„Wildgänse – Füttern verboten – verscheuchen erwünscht“. Solche Schilder stehen seit einiger Zeit rund um den Kirnbergsee. Urheber ist die Stadt Bräunlingen. Diese Woche wurde auf der Südseite eine „Versuchsfläche zur Vergrämung der Wildgänse“ angelegt.
Eigentlich lebt im Sommer schon seit vielen Jahren eine große Anzahl an Wildgänsen am Kirnbergsee, vor allem zum Verdruss der Landwirte, über deren Felder sie sich hermachen. Und auch Federn und Gänsekot an den Stränden, das ist nicht neu. Man fragt sich: Was hat zu diesem plötzlichen Aktionismus der Stadt geführt?

Eine Antwort bekommt man auf Nachfrage bei Maren Ott, Leiterin des Amts für Tourismus, Kultur und Sport in der Zähringerstadt. „Erstaunlicherweise bekommen wir in letzter Zeit relativ wenige Beschwerden in dieser Sache.“, sagt sie. „Bei uns ist die ganze Angelegenheit aufgeschlagen, weil sich das Gesundheitsamt gemeldet hat.“
Die Gänse und das Badewasser
„Wir haben den Kirnbergsee als Badestelle gemeldet, damit sind monatliche Wasserproben verbunden, die das Amt vornimmt“, sagt Maren Ott. Die Ergebnisse der Proben seien in Ordnung, die Wasserqualität gut, betont sie. Dabei ginge es aber nicht nur um das Wasser, sondern auch um die Badestelle selbst, die nach EU-Badegewässerverordnung sauber gehalten werden muss.
Es habe sich gezeigt, dass die Graugänse im Laufe der Jahre immer zahmer und mutiger geworden sind. Sie halten sich im Bereich der Badestelle auf und schwimmen zwischen den Badenden. Dementsprechend haben die Hinterlassenschaften im Strandbereich zugenommen, was das Gesundheitsamt bemängelt. „Aus touristischer Sicht wäre es wünschenswert, eine Lösung zu finden“, so Maren Ott.
Die Gänse und der Campingplatz
Vermehrte Beschwerden gibt es auf dem Campingplatz, wie Fabian Mattner, Sprecher der Eigentümergesellschaft mitteilt. Es sei nicht schön, wenn man seinen Standort am Strand in den Hinterlassenschaften der Gänse aufschlagen müsse.
Im Gegensatz zum Riedsee, an dem sich ebenfalls Wildgänse aufhalten, gehört der Strandbereich nicht zum Campingplatz. „Wir haben die Gänse schon seit Jahren“, so Thomas Eike vom dortigen Campingplatz. „Wir gehen jeden Morgen durch und reinigen den Sandstrand und die davor liegende Wiese.“ Mehrere Stunden Arbeit täglich. Die Reinigung vor der Saison sei noch aufwendiger. Bei Badebetrieb mit vielen Gäste verziehen sich die Gänse von alleine, sagt Eike.
Wie lassen sie sich vertreiben?
Am Kirnbergsee hat die Stadt Gerhard Bronner vom Umweltbüro Donaueschingen und Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg beauftragt, Möglichkeiten zu finden, die Wildgänse zu vergrämen. Also sie dazu zu bewegen, andere Standorte zu suchen. Doch das ist nicht ganz einfach. Es gebe akustische Geräte, die Schreie von natürlichen Feinden der entsprechenden Vogelart ausstoßen, doch für Gänse sei nichts auf dem Markt.
Eine Alternative sei die Bejagung, so Bronner. Am Kirnbergsee seie es aber schwer zu gewährleisten, dass kein Mensch in die Schussbahn gerate. Das bestätigt auch Ansgar Barth, der auf Bräunlinger Gemarkung jagt. Die Graugans, die Nilgans und die Kanadagans sind nicht gefährdet und dürften ab dem 1. August wieder bejagt werden. Doch aufgrund der Gelände-Topographie und des Publikumsverkehrs sei das am See nahezu unmöglich.
Eine neue Strategie
Die Stadt setzt nun erst einmal auf eine andere Verfahrensweise, wie Gerhard Bronner erklärt. Für die Gänse soll es ungemütlich werden: Wenn sie im Strandbereich auftauchen, sollen sie verjagt werden – durch hingehen, durch schreien oder auch durch Hunde. Deshalb steht „verscheuchen erwünscht“ auf den Schildern.
Passiere das oft genug, suchen sich die Tiere einen anderen Bereich. Eine andere Lösung gebe es momentan noch nicht, sagt Bronner.
Was sagen die Badegäste dazu?
Ein überraschendes Ergebnis brachte allerdings eine Befragung von mehr als zwanzig Badegästen am Kirnbergsee an verschiedenen Tagen. Keiner der Befragten hatte ein Problem mit den Gänsen.
- „Die paar Federn und die Kacke, das stört uns nicht. Und die Handtücher kann man wieder waschen“, sagt Judith Richter aus Aasen.
- „Ich musste schmunzeln, als ich das Schild gesehen habe“, sagt Michael Metzger aus Donaueschingen. „Das ist eben so, wenn man in der Natur schwimmt“, fügt seine Frau Nadine hinzu, „wenn ich das als Mensch nutzen darf, muss ich damit rechnen.“
- „Ich finde die Gänse toll“, sagt Tanja Jakubowski aus Spaichingen, „Es ist schön, wenn hier Tiere und Menschen zusammen sein können.
- Diana Rak aus dem Odenwald macht Urlaub auf dem Campingplatz stellt fest, das sei nett und okay mit den Gänsen und am Strand sei ja gar nicht so viel, die Gänse seien meisten drüben auf der anderen Seite. Und schließlich sei man an einem See und dass es das Fische und Gänse und anderes gebe, müsse man in Kauf nehmen. Es sei ja schließlich kein Schwimmbad.
- „Ich glaube, wir stören eher die Gänse“, bemerkt Alexandra Paganini aus Bräunlingen.
- „Die Gänse sind voll toll“, freut sich Jeanette Keller aus Schönau, „Wir waren vorhin baden und haben drei oder vier Federn gesehen und nachts hören wir die Gänse auf dem Campingplatz, das ist wunderbar. Wir sind zum ersten Mal hier und total begeistert und ich finde es super, neben Wildgänsen zu baden. Das hat man an keinem anderen See.“
Solche oder ähnliche Antworten wiederholen sich. Das sei für die Gänse ihr natürlicher Lebensraum und man solle sie nicht verjagen, der See sei groß genug. Das sei nun mal Natur und derjenige, der es sauber haben möchte, solle ins Freibad gehen.
Einige ärgerten sich gar über die Schilder der Stadt, sie seien lächerlich. Einer war darüber entsetzt, dass sich manche Leute tatsächlich daran machten, die Gänse zu verjagen. Andere haben ihren Kindern ab sofort verboten, die Gänse zu füttern.
Was hat es mit den Nilgänsen auf sich?
Sorgen macht auch der immer größer werdende Anteil an Nilgänsen, die sich schneller vermehrt als die heimische Graugans. Die Nilgans erkennt man an der roten Wachshaut um die Augen, sie ist leichter und fluggewandter und auch dem Menschen gegenüber weniger scheu.

„Der Badestrand wird von den Graugänsen aufgrund ihrer deutlich höheren Fluchtdistanz gegenüber Menschen gemieden“, sagt Otto Körner, während die Nilgänse sogar zwischen den Badenden herumlaufen.
„Die Nilgans ist hier nicht heimisch, sie gehört hier nicht her“, sagt Helmut Gehring, Ornitologe aus Villingen-Schwenningen. Sie gehört zu den Neozoen, das sind Tiere, die durch den Menschen in ein Gebiet gelangt sind, in dem sie nicht beheimatet sind.
Nilgänse seinen sehr aggressiv gegenüber anderen Vogelarte, es gebe sogar Beispiele, dass sie Wanderfalken oder Milane aus ihrem Nest vertrieben haben, so Gehring. Sie ist ein Felsbrüter, Felswänden, während die heimische Gans ein Wiesenbrüter ist.
„Die Nilgans und die Rostgans brauchen wir nicht in unserer Heimat als Fauna-Element“, betont Gehring noch einmal. Es gebe aber auch Leute, die jegliche Bereicherung an Biodiversität toll finden. Diese Meinung teile er persönlich nicht.