Wolfgang Widmann, Leiter des Polizeireviers Stockach, kann nicht genau sagen, ob man aus den drei Fällen Rückschlüsse auf Trinkverhalten und Fahrverhalten im vergangenen Jahr ziehen kann.

Einerseits habe die Anzahl der Fälle von Trunkenheit im Verkehr und Fahren unter Alkoholeinwirkung in seinem Revierbereich nicht zugenommen – sowohl 2019 als auch 2020 habe es 51 davon gegeben. In diesem Jahr seien es bislang 23 Fälle gewesen – statistisch ein leichter Anstieg.

Wolfgang Widmann, Leiter des Polizeireviers Stockach
Wolfgang Widmann, Leiter des Polizeireviers Stockach | Bild: Marinovic, Laura

Andererseits sei zu erwarten, dass es wegen geschlossener Bars und abgesagten Festen weniger Fälle geben müsste – ähnlich wie bei anderen Straftaten. So seien laut Widmann Körperverletzungen und Diebstähle seit Corona stark zurückgegangen.

Polizeichef: Datenlage nicht eindeutig

Die konstanten Fallzahlen bei Alkohol am Steuer könnten also durchaus auf ein verändertes Trinkverhalten hindeuten. „Daraus belastbare Schlüsse zu ziehen, fällt allerdings schwer“, sagt der Revierleiter. Denn wegen abgesagter Veranstaltungen seien Einsatzkräfte freigeworden, die zu Verkehrskontrollen eingesetzt würden.

Dadurch steige das Entdeckungsrisiko. Widmann vermutet: „Die Stagnation auf gleichem Niveau ist ein Ergebnis, dass sich zumindest in Teilen auf das erhöhte Entdeckungsrisiko zurückführen lassen wird.“

Und die Fälle vor Gericht?

In der ersten Verhandlung wurde einer 53-jährigen Frau vorgeworfen, an einem Juliabend vergangenen Jahres mit 3,46 Promille vom Parkplatz eines Edeka in Stockach nachhause gefahren zu sein. Obwohl ihr danach der Führerschein entzogen wurde, sei sie im September erneut betrunken am Steuer erwischt worden.

Sie soll beim Einparken ein anderes Auto gerammt haben – der Schaden liege bei über 2000 Euro. Die Staatsanwaltschaft warf ihr deshalb vorsätzliches Fahren ohne Führerschein, Trunkenheit am Steuer sowie die Gefährdung anderer vor.

Obwohl die Beschuldigte die Vorwürfe vor Gericht einräumte, hatte sie zuvor Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt. Denn sie hoffte auf eine Verkürzung der Führerscheinsperre.

Alkoholabhängigkeit wegen Lockdown und Schmerzen

Wegen der Einsamkeit während des Lockdowns und starker Schmerzen nach einer Operation, sei sie vor einigen Monaten alkoholabhängig geworden. Sie habe sich jedoch umgehend in Therapie begeben.

Zudem sei sie bei der zweiten Tat nur wenige Meter gefahren, um ihr Auto, das sie nicht mehr benutzte, umzuparken. Es sei alles etwas dumm gelaufen, sagte die 53-Jährige vor Gericht. Seit ihrer zweiten Alkoholfahrt seien zudem mehrere Urinproben negativ ausgefallen.

Richterin berücksichtigt mildernde Umstände

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft forderte dennoch eine sechsmonatige Freiheitsstrafe zur Bewährung sowie einen Führerscheinentzug für 24 Monate und eine Zahlung von 2000 Euro.

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Richterin Elsner berücksichtigte die Situation der Angeklagten und verurteilte sie zwar zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, verkürzte aber die Sperrfrist des Führerscheins auf nur 14 weitere Monate.

Sie argumentierte, man denke zwar „das geht gar nicht“, wenn man nur die Akte der Angeklagten sehe. Doch wenn man ihre Geschichte kenne, gebe es mildernde Umstände.

Mit 1,95 Promille hinterm Steuer

In den zweiten Verhandlung musste sich ein 45-jähriger Mann wegen den gleichen Vorwürfen verantworten. Er soll im Januar zum wiederholten Male betrunken und ohne Führerschein Autogefahren sein – diesmal mit 1,95 Promille. Auch er gestand die Vorwürfe vor Gericht ein, wollte zu den Gründen jedoch keine Angaben machen.

Ein Beamter führt während einer Polizeikontrolle bei einem Mann einen Alkoholtest durch (Archivbild).
Ein Beamter führt während einer Polizeikontrolle bei einem Mann einen Alkoholtest durch (Archivbild). | Bild: Uli Deck/DPA

In diesem Fall fiel das Urteil der Richterin ähnlich aus, unter anderem da der Angeklagte bereits drei Vorstrafen wegen Alkohols am Steuer hatte – alle aus dem Jahr 2020. Sie verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung und sprach eine 20-monatige Führerscheinsperre aus.

Zudem muss er 80 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor sogar eine viermonatige Haftstrafe und einen 24-monatigen Einzug des Führerscheins gefordert.

Überraschende Wendung im Gerichtssaal

Der dritte Prozess ging dagegen weniger klar zu – und endete mit einer überraschenden Wendung. Einer 45-jährigen Frau wurde vorgeworfen, im November mit 1,27 Promille auf der Meßkircher Straße gefahren zu sein.

Durch ihr langsames und unrundes Fahrverhalten sei sie einer entgegen kommenden Streife aufgefallen, sagte ein Beamter vor Gericht aus. Deshalb seien sie dem Fahrzeug nachgefahren. Es sei dabei auf die Gegenfahrbahn gekommen und habe danach abrupt gebremst.

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Als die Beamten die vier Insassen kontrollierten, sei die Angeklagte auf dem Fahrersitz gesessen und habe die Tat nicht abgestritten. Erst einen Tag später habe sie auf dem Revier angerufen und behauptet, dass sie zunächst die Beifahrerin gewesen sei.

Angeklagte wurde auf Fahrersitz gedrängt

Der Fahrer habe sie jedoch zum Platztausch gedrängt, sei einfach auf den Beifahrersitz auf ihren Schoß gewechselt und habe sie nach links geschoben – vermutlich, weil er die Polizei gesehen habe, sagte die 45-Jährige in der Vernehmung auf dem Revier und vor Gericht aus.

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Sie habe dann in Panik ans Steuer gewechselt und versucht, den Wagen zum Stehen zu bringen. Obwohl diese Version schon auf dem Revier von einer weiteren Insassin bestätigt worden war, hielten die Staatsanwaltschaft und die Polizei die Aussage zunächst für unglaubwürdig.

Sprachnachricht sorgt für Einstellung des Verfahrens

Im Gericht kam dann aber die Wende: Die Angeklagte präsentierte eine Sprachnachricht vom Folgetag der Alkoholfahrt, in der ein Mann bestätigte, dass er die 45-Jährige zum Platztausch gezwungen habe.

Er bot ihr darin sogar 15.000 Euro als Entschädigung für die Folgen an und zeigte sich enttäuscht, dass sie der Polizei die Wahrheit erzählen wolle. Richterin Julia Elsner beriet sich daraufhin mit der Staatsanwaltschaft und entschied, das Verfahren einzustellen.

Eine Entschädigung für den Einzug des Führerscheins in den vergangenen sechs Monate solle die Angeklagte jedoch nicht erhalten, da sie aufgrund ihrer späten Aussage einige Verfahrenskosten verursacht habe. Die Verteidigung akzeptierte den Vorschlag.