Viele Schüler und Auszubildende haben gerade ein gemeinsames Problem: Weil der Seehäsle zwischen Radolfzell und Stockach seit 28. Januar nach Notfallfahrplan fährt, entfällt der Zug, mit dem sie normalerweise in die weiterführenden Schulen nach Stockach oder zu ihren Ausbildungsstellen im Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf kommen. Auch Schüler, die die Gemeinschaftsschule in Eigeltingen besuchen, sind betroffen.

Begründet wird die Fahrplanreduzierung vom SWEG-Verkehrsbetrieb Hohenzollerische Landesbahn mit zunehmenden Personalausfällen wegen pandemiebedingter Krankmeldungen und Quarantäneregelungen. Was sagen die Betroffenen zur aktuellen Situation und wie geht es weiter?

Eltern sind verärgert

Andrea Groß aus Wahlwies, Mutter eines Fünftklässlers vom Schulverbund Nellenburg, ist verärgert. Aus ihrer Sicht wurde der Fahrplan „ohne Augenmaß auf Kosten der Kinder gekürzt.“ Sie erzählt, dass sie am 27. Januar über eine WhatsApp-Gruppe von der Zugstreichung erfahren habe. Auch der SÜDKURIER hat darüber berichtet.

Wer nicht so gut vernetzt sei, habe sein Kind morgens unwissend zum Zug geschickt, berichtet auch Roland Hüther, Vater eines Siebt- und Fünftklässlers im Nellenburg-Gymnasium sowie Elternvertreter der fünften Klasse. „Das kam völlig unerwartet. Wir haben es nur durch Zufall mitbekommen.“

Sein großer Sohn fährt jetzt beim Vater eines Freundes im Auto mit, der jüngere Bruder nimmt den nächsten Zug um 8.02 Uhr. Das machen auch andere so. Dadurch verpassen die Kinder den Großteil der ersten Schulstunde. Hüther sagt: „Die Schule hat sich gut gekümmert. Das komplette Kollegium wurde informiert, dass in der ersten Stunde kein neues Thema oder nichts besonders Relevantes bearbeitet werden soll.“

Elterntaxis sind keine Lösung

Die Eltern sind sich einig: Den früheren Zug können die Kinder – die jüngsten sind zehn Jahre alt – nicht nehmen, weil sie dann schon um 7.01 Uhr in Stockach sind und 45 Minuten draußen warten müssten, da das Schulgebäude zurzeit erst mit Schulbeginn betreten werden darf. Die Kinder mit Elterntaxis zu bringen, sei auch keine Lösung. Dadurch würde es noch mehr Individualverkehr am Schulzentrum geben, außerdem müssten viele arbeiten.

Mittags seien die Eltern im Übrigen erneut als Abholdienst gefragt, weil dann wieder Züge ausfallen und die Kinder nicht heimkommen. Das tangiert dann auch die Waldorfschule Wahlwies. Hier überlegt man, deshalb den Stundenplan kurzfristig umzustellen.

Auch Schulleiter äußern Unmut

Andreas Rossatti, Konrektor in Eigeltingen, spricht von 25 Wahlwieser Schülern, die zum großen Teil das Seehäsle nach Nenzingen nutzen, um dort nach Eigeltingen umzusteigen. Das gelte auch für den Rückweg. Ein Direktbus der Linie 400 von Wahlwies nach Eigeltingen um 7.50 Uhr könne von einigen Schülern zur Entlastung genutzt werden. „Das ändert nichts an der prekären Situation und sehr abenteuerlichen Umsteigezeiten zu den anderen Fahrten.“

Beate Clot vom Schulverbund Nellenburg teilt mit: „Von einer Lösung weiß ich nichts. Von der Stadt habe ich vergangene Woche gehört, dass die SWEG keine Lösung sieht, wir als Schule sollen ab 7 Uhr für Obdach und Beleuchtung sorgen.“

Kinder verpassen Unterricht

Und Holger Seitz vom Nellenburg-Gymnasium berichtet: „Nachdem es auch mehrere besorgte Eltern-Anfragen an mich gab, habe ich das Problem der Stadt Stockach, dem Landratsamt in Konstanz und der SWEG gemeldet, und gesagt, dass ich es für unzumutbar halte, dass die Kinder entweder um 7 Uhr an der Schule ankommen oder um 8.10 Uhr und damit Unterricht in der ersten Stunde verpassen.“ Die Schüler dürften morgens um 7 Uhr in das Schulgebäude hinein, es seien aber nicht so viele wie befürchtet.

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Nina Mattes vom Hauptamt der Stadt Stockach nimmt im Auftrag von Bürgermeister Rainer Stolz wie folgt Stellung: „Es ist uns bekannt, dass ausgerechnet der Takt, den die Schülerschaft zur ersten Stunde nutzt, gestrichen wurde. Wir sind in dieser Sache bereits auf die Verantwortlichen von Landratsamt und SWEG zugegangen.“

Da es auch bei den Busunternehmen erheblichen Personalausfall gebe, werde jedoch vonseiten des Landratsamtes wenig Hoffnung auf eine zufriedenstellende Lösung gemacht. „Der Fahrplan soll für drei Wochen gelten, wir hoffen allerdings auf eine frühere Lösung des Problems und stehen weiterhin mit dem Landratsamt in Verbindung“, so Mattes.

Die Verantwortlichen bemühten sich intensiv um eine Verbesserung. Dazu teilte Ralf Bendl, Leiter des Amts für Nahverkehr und Schülerbeförderung, mit: „Wir hatten auf eine Lösung – frühere Öffnung der Schulen – gehofft. Da dies nicht umgesetzt wird, prüfen wir Buslösungen.“ Das Problem seien die Platzkapazitäten und der Mangel an verfügbaren Busse.

Die erlösende Nachricht kam am Freitagmittag

Am Freitagmittag informierte das Landratsamt schließlich in einer Pressemitteilung darüber, dass es gelungen sei, einen Ersatzbus zu organisieren. Ab Montag, 7. Februar, werden zwei extra Busse eingesetzt, mit denen die Schüler die erste Unterrichtsstunde erreichen können.

Ehe dies bekannt wurde, hatte Bendl bereits von Ideen gesprochen, die in der Klärung seien. Zum vorübergehenden Ausfall des für die Schüler so wichtigen Zuges erklärte Bendl, die meistgenutzte Fahrt am Morgen sei laut Zählung die um 7.07 Uhr ab Stockach mit maximal 151 Fahrgästen. In der Gegenrichtung seien es 20 Fahrgäste weniger gewesen. „Wenn wegen fehlendem Personal ein Halbstundentakt (zwei Fahrzeuge begegnen sich – also zwei Schichten nötig) nicht möglich ist, kann man wählen, ob die 7.07 Uhr Fahrt ab Stockach oder die 7.13 Uhr Fahrt ab Radolfzell gefahren werden kann. Die SWEG hat sich für die häufigere Nutzung entschieden.“ Bendl betont, er verstehe den Unmut, bitte aber um Verständnis für die Notlage des Verkehrsunternehmens.

Normalbetrieb ab 18. Februar?

Auch Monika Eckenfels, SWEG Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH, äußert sich. Sie schreibt auf SÜDKURIER-Nachfrage: „Bemühungen unsererseits um einen Bus-Ersatzverkehr sind leider gescheitert, da auch die Busunternehmen unter der pandemiebedingten Personalknappheit leiden. Wir haben Verständnis für den Unmut von Eltern, Schülern und Schulen, sehen uns hier jedoch in unseren Möglichkeiten begrenzt.“ Das Seehäsle fahre im Notfahrplan dreiteilig statt wie sonst zweiteilig, um einem eventuell erhöhten Fahrgastaufkommen gerecht zu werden.

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Die Hoffnung bei allen Beteiligten bleibt, dass der Fahrplan nach dem 18. Februar wieder in den Normalbetrieb übergeht – auch wenn die Anzeige am Bahnsteig mit dem Hinweis, dieser Plan gelte „bis auf Weiteres“ alle Möglichkeiten offenhält.