Er lebt wahlweise in der Weltstadt mit Herz und in der Kleinstadt Blumberg, er macht privat Musik und entscheidet im Beruf über öffentliche Kulturförderung. Und er liebt Gitarren ebenso wie die Kult-Verstärker der englischen Firma Marshall. Der Blumberger Philipp Opitz bewegt sich virtuos zwischen diesen Polen.
Ferienjob-Lohn fließt in Verstärker
„Schau“, sagt der 38-Jährige und blättert in einem alten Guitar Magazin, dem Fachblatt der Rockmusik-Fans. Ein Bild zeigt Guns N‘Roses auf der Bühne. Und davor – natürlich – ein Marshall-Verstärker. Den ersten hat er sich vor über 20 Jahren nach einem Ferienjob bei der Firma Teubert gekauft.
Seine Kumpels waren schwer beeindruckt. Bis er einräumen musste, dass er für die Box, die Umsetzung der Musik in Töne, noch sparen müsse.
Das hat geklappt. Der Gitarrenunterricht an der Blumberger Musikschule lief da schon seit Jahren. Noch nicht mal in die Schule ging der kleine Philipp, als sein Patenonkel Georg Schloms mit einer alten Fender-Gitarre und einem Marshall-Verstärker aus den 1970ern auftauchte, und ihn mit Clapton vertraut machte.
Blues und Surfmusik ziehen ihn an
„Das war das ästhetisch Coolste ever“, schwärmt Opitz heute noch. Dieses alte, von Blues und Surfmusik geprägte Gitarrenspiel zog ihn an. Er wollte selbst so spielen.
Den Rocker nimmt man ihm ab beim Gespräch in seinen Räumlichkeiten in Blumberg. Lederjacke, punkiges Retro-T-Shirt und Creepers an den Füßen. Kurz greift er zur Gitarre, schaltet den Verstärker ein und spielt ein paar Akkorde von Rod Stewards „People get Ready“. In der Version von Jeff Beck, wie er hervorhebt.
2003 begann er, in der Band Educe zu spielen. „Wir waren zum Weihnachtskonzert der Musikschule zusammengestellt worden.“ Obwohl gecastet ging der Kontakt der Bandmitglieder später nie ganz verloren: bis zum Revival beim Streetart Festival im Juli 2025.
Mit 20 in der Redakteurs-Ausbildung
Schon als Schüler saugte Opitz alles Wissenswertes über Gitarren und Equipment auf, zudem schrieb er für die Zeitung: Grundstock für den Sprung nach München. Mit 20 wurde er dort Volontär beim Guitar Magazin. Nach der Ausbildung zum Redakteur studierte er in Mannheim Betriebswirtschaft mit der Vertiefung Kulturbereich. Jahre später sollte das noch wichtig werden.
Seine Abschlussarbeit führte ihn nach Milton Kynes, einem Städtchen im Umland von London. Und dort sitzt Marshall. „Ich habe dort meine Bachelor-Arbeit geschrieben“, sagt Opitz; eine Abhandlung darüber, wie das Werkzeug selbst zum Star wurde.
Ein Star ist der Blumberger bei der englischen Firma nicht geworden, aber ein willkommener Gast, dessen Expertise geschätzt wird. Zum Testen von Verstärkern wird er bis heute alljährlich zu den längst zu Freunden gewordenen Akustik-Handwerkern nach Milton Kynes eingeladen.
Interview mit Stargitarrist Slash
Die Arbeit als Autor beim Guitar Magazin oder beim Classic Rock Magazin hätte so weiter gehen können; hier ein Interview mit Guns-N‘-Roses-Gitarrist Slash, das er in einem Luxushotel in Düsseldorf führte, dort ein Nachruf auf Jeff Beck. Sehr kompetente journalistische Arbeiten. Aber das Print-basierte Guitar Magazin ging schweren Zeiten entgegen.

Zeit für den Absprung; wissend, dass es den Beruf des Musikredakteurs nicht mehr gibt. Hieß die Zukunft Einzelkämpfer auf dem Onlinemarkt? Nein, als Influencer sein Innerstes preisgeben und Dinge bewerben, ohne davon überzeugt zu sein: Das war 2024 nichts für Opitz. Aber hatte er nicht das wirtschaftliche Arbeiten gelernt und ein großes Netzwerk?
Künstlervermittler wird zum Brotjob
Vom Fleck weg wird er in München als Künstlervermittler eingestellt. Quasi bei einem Besuch bei der Arbeitsagentur – und durch die Arbeitsagentur. Dieser Brotjob, die ZAV Künstlervermittlung, macht ihm große Freude.
„Das ist lösungsorientiertes Netzwerken von Mensch zu Mensch“, beschreibt er den Job, den er meist Mittwoch bis Freitag in München ausübt und an den anderen Tagen in einem Büro in Blumberg. Und das mit Herzblut. „Manchmal sind dafür viele Mails und Anrufe nötig. Und manchmal kommen am Ende Zehn- oder Elf-Stundentage raus.“
Nach München pendelt er per Bahn oder mit einem Opel Astra Caravan. Der hat viel Platz und reicht ihm auch zum Transport musikalischen Equipments. „So ein SUV hat mich in München nie interessiert“, sagt er. Als Blumberger sei er auch resistent gegen Pling-Pling und Schicki-Micki-Gehabe.
Opitz liebt das Bodenständige, die Biergärten und die bayerische Rockszene. München ist groß, vielfältig, gibt ihm Input. Er geht oft auf Konzerte und kann dabei privat und beruflich trennen: Bei letzterem macht er sich bei den Konzerten Notizen.
Viel Zeit mit der Familie
In Blumberg dagegen hat er mehr Ruhe zum Arbeiten, macht Verwaltungs- und Dokumentationsarbeit. Zudem verbringt er viel Zeit mit der Familie. Zu seinen Eltern hat er eine sehr enge Verbindung.
Und Educe? Viele Jahre war die Band stillgelegt. Vor ein paar Jahren traf sich Opitz wieder mit Sänger Christoph Grigull. Neue Songs entstanden und die Idee, wieder unter dem alten Namen aufzutreten. Johannes Federle und Jonathan Schnell stießen wieder dazu. Nach dem Revival beim Streetart Festival steht am 22. November die Comeback-Party im Club Omega in Donaueschingen an.
Opitz wäre kein guter Netzwerker, wenn er nicht musikalische Strahlkraft aus Bayern beisteuern würde. Doll Circus ist eine Frauenband aus Rosenheim – und sehr fetzige Arbeit, die sich der Kulturmanager mit nach Hause nimmt. „Wir sind eng befreundet und ich war schon auf vielen Konzerten von ihnen“, freut er sich.
Morgens Joggen und abends Yoga
Das Bild vom Rocker zerstreut er dann doch noch. „Ich gehe jeden Morgen bei Wind und Wetter um 6.30 Uhr joggen. Und abends mache ich Yoga.“ Was Beständiges eben in einem wechselhaften Leben.