Für Hundehalter ist es der Horror, was da Mitte Mai im Kameralamtsgarten in Rottweil geschah. Zwei nicht angeleinte American Staffordshire-Hunde (Amstaff) griffen einen Lagotto Romagnolo an und einer von ihnen, der Rüde, biss höchstwahrscheinlich den italienischen Wasserhund tot.
Inzwischen lässt sich das blutige Ereignis recht genau, wenn auch nicht 100-prozentig rekonstruieren, und es kann gegenüber der ursprünglichen Polizeimeldung auch detaillierter dargestellt werden, was sich eigentlich ereignete. Eines wird dabei klar: Hätte sich der 82-Jährige, der die Hunde ausführte, regelkonform verhalten, hätte es nicht zu einem Tierdrama kommen müssen. Das machte Thorsten Deckert, Leiter der Polizeihundestaffel beim Polizeipräsidium Konstanz, die in Rottweil stationiert ist, klar. Beide Tiere hätten angeleint sein, einer hätte sogar einen Maulkorb tragen müssen. Welche Sanktionen nun gegen den Hundehalter ausgesprochen werden, muss die Ortspolizeibehörde in Rottweil entscheiden. Die prüft den Fall aber derzeit noch.

Dem Senior gehört die Hündin, die wiederum Mutter des jüngeren, beim Sohn des 82-Jährigen lebenden Rüden ist. Die Hündin selbst hatte zwei Wesenstests erfolgreich bestanden, betont Deckert. Sie gilt damit offiziell nicht mehr als Kampfhund. Der jüngere etwa 2,5 bis drei Jahre alte Rüde hatte allerdings nie solch eine Prüfung abgelegt, offensichtlich scheiterte es immer an den fehlenden finanziellen Mitteln. Dieser Rüde gilt also als Kampfhund und hätte nur mit Maulkorb und angeleint ins Freie gedurft.
Was ist nun aber an besagtem Mittwoch in dem idyllisch gelegenen Grünbereich passiert, in dem ohnehin für jeden Hund Leinenpflicht gilt? Als der 82-Jährige mit den Amstaff-Terriern den öffentlichen Park betrat, wurde er von dem Besitzer des Wasserhundes per Zuruf darauf aufmerksam gemacht, dass er die Tiere anleinen müsse. Auf diese Anrede hätten die zwei Terrier reagiert, vermutet Deckert, möglicherweise zunächst nur einmal aus Neugierde. Sie seien vorausgelaufen, stießen dann auf den Wasserhund und daraus entwickelte sich der tödliche Kampf. Obwohl der Halter des Wasserhundes zu Protokoll gab, dass beide Terrier zubissen, geht die Polizei davon aus, dass die tödliche Wunde dem Lagotto Romagnolo nur vom Rüden zugefügt wurde, darauf lasse ein einziger „sauberer Biss am Hals“ schließen.
Es sei zu keiner Hetzjagd gekommen, dass die Hündin überhaupt mitlief, führt Deckert auf das Rudelverhalten zurück. Das wird den Besitzer des Wasserhundes nicht trösten, viele wichtiger ist jedoch, dass es nicht zu einer Wiederholung solch eines dramatischen Vorfalls kommt. Doch über Sanktionen wird die Polizei nicht entscheiden, das sei Sache der Ortspolizeibehörde. „Das Ordnungsamt der Stadt Rottweil prüft derzeit auf der Grundlage der polizeilichen Ermittlungen die weiteren Schritte, etwa Maßnahmen bezüglich der Hundehaltung oder die Bußgeldfestsetzung“, erklärt der Sprecher der Rottweiler Stadtverwaltung. Derzeit laufe das Anhörungsverfahren.
Geldstrafe möglich
Auch eine Geldstrafe, die bis zu 20 000 Euro betragen kann, wird unter Umständen gegen den 82-Jährigen ausgesprochen. Möglich sei unter anderem, dass die Stadt den Rüden beschlagnahmen lässt. Sollte es dazu kommen, könnte er an das Kreistierheim in Donaueschingen übergeben werden.
Training in Donaueschingen
Szenewechsel nach Donaueschingen. Werden dort Kampfhunde tatsächlich sozialisiert? Das komme auf ihre Aggressivität an, erklärt Nadine Vögel, Leiterin des Kreistierheims. Grundsätzlich habe man in Donaueschingen, anders als die Einrichtung in Rottweil, die Bewilligung, gefährliche Hunde aufzunehmen. Die Boxen verfügen über ein Lukensystem, sodass sie gereinigt werden können, während die Hunde draußen sind. Auch ein Maulkorb kann von außen den Tieren aufgesetzt werden, ohne dass Mitarbeiter gefährdet werden. Das Kreistierheim nimmt vor allem Hunde auf, die nach einem speziellem Training auch weitervermittelt werden können, derzeit hat man zwei solcher Hunde. Wenn Tiere allerdings schon einmal zugebissen hätten, werde es sehr schwierig, sagt Vögel.
Doch was tun, wenn die Situation brenzlig wird? Vögel plädiert dafür, dass jeder Hundehalter das Verhalten seines Hundes „lesen können muss“. Ohne auf den speziellen Rottweiler Fall einzugehen, den sie im Detail gar nicht kennt, heißt das, dass Halter darauf reagieren müssen, wenn Tiere auf andere reagieren, zum Beispiel steif werden und sich das Fell aufstellt. Spätestens dann sollte der Hund angeleint werden. Vögel plädiert dafür, dass das die Halter wissen müssen und hält daher einen obligatorischen Hundeführerschein für ein wichtiges Instrument. Oft reißen die Halter bei einem Streit auch ihre Vierbeiner, die sich schon ineinander verbissen haben, zurück, was böse Wunden verursachen könne.
Der Rottweiler Rüde konnte jedenfalls nach Stand der Dinge nie eine längerfristige Beziehung zu einem Halter aufbauen. Zunächst war er, so berichtet Deckert, in Obhut eines Wohnsitzlosen, der öfters in der Rottweiler Fußgängerzone unterwegs war. Dort wurde der Mann darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei seinem Begleiter um einen Listenhund handele und er einen Wesenstest benötige. Dann war der Rüde wohl offensichtlich eine Zeit lang in Ostdeutschland untergebracht, bevor ihn schließlich der Sohn des 82-Jährigen übernahm.