Viele Pendler sind es gewohnt, dass die öffentlichen Verkehrsmittel besonders zu Stoßzeiten sehr voll sind. Doch beim Seehäsle, das zwischen Stockach und Radolfzell verkehrt ist das in jüngster Zeit ganz extrem der Fall, denn statt den versprochenen zwei Triebwagen, ist oft nur ein einzelnes Fahrzeug auf der Strecke unterwegs. Das ruft nun sogar den Auftraggeber auf den Plan: Das Land Baden-Württemberg verlangt von der Bahn eine empfindliche Strafzahlung. Was dahinter steckt, und wie es jetzt weitergeht.
Manche steigen wieder auf das Auto um
Einer, der seinem Ärger öffentlich Luft machte, ist Udo Pelkner (FWV). Der Ortsvorsteher von Wahlwies berichtete in der jüngsten Gemeinderatssitzung, dass bei ihm schon viele Beschwerden von Eltern aufgelaufen seien, deren Kinder mit dem Seehäsle zur Schule fahren müssen. „Ich habe mich dann mal selbst an den Bahnhof gestellt, um mir ein Bild von der Lage zu machen. Und als ich die Leute beim Aussteigen beobachtet habe, musste ich mich fragen, wo die alle herkommen. Die standen da drinnen, wie die Sardinen“, so Pelkner. Auch Stadtrat Christoph Lempp (FDP) konnte diesen Eindruck in der Sitzung bestätigen.
Die aktuelle Situation führe dazu, dass Pendler sogar wieder auf das Auto umsteigen, wurde in der Sitzung deutlich. Dem SÜDKURIER liegen zudem noch einige Beschwerdemails an das Amt für Nahverkehr und Schülerbeförderung, das beim Landratsamt Konstanz angesiedelt ist, vor. In ihnen wird unter anderem geschildert, dass Schüler in Wahlwies morgens nicht mehr in den Zug nach Radolfzell einsteigen können, weil dieser bereits überfüllt sei.

Auch beim Auftraggeber ist man mit der aktuellen Lage beim Seehäsle alles andere als zufrieden, wie eine Nachfrage des SÜDKURIER zeigt. Die Züge verkehren im Auftrag des Landes Baden-Württemberg. Wie Edgar Neumann, Pressesprecher des Landesverkehrsministeriums, erklärt, seien die bestellten Kapazitäten nach Ansicht des Landes zwar ausreichend dimensioniert, problematisch sei jedoch, dass der Betreiber die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht erfülle, da die Fahrzeuge oft nur in „Einzeltraktion anstatt in Doppeltraktion eingesetzt werden“, so Neumann.
Darum sind zu wenige Triebwagen im Einsatz
Laut Neumann seien derzeit schlicht und einfach nicht genügend einsatzfähige Triebwagen bei der DB vorhanden. Das betreffe nicht nur das Seehäsle und die dort eingesetzten Fahrzeuge der Baureihe VT 650, sondern auch einen Großteil der anderen Verbindungen und Fahrzeugtypen im Land, so Neumann. Aufgrund von Problemen bei der Beschaffung von Ersatzteilen, Personalmangel und hohen Krankenständen in den Werkstätten, erschwerte Zuführung zur Werkstatt durch Baustellen sowie einer Häufung von Unfällen und Defekten mit langen Behebungsfristen könne DB-Regio derzeit nicht genügend lauffähige Fahrzeuge für den Betrieb zur Verfügung stellen.
„Dies hat zur Konsequenz, dass es auf vielen Strecken zu Minderkapazitäten kommt. Nach Ansicht des Landes sind die Werkstätten ressourcenbedingt aktuell nicht in der Lage, eine ausreichende Fahrzeugverfügbarkeit sicherzustellen“, erklärt Neumann. Das Land fordere beim Betreiber sowohl kurzfristige als auch langfristige Maßnahmen ein, um den Betrieb in ausreichender Kapazität sicherzustellen. Ein Sprecher der Bahn bestätigt auf Nachfrage des SÜDKURIER, dass es einen Rückstau in der DB-Werkstatt in Ulm gebe. Dies hänge zum einen mit einem hohen Krankenstand, zum anderen mit Lieferengpässen bei den Ersatzteilen zusammen.
DB-Regio muss Strafe zahlen
Doch was kann das Land als Auftraggeber überhaupt tun, um die Situation für die Fahrgäste an der Strecke zwischen Radolfzell und Stockach wieder zu verbessern? „Beim EVU (also dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, in diesem Fall DB-Regio, Anmerkung der Redaktion) werden bereits jetzt empfindliche Strafen fällig“, so Neumann. Auf Arbeitsebene wie auch auf Ebene der Konzernführung stehe man mit dem Betreiber zu den konkreten Verbesserungsmaßnahmen in einem intensiven und regelmäßigen Austausch. Das Land fordere vom Betreiber eine schnellstmögliche Rückkehr zum vertraglich vereinbarten Standard ein.
Der vertraglich vereinbarte Standard sehe laut Neumann vor, dass insbesondere im Berufsverkehr genug Sitzplätze zur Verfügung stehen sollten. An diese Vorgaben seien die Unternehmen gebunden und müssen empfindliche Strafzahlungen entrichten, wenn es zu negativen Abweichungen kommt. „Grundsätzlich sind alle Fahrten des Seehäsle im Jahresfahrplan mit einer Doppeltraktion VT 650 bestellt“, so Neumann. Das entspreche 140 Sitzplätzen. Und sei damit in etwa gleich wie beim vorigen Betreibers. Eine Kapazitätsreduktion habe es nicht gegeben. Unterjährig könne es aber durch Baustellen, Großveranstaltungen oder sonstige Ereignisse zu abgestimmten Anpassungen der Soll-Kapazität kommen.
Bahn verspricht baldige Besserung
Wie ein Sprecher der Bahn gegenüber dem SÜDKURIER erklärt, sei eine Besserung in Sicht: „Wir gehen davon aus, dass ab Mitte Februar wieder mehr Fahrzeuge zur Verfügung stehen und sich die Situation für die Fahrgäste wieder verbessert.“ Diese Zeit brauche es einfach noch, bis der Rückstau in der Werkstatt abgearbeitet sei. „Es tut uns leid, aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass sich die Lage wieder bessert“, betont der Unternehmenssprecher.