Eine Seilwindenrettung aus 50 Metern Höhe, eine Fahrzeugbergung an einer steilen Böschung oder ein abgestürzter Kletterer in einer Felsspalte – die Einsätze der Bergwacht sind vielfältig und nichts für schwache Nerven. Wo andere an ihre Grenzen stoßen, fängt die Arbeit für die Bergretter erst an. Zu den Schwerpunkten im Schwarzwald zählen die Wutachschlucht und Blumberg mit dem Schluchtensteig sowie der Großraum Furtwangen mit dem oberen Bregtal und der Raumschaft Triberg.
Die Bergwacht ist im Rettungsdienst angesiedelt und übernimmt im Auftrag des Landes Baden-Württemberg die Rettung aus unwegsamem Gelände. Entsprechend diesem weit gefassten Begriff ist das Aufgabengebiet der Mitglieder sehr vielseitig und reicht von Verkehrsunfällen über Unglücke bei sportlichen Betätigungen wie Wandern, Mountainbiken, Gleitschirmfliegen oder Skifahren bis hin zu Unfällen bei beruflichen Tätigkeiten wie etwa in der Forstarbeit.
Spezialaufgaben wie Seilbahnrettung
Daneben übernimmt die Bergwacht auch Spezialaufgaben wie die Seilbahnrettung oder Höhenrettung von beispielsweise Kränen oder Windrädern, aber auch die rettungsdienstliche Betreuung bei sportlichen Ereignissen.
Dabei geht es stets um eine gute notfallmedizinische Versorgung am Unfallort und um eine kompetente technische Rettung der Verletzten. Die Bergwacht arbeitet eng mit der Feuerwehr, der Polizei und den Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz zusammen. Sie transportiert die Verunfallten immer bis zur Straße, wo dann die Rettungsdienste übernehmen.
Die Bergwacht Wutach betreut die Wutachschlucht
Die Bergwacht Wutach, angesiedelt in Ewattingen, ist eine von 23 Ortsgruppen der Bergwacht Schwarzwald, die als gemeinnützige Rettungsdienstorganisation insgesamt etwa 1500 ehrenamtliche Mitglieder zählt. Rund 25 Aktive sind in Wutach als Bergretter im Einsatz, wobei der Haupteinsatzbereich in der bekannten und beliebten Wutachschlucht liegt, in der jährlich zahlreiche Personen verunglücken und gerettet werden müssen. Im Schnitt kommen die Bergretter jedes Jahr auf etwa 30 Einsätze, Tendenz steigend. Die Bergwacht Furtwangen hatte mit ihren 58 Mitgliedern inklusive Jugend und Altersmannschaft voriges Jahr fast 90 Einsätze.
Um auf alle möglichen Einsätze gut vorbereitet zu sein, bedarf es einer soliden und umfassenden Ausbildung. Die mindestens zweijährige Anwärterschaft umfasst Lehreinheiten in Notfallmedizin, Rettungstechnik, Naturschutz, Einsatzorganisation, alpinen Gefahren, Funk, Orientierung und alpinem Skifahren. Dazu gehören praktische Einsätze mit erfahrenen Bergrettern. Am Ende steht eine Dienstprüfung mit Sommer- und Winterteil, um sowohl die Einsatzfähigkeit in der Berg- als auch in der Skirettung unter Beweis zu stellen.
Jährlich 30 Stunden Fortbildung
Nach dieser Grundausbildung ist aber noch lange nicht Schluss mit dem Lernen. Jedes Mitglied der Bergwacht ist verpflichtet, jährlich mindestens 30 Stunden Fortbildung abzuleisten, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben und sich weiterzubilden. Zudem besteht auch die Möglichkeit, sich als Spezialist im Bereich Seilbahnretter, Rettungsspezialist Helikopter oder Höhenretter ausbilden zu lassen.
Ehrenamtlich im Einsatz
Alle Mitglieder der Bergwacht sind ehrenamtlich im Einsatz. Neben ihrem großen zeitlichen Aufwand für Einsätze und Fortbildungen erbringen sie beachtenswerte Eigenleistungen: Ihre Kleidung, ihr Einsatzmaterial sowie ihre persönliche Schutzausrüstung wie zum Beispiel Helme, Klettergurte und Karabinerhaken finanzieren sie zum Großteil selbst. Seit Jahren strebt die Bergwacht die Gleichstellung aller Rettungsdienste in Baden-Württemberg an. Für die Bergretter gibt es bei Einsätzen – anders als etwa bei der Feuerwehr – zum Beispiel keine obligatorische Freistellung vom Arbeitgeber.
Keine obligatorische Freistellung vom Arbeitgeber
Dennoch erfährt die Bergwacht in den vergangenen Jahren einen enormen Zulauf. Allein die Bergwacht Wutach bildet momentan zehn Anwärter aus. Die Anwärterschaft ist mit 16 Jahren möglich, sodass mit Beginn der Volljährigkeit die Aufnahme als aktives Mitglied erfolgen kann. Einige Ortsgruppen haben auch spezielle Jugend-Bergwachten, in denen bereits jüngere Interessierte langsam auf teils spielerische Weise an die Aufgaben der Bergwacht herangeführt werden.
Großer Zulauf
Matthias Schübel, Bereichsleiter für das Gebiet Waldshut und Schwarzwald-Baar mit sechs Bergwacht-Ortsgruppen, erklärt den regen Zuspruch so: „Wir sind fast alle ein wenig verrückte Menschen, die mit dem Bergwacht-Gen infiziert sind und Lust auf die vielfältige Arbeit als Bergretter haben. Es ist bei uns wie in einer großen Familie. Wir leben für den Verein.“
Während früher jede Ortsgruppe weitgehend eigenständig agiert hat, sind die Grenzen der einzelnen Gruppen in den Köpfen inzwischen aufgeweicht. Die Bergretter sehen sich als Teil der gesamten Bergwacht Schwarzwald, in der ein Miteinander herrscht und die Mitglieder ihr Wissen austauschen.
Zur Person
Adrian Probst (29) ist seit 2015 Landesvorsitzender der Bergwacht Schwarzwald, davor war er schon zwei Jahre stellvertretender Vorsitzender. Beruflich hat er zuerst Politik- und Verwaltungswissenschaften in Konstanz studiert, danach wechselte er das Berufsfeld und studierte in Freiburg Forstwissenschaften. Im August 2017 wurde er in St. Blasien mit 83 Prozent der gültigen Stimmen zum neuen Bürgermeister gewählt. Nach dem Tod von Feldbergs Bürgermeister Stefan Wirbser im September übernahm er den dadurch vakanten Vorsitz im Liftverbund Feldberg, die Amtsperiode dauert bis 2021.
Der Bereich Personal spielt bei den Verhandlungen mit den Kassen eine wichtige Rolle
Adrian Probst ist seit drei Jahren Landesvorsitzender der Bergwacht Schwarzwald.
Herr Probst, die Bergwacht ist eine Rettungsorganisation wie die Feuerwehr, sie wird aber anders behandelt. Warum?
Beide Organisationen haben einen gesetzlichen Auftrag. Doch die Feuerwehr wird auf Basis des Feuerwehrgesetzes tätig und vorwiegend durch die Kommunen finanziert, für die Bergwacht ist das Rettungsdienstgesetz maßgebend. Sie wird hauptsächlich aus Mitteln des Landes, der Krankenkassen und durch Spenden finanziert.
Im Jahr 2016 stand die Zahlungsunfähigkeit der Bergwacht Schwarzwald im Raum, was passierte dann?
Im Rahmen einer umfassenden Strukturreform hatten wir 2014 und 2015 mit allen Ortsgruppen wichtige Weichenstellungen für die Zukunft erarbeitet. Der große Investitionsstau und die Finanzierungslücke der laufenden Kosten haben uns jedoch schwer belastet. Es war nicht nur schwer, die Einsatzkräfte zu motivieren, ihren Dienst auch weiterhin zu tun. Auch die Einsatzfähigkeit einzelner Mannschaften drohte durch Materialausfälle in Gefahr zu geraten.
Inzwischen hat sich die Situation verbessert: Wie hoch sind die Zuschüsse?
Wir konnten in einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller Akteure gute Schritte nach vorne machen. Das Innenministerium des Landes zahlt jährlich etwa 440 000 Euro für Rettungsgeräte und Ausbildungskosten. Zudem wurden für die Jahre 2019 und 2020/2021 im Landeshaushalt etwa sechs Millionen Euro eingestellt für Bauvorhaben des Berg- und Wasserrettungsdienstes. Für die Rettungseinsätze erhalten wir von den Krankenkassen Einsatzpauschalen, in Summe etwa 550 000 Euro pro Jahr. Besonders wichtig sind die Spenden und Förderbeiträge von Privatpersonen und Firmen, mit denen wir versuchen, die nach wie vor bestehende Finanzierungslücke so gering wie möglich zu halten.
Die Rettungswache Wutach ist erneuert worden, wie hoch war die Investition und wie groß ist der Investitionsstau?
Eine Bergrettungswache kostet zwischen 500 000 und 600 000 Euro. In Muggenbrunn und auf dem Kandel haben wir bereits begonnen, Wachen zu bauen beziehungsweise zu sanieren. In Wieden, Menzenschwand, Hinterzarten und Istein sollen 2019 weitere Wachen folgen. Bei Baiersbronn, in Pforzheim, in Freiburg und anderen Schwarzwaldorten sind ebenfalls Bauvorhaben in Planung. Der Investitionsstau beläuft sich auf insgesamt etwa 4,5 Millionen Euro.
Staatssekretär Wilfried Klenk hat Ihnen geraten, mit den Kassen auch über den Bereich Personal zu verhandeln.
Mit der Landesregierung arbeiten wir sehr konstruktiv zusammen und überlegen gemeinsam, wie wir die Sicherheit im Land Stück für Stück weiter verbessern können. Das gilt auch für die Krankenkassen, mit denen wir voraussichtlich schon 2019 erste Gespräche führen werden. Der Bereich Personal wird dabei ebenso eine wichtige Rolle spielen wie die gestiegenen Anforderungen im Bereich der Ausbildung und der technischen Ausrüstung.
Fragen: Bernhard Lutz