Das Krankenhaus in Pfullendorf ist nun schon einige Tage geschlossen und ab heute gilt das auch für das Haus in Bad Saulgau. Die Hoffnungen der Menschen stützen sich auf die Erweiterung des MVZ in der Kurstadt und im Linzgau auf die Neueinrichtung eines solchen Medizinischen Versorgungszentrums.

Der Gesundheitscampus in Bad Säckingen ist ein riesiges Projekt.
Der Gesundheitscampus in Bad Säckingen ist ein riesiges Projekt. | Bild: Erich Meyer

Diskutiert wird in beiden Orten auch über ein Primärmedizinisches Versorgungszentrum. Doch was ist unter den Begriffen zu verstehen? Und wie kann man so etwas auch bei uns realisieren? Die Stadtratsfraktion von Bad Saulgau und der Kreisverband von Bündnis 90/ Die Grünen hatte zu einer Informationsveranstaltung ins Stadtforum Bad Saulgau eingeladen und dafür Jörg Blattmann als Experten gewinnen können.

Netzwerkgruppen starten

Der promovierte Betriebswirt, er war bis vor wenigen Tagen Geschäftsführer des Medizincampus in Bad Säckingen, glänzte durch viel Wissen und Erfahrung. Sein unaufgeregter Vortrag sorgte bei den rund 50 Besuchern für nachdenkliche Gesichter und teilweise aber auch für ein hoffnungsvolles Blitzen in den Augen. „So einen Mann könnten wir brauchen“, hörte man mehrmals flüstern. Dabei machte dieser klar: Auf die Schnelle geht gar nichts und ohne Geld schon gar nicht. Denn „die Schließung der Krankenhäuser hat uns voll erwischt“, wie Klaus Harter, vormals Kreisvorsitzender der Grünen und in der Gesundheitspolitik sehr engagiert, feststellte.

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Er möchte in der jetzigen Situation nach vorne schauen. Der Landkreis habe einen Landeszuschuss für die Einrichtung einer Planungsgruppe bekommen. Der sei an eine Bürgerbeteiligung gebunden, die derzeit aber gar nicht stattfinde. Harter: „Man erfährt nichts. Es fehlt die nötige Transparenz.“ Hier konnte einer der Besucher aufklären. Sozialdezernent Torsten Schillinger vom Landratsamt machte deutlich: „Wir stehen erst am Anfang des Prozesses. Kommende Woche starten die Netzwerkgruppen in Bad Saulgau und Pfullendorf. Es geht jetzt darum, mit den Ärzten vor Ort das Gespräch zu suchen.“

Nicht alle Mediziner sind von einem MVZ begeistert

Da wäre jemand wie Blattmann durchaus hilfreich, denn ohne die Ärzte vor Ort wird man sich schwer tun. Wie man an der derzeitigen Diskussion in Stockach sieht, ist nicht jeder Mediziner von einem MVZ begeistert. Solche Einrichtungen können von zugelassenen Ärztinnen und Ärzten und zugelassenen Krankenhäusern, Erbringern nicht-ärztlicher Dialyseleistungen, bestimmten gemeinnützigen Trägern und anerkannten Praxisnetzen gegründet werden. Darüber hinaus besteht auch für Kommunen die Möglichkeit, ein MVZ zu gründen und damit aktiv die Versorgung in der Region zu verbessern.

Jörg Blattmann (rechts) wurde von Klaus Harter mit gesunden Dingen versorgt. Dieser hatte die fehlende Transparenz bei der Frage der ...
Jörg Blattmann (rechts) wurde von Klaus Harter mit gesunden Dingen versorgt. Dieser hatte die fehlende Transparenz bei der Frage der Entwicklung von MVZ bemängelt. Da scheint sich jetzt aber etwas zu tun. Die Netzwerkgruppen in Bad Saulgau und Pfullendorf nehmen kommende Woche ihr Arbeit auf. | Bild: Karlheinz Fahlbusch

Die Leitung eines MVZ muss in der Hand eines Arztes oder einer Ärztin liegen, der in dem MVZ selbst tätig und in medizinischen Fragen weisungsfrei ist. MVZ können sowohl als fachübergreifende als auch als arztgruppengleiche Einrichtungen betrieben werden. Das bedeutet, dass auch reine Hausarzt-MVZ sowie spezialisierte facharztgruppengleiche MVZ möglich sind. Blattmann: „Wichtig ist eine passgenaue Lösung vor Ort.“ Und da dürfte so ein Medizincampus wie in Bad Säckingen (17 000 Einwohner) für Bad Saulgau und Pfullendorf wohl eine Nummer zu groß sein.

Tochtergesellschaft Medizincampus gegründet

Dort hatte man 2017 die Klinik schließen müssen. Die Stadt machte dann zunächst eine Bestands- und Bedarfsanalyse. Ergebnis: Bad Säckingen gründete die 100-prozentige Tochtergesellschaft Medizincampus als GmbH. Das hatte aber sehr große Umbaumaßnahmen zur Folge. Ein MVZ sollte hier ebenso Platz finden, Operations-Säle zur Anmietung, eine Labor-Außenstelle, therapeutische Angebote wie Physiotherapie und Podologie, ein Sanitätshaus, eine Apotheke und mehrere Arztpraxen, darunter Gynäkologie und Kardiologie.

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Ein Drittel der Kosten von rund 29 Millionen Euro kamen vom Landkreis, zwei Drittel von der KfW. Die Baukostenexplosion hätte fast zur Pleite geführt. In einem finanziellen Kraftakt trat die Stadt als Retter auf. Mittlerweile scheint der Campus gerettet und das MVZ ist auch bereits in Betrieb.

Fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen festgestellt

Blattmann berichtete von vielen Ideen, aber auch fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie digitale Patientenakte, keine Gesundheitskarte, wenig finanzielle Hilfen und vor allem das Personalproblem. Derzeit sind Bad Saulgau und Pfullendorf bei einem Pilotprojekt des Landes dabei, das Primäre Versorgungszentren voranbringen will.

Geduld, Geld und Zeit sind gefragt

Die Primärversorgung stellt den persönlichen Zugang zum medizinischen System und zu einer Vielzahl an Versorgungs- und Präventionsleistungen dar. Sie bietet eine Erstberatung und medizinische Grundversorgung. Präventive, gesundheitsfördernde, kurative, pflegerische, rehabilitative und palliative Maßnahmen. Dass es Zeit, Geduld und Geld braucht, um so etwas in einem Landkreis oder einer Region auf die Beine zu stellen, wurde beim Vortrag deutlich.