Frau Rathgeber, welche Arbeit leistet der Verein für Frühgeborene und kranke Neugeborene konkret?
Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die betroffenen Eltern und deren Früh – und Neugeborene zu unterstützen, zu beraten und zu begleiten. Das bedeutet, dass der Verein verschiedene Veranstaltungen anbietet wie das Frühchensommerfest oder auch Fortbildungsveranstaltungen, wo sich die Eltern in ungezwungener Atmosphäre austauschen können. Bei diesen Veranstaltungen treffen sich Eltern, deren Kinder schon zu Hause sind und auch Eltern, deren Kind noch in der Klinik ist. Außerdem möchte der Verein den Klinikaufenthalt für Eltern und Kinder so angenehm wie möglich gestalten. So wurde beispielsweise für die Kinder Frühgeborenenkleidung, schöne bunte Bettwäsche und Inkubatorabdeckungen angeschafft und es wurden für die Eltern bequeme Känguruhliegen und Stillsessel angeschafft und eine Elternbibliothek eingerichtet. Das letzte große Projekt des Vereins war die Anschaffung der Babywatch–Kameras, um den Kontakt und die Bindung zwischen den Eltern und deren Kind zu fördern. Durch Veranstaltungen und Aktivitäten möchten wir außerdem auf das Thema Frühgeburt und die Belastung für die Familien aufmerksam machen, denn von zehn Geburten kommt mindestens ein Kind zu früh auf die Welt.
Welche Art von Unterstützung wird durch die Eltern am meisten nachgefragt?
Am meisten wird von den Eltern die Möglichkeiten zum Austausch zwischen den betroffenen Eltern genutzt, denn geteiltes Leid ist halbes Leid. Es hilft den Eltern, Kontakt zu anderen Eltern zu bekommen, die das gleiche Schicksal erlebt haben. Der Austausch findet bei den angebotenen Veranstaltungen und Festen des Vereins statt und es ist keine Seltenheit, dass dabei an die 100 Personen teilnehmen. Das Tolle dabei ist, dass dabei auch immer die Kinder die schon entlassen wurden dabei sind, sodass die Eltern die aktuell ihr Kind auf der Station liegen haben auch sehen können, wie sich die Früh- und Neugeborene entwickelt haben. Bei den Treffen sind immer Kinder jeglichen Alters vertreten, vom paar Monaten alten Säugling bis zum Schulkind.
Sie haben als Verein schon viele Projekte angestoßen und ermöglicht, darunter das Babywatch-System, mit dem Eltern ihr Baby von zu Hause per Internetkamera virtuell besuchen können. Was steht als nächstes auf der Agenda?
Der Verein hat immer größere und kleinere Projekte geplant, da sich der Verein an den Bedürfnissen der kleinen Patienten, deren Eltern und auch an den Bedürfnissen der Station orientiert und versucht das zu ermöglichen und anzuschaffen was gebraucht wird. Als nächstes soll eine bequeme Couch für das Elternzimmer der Station angeschafft werden, damit sich die Eltern auch mal gemütlich zurückziehen können. Außerdem möchten wir 2020 starten, allen Eltern deren Früh-oder Neugeborenes das länger als fünf Tage auf der Station bleiben muss, eine Willkommenstasche zu schenken, die gefüllt sein wird mit vielen nützlichen Sachen, die für den Klinikaufenthalt unterstützend sind. Ein weiteres Großprojekt möchte der Verein gerne unterstützen, zum momentanen Zeitpunkt kann jedoch noch nicht offiziell darüber berichtet werden, da sich das Projekt noch in der Anfangsphase befindet.
In welchen Bereichen brauchen Frühchen und kranke Neugeborene eine stärkere Lobby?
Durch die tägliche Arbeit fallen mehrere wichtige Bereiche auf in denen die Früh – und Neugeborene, aber auch die Eltern Unterstützung benötigen.
Um die bestmögliche Versorgung der Früh – und Neugeborenen zu gewährleisten, ist es zwingend notwendig, dass diese kleinsten Patienten in speziellen Zentren (Level 1) betreut werden. Dies beinhaltet auch die entsprechende personelle Ausstattung und Qualifizierung der Pflegekräfte und der Ärzte.
Außerdem sind viele Familien deren Früh- oder Neugeborenes in der Klinik ist, in dieser schwierigen Zeit maximal belastet, sei es in psychischer oder auch finanzieller Hinsicht. So sind viele Eltern finanziell nicht einmal so aufgestellt, dass sie sich zum Beispiel tägliche Besuche leisten können, was für die Eltern, aber auch für die Kinder, eine sehr traurige und belastende Situation bedeutet.
Auch die tägliche psychische Belastung der Eltern ist sehr hoch, da sie oftmals um das Leben ihres Kindes bangen müssen und auch die Sorge um das Kind nach der Entlassung nicht aufhört. Hierbei bedarf es noch an mehr Unterstützung.
Der Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ und das Netzwerk Neonatologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich genau dieser Thematik anzunehmen.
Zur Person
Sandra Rathgeber und stammt aus Trossingen. Die Kinderkrankenschwester ist Intensiv-Pflegekraft und arbeitet auf der Kinderintensivstation des Schwarzwald-Baar-Klinikums.“Mein Traumberuf“, sagt die 44-Jährige. Sie hat schon ihre Ausbildung von 1993 bis 1996 am Schwarzwald-Baar-Klinikum absolviert. Da es danach keine freien Stellen gab, war sie zunächst 14 Jahre lang im Reutlinger Klinikum tätig. 2010 kehrte sie in ihre Heimat zurück, ein Jahr später war sie Mitbegründerin des Frühchenvereins. Sie kann sich keinen schöneren Arbeitsplatz vorstellen. „Man sieht jeden Tag die Fortschritte der Kinder“, sagt sie. „Und ich freue mich immer, wenn eines gesund nach Hause entlassen werden kann.“ (ath)Die Neugeborenen- und Kinderintensivstation im Überblick
Die Frühgeborenen im Schwarzwald-Baar-Klinikum werden auf der Kinder-und Neugeborenenintensivstation betreut. Mit der Station ist das Klinikum Perinatalzentrum Level 1, was bedeutet, dass auch kleinste Frühchen unter 1250 Gramm betreut werden dürfen.
- Zahlen: Pro Jahr werden auf der Staion rund 500 Kinder betreut. Darunter sind etwa 50 Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm, davon etwa 30 mit einem Geburtsgewicht von unter 1250 Gramm. Etwa fünf Babys pro Jahr haben ein Gewicht von etwa 500 Gramm.
- Hilfe für die Region: Für die umliegenden Geburtskliniken wie Rottweil, Tuttlingen und Titisee-Neustadt wird bei Problemen nach der Geburt von der Kinderintensivstation mit Unterstützung des Roten Kreuzes ein Baby-Notarztwagen angeboten, wobei ein Kinderarzt und eine Kinderintensivpflegekraft in die Entbindungsklinik fahren, sich um das Kind kümmern und das Baby gegebenenfalls mit ins Perinatalzentrum nehmen.
- Besonderheiten der Station: Die Station befindet sich direkt neben dem Kreißsaal und dem Operationssaal für Kaiserschnitte. Eltern sollen sobald wie möglich in die Pflege eingebunden werden und dürfen ihr Kind rund um die Uhr besuchen. Auf der Station gibt es vier Mutter-Kind-Zimmer, in denen die Mutter direkt bei ihrem Kind sein kann.