Der Angeklagte, ein 24-jähriger Mann, der früher in Singen gewohnt hat, betrat den Gerichtssaal ruhig und beinahe schüchtern – trotz der schwerwiegenden Vorwürfe gegen ihn. Laut Anklage soll er gemeinsam mit einem Bekannten gegen 4.30 Uhr am Schweizer Feiertag 2019 in eine Shisha-Bar in Stockach gegangen und dort dann mit dem 38-Jährigen in einen Streit geraten sein.

Vorwurf: Schlag mit Bierflasche und Biss in die Brust

Dabei soll er ihn mit der Bierflasche attackiert haben, wodurch der Mann eine Platzwunde erlitten habe. Anschließend soll der mutmaßliche Täter versucht haben, den 38-Jährigen mit dem abgebrochenen Flaschenhals zu verletzen.

Als die Verlobte des Geschädigten bei der folgenden Schlägerei den Angeklagten in den Schwitzkasten nehmen wollte, soll er sie laut Anklage in die Brust gebissen haben, um sich zu befreien. Sie habe bis heute eine sichtbare Narbe.

Verteidigung spricht von Notwehr

Zu Verhandlungsbeginn verlas Verteidiger Nils Hulinsky die Aussage des Angeklagten. Dieser räumte den Schlag mit der Bierflasche zwar ein. Allerdings habe er aus Notwehr gehandelt, da er vom Geschädigten unvermittelt angegriffen worden sei.

Den zweiten Vorwurf bestritt der 24-Jährige hingegen. Die Verlobte des Geschädigten sei gar nicht in der Bar gewesen – er habe sie daher nicht beißen können. Zudem gab er vor Gericht an, dass er und sein Bekannter danach von weiteren Gästen der Bar angegriffen worden seien, als sie versuchten zu flüchten.

Seine Vermutung: Die anderen Gäste hätten sich untereinander gekannt. Er und sein Begleiter seien daher nicht erwünscht gewesen.

Widersprüchliche Aussagen vor Gericht

Dann betrat der Geschädigte den Gerichtssaal – und die Stimmung im Saal wurde aggressiv und emotional. Der 38-Jährige schilderte, dass der Angeklagte bereits den ganzen Abend über die anwesenden Gäste angepöbelt und provoziert habe. Später habe der Angeklagte seiner Verlobten an den Hintern gefasst, weshalb er sofort auf den 24-Jährigen losgehen wollte.

Doch so weit sei es gar nicht gekommen – fünf oder sechs Bekannte hätten ihn zurückgehalten, als er noch zwei Meter vom Angeklagten entfernt gewesen sei. Sekunden später habe er plötzlich einen Schlag auf den Kopf bekommen – wahrscheinlich von hinten, vermutete er in der Verhandlung.

Das könnte Sie auch interessieren

Noch immer im Griff seiner Bekannten, habe er den Angeklagten kurz darauf mit dem abgebrochenen Flaschenhals auf sich losgehen sehen. Der 38-Jährige berichtete im Gericht, er habe voller Panik einen Arm befreien können, die Flasche mit der Hand abgewehrt und dabei eine Schnittwunde am Daumen erlitten. „Das war keine angenehme Situation“, erklärte er.

Anwalt und Opfer geraten aneinander

Als Verteidiger Hulinsky während der Verhandlung den Tatablauf mehrmals nachfragte und dem Geschädigten nicht glaubte, reagierte dieser wütend. Er sagte, er fühle sich nicht ernst genommen und schikaniert, weil er mehrfach dasselbe erklären müsse. Er finde es schwierig, sich genau zu erinnern, weil die Tat zwei Jahre her sei. Hulinsky hingegen bezeichnete die emotionale Reaktion des Mannes als unverschämt.

Der 31-jährigen Verlobten des verletzten Mannes fiel es schwer, vor Gericht detaillierte Aussagen zur Tat zu machen. Sie sagte jedoch aus, sie habe genau gesehen, dass der Angeklagte ihren Verlobten zunächst mit einer Flasche von vorne geschlagen habe – nicht von hinten, wie der glaubte.

Das könnte Sie auch interessieren

Anschließend habe der Angeklagte mit einer zweiten Bierflasche erneut zuschlagen wollen – diesmal von hinten. Obwohl auch diese Aussage im Widerspruch zu der ihres Verlobten stand, beteuerte sie vor Gericht: „Es waren definitiv zwei Flaschen. Das habe ich genau gesehen.“

Verteidiger möchte Verfahren einstellen lassen

Nachdem die Frau aussagte, sie sei nicht auf Schmerzensgeld aus, hätte aber gerne eine ehrliche Entschuldigung, weil sie bis heute unter der Narbe auf ihrer Brust leide, machte der Verteidiger den Vorschlag, das Verfahren gegen eine Zahlung von 1200 Euro Schmerzensgeld einzustellen.

Die Frau tue ihm Leid, weil sie ein unbeteiligtes Opfer sei, begründete er die Idee. Mit ihrem Verlobten habe er hingegen kein Mitleid, denn „vielleicht hat er die Flasche ja sogar verdient, wenn er den Streit begonnen hat und so aggressiv war, dass ihn fünf Leute zurückhalten mussten“, sagte er. Eine Aussage, die für Irritationen sorgte.

Angeklagter muss 1600 Euro zahlen

Richterin Julia Elsner stimmte dem Antrag dennoch zu, verlangte aber insgesamt 1600 Euro für die 31-jährige Geschädigte. Sie sagte, sie finde es zwar grundsätzlich nicht richtig, ein Verfahren wegen eines Schlags mit einer Bierflasche gegen eine Geldauflage einzustellen.

Das könnte Sie auch interessieren

Doch hier liege ein Sonderfall vor. Denn beide Opfer seien nicht auf die Strafverfolgung aus gewesen und bereits bei der Vernehmung durch die Polizei auf einen Strafantrag verzichtetet. Nach mehrfacher Rücksprache akzeptierte auch die Staatsanwaltschaft den Vorschlag.