Kann man in einer ehemaligen Turnhalle sein Auto zulassen? Oder im Feuerwehrhaus Bücher ausleihen? Was sich etwas skurril anhört, das machen an den Werktagen in Pfullendorf tatsächlich ganz viele Menschen. Denn wo heute die Zulassungsstelle am Marktplatz ist, da mussten Schüler einst Leibesübungen machen. Einer von ihnen war Hans Brunner.
Er erinnert sich noch gut an die alte Halle mit ihrer massiven Holzdecke. Später saß er dann einen Stock höher und bestimmte die Geschicke der Stadt mit. Von 1968 bis 1989 war Brunner Mitglied des Gemeinderats und der tagte damals noch im historischen Ratssaal, der heute nur noch für Ausschusssitzungen und Trauungen genutzt wird. Und den kann man jetzt auch ordentlich heizen.
„Damals gab es nur einen Holzofen und bei den Sitzungen bekamen die Räte oft kalte Füße“, sagt Brunner schmunzelnd. Das mag vielleicht auch mal wegen eines anstehenden Beschlusses so gewesen sein, aber meistens lag es daran, dass unter dem Saal große Räume waren, die nicht geheizt werden konnten. Und durch die Ritzen der Holzdecke kam die Kälte gekrochen.
Im Zuge der Gemeindereform wurden die Gemeinden Otterswang (1972), Denkingen, Großstadelhofen, Mottschieß und Zell am Andelsbach (1973) sowie Aach-Linz und Gaisweiler (1975) nach Pfullendorf eingemeindet. Nun brauchte man einen deutlich größeren Sitzungssaal.
Bürgersaal entsteht im Untergeschoss
Also wurde im Untergeschoss ein Bürgersaal eingebaut. Erst später wurde der ins ehemalige Progymnasium verlegt. Hans Brunner fand den alten Bürgersaal schöner. Dort befinden sich jetzt das Bürgerbüro, die Touristinformation und die Zulassungsstelle – und das Betreten ist heute auch mit Straßenschuhen erlaubt.
Bücher statt Feuerspritzen
Gleich neben dem katholischen Pfarramt befindet sich die Steinscheuer. Den spätgotischen Steinbau mit dem markanten Treppengiebel ziert ein Wappen des Spitals aus dem Jahr 1515. Vor dem stattlichen Gebäude, es war ursprünglich eines der ganz wenigen Steinhäuser in der von Fachwerkhäusern dominierten Stadt, befindet sich heute die Stadtbücherei.
Mehr als 36 000 Medien können dort ausgeliehen werden. 15 000 Bücher, Zeitschriften, 6000 elektronische Medien wie CDs und DVDs und 15 000 digitale Medien wie eBooks und eAudios stehen hier zur Verfügung. Das Gebäude gehörte ursprünglich dem Spital und kam am 26. Juli 18 68 für 2000 Gulden in den Besitz der Stadt. Und die funktionierte das imposante Gebäude zum Spritzenhaus um. So nannte man früher ein Feuerwehrhaus.

Am 20. Oktober 1973 wurde das neue Feuerwehrhaus bezogen, von wo auch heute noch die Frauen und Männer ausrücken, wenn ihre Hilfe gebraucht wird. Und wenn man sich anschaut, was da alles an Fahrzeugen und Gerätschaften untergebracht ist, dann wird schnell klar, dass dafür in der Steinscheuer kein Platz wäre. Von den engen Straßenverhältnissen in der Pfarrhofgasse mal ganz abgesehen.
Nachdem die Feuerwehr ausgezogen war, stand das Gebäude zunächst leer. Am 6. Juni 1980 wurde hier das Stadtarchiv eröffnet. Schiebereagle aus Stahlblech beherbergten nun alte Dokumente aus dem Stadtarchiv und auch dem Archiv des Spitals im Erdgeschoss. Auch das Pfarrarchiv von St. Jakob fand hier seinen Platz. Im Obergeschoss gab es nun eine nicht gerade kleine Fläche für Ausstellungen und der damalige Bürgermeister Hans Ruck ließ dort auch Erinnerungen an die Stadtgeschichte aufstellen.
Seit dem Jahr 2000 ist die Stadtbücherei hier untergebracht und bietet auf 630 Quadratmetern Fläche ein vielfältiges Angebot an verschiedenen Medien, Serviceleistungen und Veranstaltungen an. Und man kann davon ausgehen, dass es bestimmt auch ein Buch über das Feuerwehrwesen gibt.
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