine Besonderheit hin: „In Wahlwies gab es nie einen hauptamtlichen Mesner-Dienst.“ Immer hätten ehrenamtlich tätige Gemeindemitglieder den Kirchendienst übernommen und auch in vielen Arbeitseinsätzen in und um das Gebäude für den Erhalt der Kirche und des Gartens gesorgt.

Sie fasst zusammen: „Damals stand die Kirche für einen Neuanfang, für einen gesellschaftlichen Wandel. Sie hat viele Zugezogene integriert. Sie hat sich den Veränderungen in Wahlwies und in der Kirchengemeinde angepasst. Sie hat Verbindungen zwischen den Menschen ermöglicht und ihren Platz im Dorf gefunden.“ Auch heute stünden wieder Veränderungen an. Sie sei zuversichtlich, dass die Kirche auch in Zukunft ihren Platz finden werde.