Bräunlingen hat zum ersten Mal in der Geschichte eine Narrenrätin. Die 25-jährige Leonie Dieterle ist die erste Frau, die das Amt seit der Gründung der Narrenzunft Eintracht Bräunlingen 1890 bekleidet. Die junge Frau ist mit der Bräunlinger Fasnet aufgewachsen, kam aber über Umwege zur Zunft.
Schon als Kind bei der Fasnet mit dabei
„Ich bin mit der Bräunlinger Fasnet aufgewachsen, habe schon früh in Birgit Begers Gruppen am Fasnetmentig und Zunftball mitgetanzt und mit dem Beitritt zur Zunftmusik die Fasnet dann richtig kennen und lieben gelernt“, sagt Leonie Dieterle. Bei ihrer ersten Zunfballteilnahme ist sie zwölf Jahre alt.

„Später war ich bei fast allen Fasnetveranstaltungen mit dabei, egal ob Rieswellenball, Zunftball, verschiedene Narrentreffen, Ball i de Hall oder am Fasnetmontag“, so Dieterle weiter.
Abseits der Fasnet unterrichtet Leonie Dieterle am Gymnasium am Deutenberg in Schwenningen Deutsch und Geografie. In ihrer Freizeit tanzt sie in der U30 Gruppe des TuS Bräunlingen mit und geht gerne auf Reisen. Viel Spaß macht ihr auch seit Jahren die Vorbereitung und Durchführung der Zeltlager der katholischen Jugend in Bräunlingen.
Quereinsteigerin bei der Narrenzunft
Zur Narrenzunft selbst kam sie als Quereinsteigerin, da die Stadtkapelle, in der sie Klarinette spielt, eigentlich kein offizieller Teil der Narrenzunft ist, lediglich deren musikalische Begleitung. Den näheren Blick auf die Zunft erhielt sie erst im Herbst 2019. Zuvor sprach Zunftmeister Matthias Reichmann sie mit den Worten „Du wärst die Richtige für den Narrenrat“ an einem Fest an.
Nur ein Scherz?
„Ich habe gelacht und bin weitergegangen, denn ich bin in dem Selbstverständnis aufgewachsen, dass eher der Papst heiratet, als dass eine Frau zur Narrenrätin gewählt würde“, so Dieterle. Das sagten früher auch etliche Narrenräte so.
Eine Frau im Narrenrat und im Häs der historischen Gruppen wurde immer wieder abgelehnt – und erst mit den Blumennarren 2002 schlüpften Frauen überhaupt in ein historisches Narrenhäs. Dieterle habe die Aufforderung daher zunächst nur als nette Geste aufgefasst.
Auch bei späteren Festen habe er sie erneut angesprochen: „Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, dass dies ein ernst gemeinter Gedanke ist. Nachdem mich dann weitere Narrenräte darauf angesprochen haben, habe ich gemerkt, dass es ihnen ernst ist. Es bestand wirklich Interesse“, erzählt Dieterle.
Frau in Männerdomäne
Für sie sei es zunächst ungewohnt gewesen, als Frau in einer über 100 Jahre währenden Männerdomäne mitzuarbeiten und sie war sich nicht sicher, wie verschlossen und konservativ die heutigen Narrenräte seien: „Als ich gemerkt habe, dass sie tatsächlich bereit sind, eine Frau im Narrenrat aufzunehmen, war für mich klar, dass ich mir das Ganze genauer anschaue, jedoch noch ohne jede Verpflichtung.“

Im November 2019 wurde sie zur ersten Narrenratssitzung eingeladen und sei dann „einfach so mitgelaufen“. Sie habe sich das Treiben angeschaut und wurde nach und nach zu einem Teil des Gremiums. Dann kam Corona und die beiden digitalen Zunftbälle und so ist sie in den Männerkreis mit reingekommen und hat den Bereich Social Media zusammen mit Ralf Moßbrugger unterstützt. Als klar war, dass 2022 wieder ein digitaler Zunftball kommt, war es selbstverständlich, dass sie wieder mitmacht.
„Simon Rütschle und ich hatten die Idee mit den Fresspaketen eingebracht. Ich habe gesehen, dass die Narrenträte offen für neue Ideen und Erneuerungen sind und für alle klar war, dass die Narrenzunft einen Schritt nach vorne machen muss, um zukunftsfähig zu bleiben“, sagt Leonie Dieterle. Die Idee kam also gut an, war aber mit großem Aufwand von vielen Helfern verbunden.
Bereit für die Wahl
Durch diese Arbeit habe sie nach und nach die ganzen historischen Gruppen näher kennengelernt, die sie von den Narrentreffen und anderen Veranstaltungen eigentlich schon kannte. Und eigentlich war Leonie Dieterle schon im November 2021 bereit, sich zur Wahl aufstellen zu lassen, wobei diese wegen Corona jedoch erst im Mai 2022 anstand.

„Trotz der Rückendeckung der Narrenräte war ich bis zur Wahl nicht sicher, ob ich wirklich gewählt werde, da dies ein großer Schritt nach vorne für das Narrenzunftverständnis von einigen Mitgliedern war“, sagt sie. Sie sei der Meinung gewesen, trotz der Skepsis, dass sie den Schritt machen möchte. Auch, um Nachfolgerinnen den Weg zu ebnen: „Und wenn ich nicht gewählt werde, dann wird es irgendwann zukünftig eine andere Frau einfacher haben wird, in das Gremium gewählt zu werden.“
„Ich bin mir sicher, dass auch weitere Frauen ihre Bereitschaft erklären werden, im Narrenrat mit zu arbeiten.“Leonie Dieterle
Zwar habe es vor ihrer Wahl auch etliche kritische Stimmen gegeben, doch letztlich hat die eindeutige Wahl der Mitglieder eine Frau im Narrenrat unterstützt. Ein Geschlechterdenken gebe es für Leonie nicht, denn sie komme aus der Stadtmusik, in der dies kein Thema sei: „Ich bin mir sicher, dass auch weitere Frauen ihre Bereitschaft erklären werden, im Narrenrat mit zu arbeiten.“ Sie glaube nicht, dass sie auf Dauer die Einzige bleibe. „Neben dem Social Media Bereich bin ich in der Gruppe, welche für die Umgestaltung der Zunftschänke ein Konzept erarbeitet.“
Noch fehlt ihr der Narrenrat-Talar
Für sie sei klar, dass sie bei der Stadtmusik das Jahr über weiterhin mit dabei ist, „doch in der Fasnetzeit werde ich Prioritäten in Richtung Narrenzunft setzen.“ Den Narrenrat-Talar hat sie noch nicht, doch bis zu den nächsten närrischen Tagen bekomme sie das gleiche Häs wie ihre Narrenratskollegen.