Aktuell finden in der Kirche St. Oswald grundlegende Sanierungsarbeiten statt, an deren Ende das Gebäude und der Bereich darum ein neues Aussehen erhalten sollen. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Kirche in ihrer langen Geschichte wandelte. „Es ist interessant, wie Stockach durch die Geschichte hindurch immer an einem Weg lag, der Glück oder Unglück bedeutete“, sagt der leitende Pfarrer der Seelsorgeeinheit Stockach Heinz Vogel. „Stockach unterlag einer stetigen Veränderung und auch Kirche ist immer in Wandlung und sie wandelt sich weiter. Es treffen dort viele unterschiedliche Menschen zusammen, deren Bedürfnissen will man gerecht werden.“ Und die Bedürfnisse haben sich gewandelt.
Kirche wurde in den 1930er Jahren neu gebaut
Seitdem vor knapp 300 Jahren, genauer 1733, die Kirche St. Oswald in der Stockacher Oberstadt gebaut wurde, prägt diese maßgeblich das Erscheinungsbild der Stadt. Denn hoch oben thront der unverkennbare Turm, unten viereckig, oben achteckig mit kupferfarbenem Dach in Zwiebelform.
Man kann ihn von weit her schon sehen und er bewegte vor mehreren Dekaden bereits die Gemüter vieler Menschen in Stockach: In den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts nämlich wurde die Kirche nach einem Entwurf von Otto Linder neu gebaut. Sie war für die stetig wachsende Gemeinde viel zu klein geworden.
Die achteckige Form des Turmes kollidierte jedoch mit der expressionistischen Formensprache. Eigentlich hatte er den Turm ohne die Achteckform geplant – doch die Stockacher setzten durch, dass ihr Turm so bleibt, wie er schon immer war.

Kirche wandelt sich nach dem Vatikanischen Konzil
Die erste große und wichtigste Renovierung fand in den 1970er Jahren statt. Das zweite Vatikanische Konzil hatte wichtige Impulse zur Erneuerung der Liturgie gesetzt: Es ging um die Frage, ob man in dem bestehenden Kirchenraum noch Gottesdienst feiern kann, weiß Pfarrer Vogel zu berichten. „Jede Religion deutet die Schriften entsprechend der Zeit“, sagt er, „und das hat dann einen Einfluss auch auf die Mitarbeiter, auf den Chor und auf den Raum.“
Längere Predigten erfordern Sitzplätze
So stelle man sich vor, dass es im Mittelalter zum Beispiel im Konstanzer Münster keine Bänke gegeben habe. Die Menschen bewegten sich während der Messe im Kirchenraum hin und her. Doch mit der Zeit seien die Predigten länger geworden, da brauchten die Menschen Sitzgelegenheiten.
Seit der Liturgiekonstitution im Jahr 1963 wurde die Messe dann nicht mehr auf Latein gelesen und man sah den Priester bei der Lesung nicht nur von hinten. Also musste sich der Chorraum ändern.
Es sollen noch mehr Menschen kommen können
Auch künftig soll St. Oswald eine lebendige Kirche bleiben mit Konzerten und mit verschiedenen Ereignissen – eine entsprechende Struktur wird noch ausgearbeitet. Auch die Unterkirche in St. Oswald bekommt einen barrierefreien Zugang, sodass noch mehr Menschen kommen können. Und die frühere St. Oswald-Kapelle wird ein Gemeinschaftsraum mit Sitzgelegenheiten, Küchenzeile und Wandpaneelen zur Schallisolierung. Dieser Raum soll die Möglichkeit zum Beisammensein nach dem Gottesdienst bieten.

Im Altarraum wird die Bühnensituation aufgelöst, dadurch wird die Versammlung um den Altar erlebbarer gemacht. Der Raum ist klarer geometrisch und rund, die Bänke passen sich also der Mittelinsel an. Heinz Vogel lobt die Änderungen: „Das Konzept ist gut durchdacht. Es wird viel Licht und Wärme geben. Die Menschen haben gesagt, was ihnen Kirche bedeutet und was sie ausdrücken muss: nämlich Gemeinschaft.“

Und Stephan Kessler, Baubeauftragter und Mitglied des Pfarrgemeinderats, fügt hinzu: „Es ist ein flexibles Konzept, in dem nicht alles ganz festgelegt ist, denn es muss für mindestens 25 kommende Jahre nutzbar bleiben, schon alleine wegen der großen Investition von rund drei Millionen Euro. So sind zum Beispiel Holzblöcke als Sitzgelegenheiten mobil.“

Der planende Markdorfer Architekt Gerhard Lallinger beschreibt das Konzept als eine kleine Transformation und Fortführung des Gegebenen, auch die Treppenanlage im Altarraum mit fließendem Übergang.
Anpassung an moderne Herausforderungen
Die Pandemie habe gezeigt, dass man einen anderen Kirchenraum brauche, da sind sich Vogel, Lallinger und Kessler einig: mit weitreichenderen, medialen Möglichkeiten. Es gebe nun eine verstärkte Elektronik, einen Beamer, eine besondere Raumakustik in der Decke, sodass nun auch das Live-Streaming einfacher sei – für den Fall, dass es künftig zu neuen Lockdowns komme.
Die Spendenresonanz zeige, dass das Konzept gut aufgenommen würde. Außerdem habe man, sagt Pfarrer Vogel, immer auch Verantwortung für die alten Kulturdenkmäler, Achtung vor dem Überlieferten und Respekt vor dem alten Architekten. Dies alles zu vereinbaren, sei keine leichte Aufgabe, so Vogel. Architekt Gerhard Lallinger habe aber eine gute Lösung gefunden.