Die Familien-Laune ist nach über einem Jahr Corona-Maßnahmen auf dem Tiefpunkt angelangt: Kinderbetreuung ausschließlich zu Hause, nerviges Homeschooling, keine Ausflüge, nicht essen gehen, keine Abwechslung. Was tun, wenn die Arbeit beider Elternteile darüber hinaus systemrelevant ist, die Großeltern weit entfernt wohnen und die Kinder in Quarantäne müssen? Jennifer Weber und ihre Familie versuchen, den Alltag so gut wie möglich zu managen, doch wie andere Eltern in gleicher Situation berichtet sie, dass ihr Akku allmählich leer ist.

Eltern mussten alle ihre Dienstpläne umstellen

Zahnarzthelferin Jennifer Weber und ihr Mann Thorsten, die Familie lebt in Meßkirch, versuchen ihre Dienste so einzurichten, dass immer einer von beiden zu Hause bei den Töchtern Julia und Nina ist, die in die zweite und dritte Grundschulklasse gehen. Das ist in Zeiten des Homeschoolings nicht so einfach. Erschwerend kommt hinzu, dass die Mutter im vergangenen Jahr ihren Arbeitgeber wechselte und noch in der Probezeit ist. Sie arbeitet wie ihr Mann bei der Bundeswehr in Pfullendorf. „Anfangs lief es noch gut, als die Notbetreuung an der Schule um 7 Uhr startete“, erzählt sie. Mit dem Präsenzunterricht wurden jedoch die Betreuungszeiten wieder umgestellt. „Am ersten Tag, als meine Kinder endlich wieder in den Unterricht durften, bekam ich am Abend einen Anruf, dass die Lehrerin positiv getestet wurde“, berichtet sie mittlerweile etwas kraftlos. Das bedeutete Quarantäne für die Mädchen und die Umstellung aller Dienstpläne der Eltern. Die Mutter ist sehr froh, dass die Familie zumindest keine finanziellen Einbußen hat und es im Öffentlichen Dienst Corona-Sonderurlaub für diese Fälle gibt. „Aber es ist mir selbst sehr unangenehm, mich nicht an die Arbeitspläne halten zu können“, erzählt Jennifer Weber. Man wisse zwar immer, dass eine Quarantäne zu jeder Zeit drohen könne, doch wie man das regle, stelle einem trotzdem vor große Herausforderungen. Die Familie richtete sich nach den Vorgaben des Gesundheitsamts, das damit einverstanden war, dass in einer Woche ein Elternteil zu Hause bleiben kann und in der nächsten Woche der andere.

Lernsituation für Erstklässler alles andere als ideal

Bei Grundschülern komme hinzu, dass das Homeschooling immer betreut werden müsse. „Eine Erstklässlerin kann sich noch keine halbe Stunde alleine hinsetzen und lernen“, beschreibt die Mutter die Lernsituation zu Hause. Bis zum Sommer 2020 besuchten ihre Töchter die erste und zweite Klasse. Man sei permanent beschäftigt und beantworte den ganzen Tag Fragen. Wolle man als Elternteil etwas erklären, heiße es, die Lehrerin erkläre das aber anders.

Jennifer Weber (von links) ist froh, dass sich ihre Kinder Julia und Nina in den Homeschooling-Pausen und während der Quarantäne im ...
Jennifer Weber (von links) ist froh, dass sich ihre Kinder Julia und Nina in den Homeschooling-Pausen und während der Quarantäne im Garten austoben konnten. | Bild: Isabell Michelberger

Schwierigkeiten mit der Internetverbindung

„Weihnachten vor einem Jahr haben wir den Kindern noch klargemacht, dass sie kein Handy bekommen, weil sie noch zu jung sind“, erzählt Jennifer Weber. Jetzt bräuchten sie es, um mit anderen in Kontakt zu bleiben. Anfang des Jahres habe die Drittklässlerin Julia ihre erste Schul-Videokonferenz gehabt. Das sei aber äußerst schwierig in diesem Alter. Ein Nachbarjunge, der in eine fünfte Klasse gehe, habe noch nicht einmal alle seine Mitschüler kennengelernt. Und dauernd stürze im Internet irgendetwas zusammen.

Kinder haben Angst vor Corona

Die Mädchen haben glücklicherweise Verständnis für die Ausnahmesituation. Es helfe, dass es ihren Mitschülerinnen und Mitschülern auch nicht anders ergehe. Doch die Corona-Problematik perlt auch an den Kindern nicht ab. „Sie haben tatsächlich Angst vor Corona“, erzählt die Zahnarzthelferin. „Aber wir sprechen offen darüber und erklären viel.“ Gerade die Regeln für die Quarantäne hätten sie nicht gut verstanden und argumentiert: „Mama, du bist doch geimpft und wir sind doch negativ getestet.“ Oder: „Die Lehrer haben doch eine Maske getragen.“

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Der Akku bei vielen sei mittlerweile leer, hört die Mutter von anderen Familien. Jeder wünsche sich, dass ein Stück Normalität in den Alltag zurückkehrt. Die Kinder würden gerne wieder Freunde treffen, richtigen Unterricht haben, sich im Sportverein treffen und Ausflüge unternehmen. Man müsse sich jedoch davor hüten, zu viel Angst zu entwickeln, dadurch verliere man das restliche Quäntchen positives Denken.

Für die meisten gibt es Fernunterricht

Wegen der weiter steigenden Corona-Infektionszahlen begann die Schule für viele Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg am Montag nach den Osterferien zunächst wieder nur im Fernunterricht. Geplant war das anders, aber das Land hat Öffnungsschritte an den Schulen zurückgenommen. In der ersten Woche wird es bis auf wenige Ausnahmen keinen Präsenz-, sondern nur Unterricht auf die analoge oder digitale Weise geben. Für Schüler bis einschließlich Klasse 7 soll eine Notbetreuung angeboten werden, wenn die Eltern darauf angewiesen sind. Hintergrund ist die Sorge, dass sich die Corona-Mutante verstärkt über Kinder und Jugendliche verbreitet. Geöffnet bleiben Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren. Auch die Abschlussklassen sollen teilweise in Präsenz unterrichtet werden. Mit dem Schulstart nach den Ferien ändert sich auch die Teststrategie. In der ersten Woche müssen sich Schüler noch nicht testen lassen, es bleibt auf freiwilliger Basis. In der Woche ab dem 19. April dürfen Lehrer, Schüler und Hausmeister ohne negativen Corona-Test nicht mehr am Unterricht teilnehmen oder das Gelände betreten – das schreibt die Landesregierung den Stadt- und Landkreisen mit mehr als 100 Corona-Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner an drei aufeinanderfolgenden Tagen vor und bezeichnet es als „indirekte Testpflicht“. (dpa)