Angeknabberte Bäume

Unübersehbar sind die Aktivitäten des Bibers im Linzgau. Im Seepark zeigen angeknabberte und gefällte Bäume, dass mindestens eine Biberfamilie das Gewässer als neue Heimat betrachtet. Jogger und Spaziergänger staunen immer wieder, an welch großen Bäumen sich der streng geschützte Nager zu schaffen macht. Die Seeparkverantwortlichen haben deshalb mehr als 100 Exemplare mit einem Zaun umgeben, um sie vor der Biberattacke zu schützen. "Im Seepark lebt nach unserem Kenntnisstand eine Biberfamilie", bestätigt der städtische Umweltbeauftragte Jürgen Seyfried auf Anfrage des SÜDKURIER.

Minister sieht Schutzstatus kritisch

Agrarminister Peter Hauk hatte beim Landesjägertag in Sigmaringen die steigende Biberpopulation thematisiert. Aktuell gebe es in Baden-Württemberg etwa 5000 Tiere, wobei es, bei gleichbleibendem Schutzstatus, binnen neun Jahren etwa 40 000 sein werden, die einen "unübersehbaren Schaden anrichten" , ergänzte Hauk. Er plädierte deshalb dafür, auch den Mut zu haben, wenn sich eine bislang geschützte Tierart etabliert habe, diese von der "roten Liste" zu nehmen. Der Minister will sich beim Umgang mit dem Biber an der Vorgehensweise in Bayern orientieren, wo Tiere entnommen werden.

Überschwemmte Wiese

Ob eine solche Falle womöglich im "Taubenried" zum Einsatz kommen könnte? Dort ist der Biber im Bereich des Andelsbach sehr aktiv, und hat mit seinen Dammbauten unter anderem eine Wiese unter Wasser gesetzt. Und im Wald in Richtung Spitalmühle, erblickt der Spaziergänger eine große Lichtung. Auf dem Boden liegen zahlreiche Birken, angenagt und gefällt vom Nager. Für die Kommune ist es sehr schwierig, den betroffenen Eigentümern und Bewirtschaftern solcher Flächen zu helfen. "Als Stadt haben wir nur sehr begrenzte Möglichkeiten bei der Lösung der Biber-Problematik", bestätigt Förster und Umweltbeauftragter Jürgen Seyfried. Wolfgang Braunschweig vom Stadtbauamt sei als Zuständiger für die Gewässer zweiter Ordnung in ständigem Austausch mit den Grundstücksbesitzern.

190 Reviere im Landkreis besetzt

Franz Spannenkrebs ist Biberbeauftragter und im Regierungspräsidium Tübingen für die Öffentlichkeitsarbeit. Nach seinen Angaben beträgt die Zahl der Biber im Landkreis Sigmaringen etwa 650 Tiere, die rund 190 Reviere besetzt halten. In Baden-Württemberg sind es, nachdem der Biber vor drei Jahrzehnten aus Bayern wieder einwanderte, aktuell etwa 5500 Tiere. Im Nachbarland wird der Bestand auf 20 000 bis 25 000 Tiere geschätzt – 53 Jahre, nachdem die Art dort wieder heimisch wurde.

Kompromisse sind gefragt

Im Regierungsbezirk Tübingen sind nach Angaben von Franz Spannenkrebs ungefähr 40 ehrenamtliche Biberberater auf Landkreisebene mit den Zuständigen der Unteren Naturschutzbehörden und dem Fachreferenten und den Biberbeauftragten auf der Ebene des Regierungspräsidiums im Bibermanagement tätig. "Das Ziel ist, auf der Grundlage mittlerweile langjähriger Erfahrung, ein Leben mit dem Biber dauerhaft konfliktfrei oder zumindest konfliktarm möglich zu machen", sagt der Behördenvertreter. Hier sei vor allem die konstruktive Kompromissbereitschaft aller Seiten gefragt. Da der Biber nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt ist, unterliegen er als auch seine Bauten besonderem Schutz. Unter besonderen Umständen, die aber vom Gesetzgeber mit hohen Hürden belegt sind, könne auch mit einem Ausnahmeantrag das Abfangen von Bibern vorgenommen werden.

Bis zu 100 Kilometer auf Reviersuche

Familienverband: Biber leben im Familienverband in festen Revieren, die gegenüber Artgenossen verteidigt werden. Besiedelt werden neben Stillgewässern auch alle Arten von Fließgewässern mit nicht zu starker Strömung. Eine Familie besteht in der Regel aus den Elterntieren und zwei Jungengenerationen. Im Durchschnitt werden im Frühjahr drei Junge pro Wurf geboren. Die Größe der Reviere schwankt, je nach Nahrungsangebot, von weniger als einem Kilometer bis über fünf Kilometer Fließstrecke beziehungsweise Uferlänge bei Stillgewässern.

Besiedlung: Biber besiedeln auch durch menschliche Nutzung stark veränderte Gewässerabschnitte. Unabdingbar sind lediglich Gewässer, die im Sommer nicht austrocknen und im Winter nicht zufrieren sowie genügend geeignete Winternahrung. Biber sind reine Vegetarier. Die Hauptnahrung der hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktiven Nager bilden während der Sommermonate Kräuter, Gräser, Wurzeln und Sprosse von Wasserpflanzen sowie, wo erreichbar, auch Feldfrüchte. Da kein Winterschlaf gehalten wird, muss auch in der kalten Jahreszeit Nahrung aufgenommen werden. Dann wird auf Baumrinde –bevorzugt Weichhölzer wie Weide oder Pappel –als Hauptnahrung umgestellt. Dabei entfernen sich die Tiere nur in Ausnahmefällen mehr als 20 Meter vom Ufer. Durch Aufstau können jedoch auch entfernter liegende Flächen gewässernah genutzt werden.

Ausbreitung: Die Ausbreitung erfolgt über abwandernde Jungtiere auf der Suche nach einem eigenen Revier. Dabei werden häufig Entfernungen von über 30, maximal über 100 Kilometer zurückgelegt. Während der Ausbreitungsphase können jährliche Zuwachsraten bis zu 20 Prozent erreicht werden. Sind alle geeigneten Habitate besiedelt, geht der Zuwachs gegen
Null. Die Lebenserwartung im Freiland liegt bei etwa 10 bis 12 Jahren.