Es war schon ein bisschen wie am Fasnetsmontag in Rottweil: Dunkel, kalt, aber die Menschen strömen in Richtung Innenstadt. Im Stadtgraben ist fast kein Parkplatz mehr frei. Und am Schwarzen Tor wird geklepft, was das Zeug hält. Klepfen wird das Peitschenknallen in Rottweil genannt.
Doch es ist zwar Montag, aber abends kurz vor sechs Uhr. Eigentlich wäre jetzt, wäre Fasnetsmontag, gleich das Betzeitläuten, und die Narren würden sich zurückziehen. Aber es ist ja nicht Fasnetsmontag. Es ist die Zeit von Corona, und die Klepfer wollen einen Gegenpunkt zu den immer mehr werdenden sogenannten Corona-Spaziergängern setzen.
Mahnwache der Bündnisgrünen
Man ist gespannt, ob es friedlich bleibt, trotz allem. Oberhalb des schönen alten Rathauses flattert rot-weißes Band, die Polizei lässt niemanden durch, nur die Presse. In der Absperrung stehen Kerzen, 235 Stück, für jeden Corona-Toten im Landkreis eine. Aufgestellt haben sie die Grünen aus dem Landkreis. „Wir haben diese Mahnwache angemeldet“, sagt Sonja Rajsp, die im Frühjahr für den Landtag kandidierte und nur ganz knapp Stefan Teufel von der CDU unterlag.
Hier, in der Absperrung, müssen alle FFP2 -Masken tragen. Ein kleines Trüpplein zeigt Plakate wie „Impfen statt Schimpfen“. „Wir haben nur 20 Leute angemeldet und keine Werbung gemacht“, so die Grüne. „Nächste Woche machen wir Werbung, dann sind wir mehr.“
Sogenannte Spaziergänger meist ohne Maske
Mehr sind auf jeden Fall die sogenannten Spaziergänger, die sich unterhalb der Absperrung zu einer, so die Polizei, unangemeldeten Demonstration sammeln. Die Beamten schätzen die Teilnehmer auf 1400. So gut wie keiner trägt eine Maske. Angemeldet sind sie wohl nicht, wie jeden Montag. Die zuständige Mitarbeiterin vom Ordnungsamt mag eigentlich keine Auskunft geben, darf sie nicht, der Pressesprecher ist dafür zuständig, doch der sitzt oben im Rathaus an seinem Schreibtisch. Oder schaut, wie andere Rathausmitarbeiter, aus dem dunklen Erker aus zu, was sich da draußen abspielt.
„Schwarzes Tor bleibt jungfräulich“
Kurz nach sechs Uhr erklingt eine Trillerpfeife, und die vermutlich 1400, die sich gegen die Corona-Maßnahmen aussprechen, machen sich auf den Weg in Richtung Schwarzes Tor. Polizisten sammeln sich um dieses bekannte Rottweiler Wahrzeichen. Dann kommen sie vom Stadtgraben her: Die etwa 40 Treiber und die, die es gerne mal wären, geben Vollgas, die Ohren klingeln. Im Schwarzen Tor steht inzwischen ein Mannschaftswagen, einer der Treiber meint erleichtert: „Wenigstens bleibt das Schwarze Tor jungfräulich.“ Meint: Da gehen heute Abend keine der sogenannten Spaziergänger durch.
Im Großen und Ganzen bleibt alles friedlich, kurz kommt es zu Aggressionen, einer der sogenannten Spaziergänger meint: Eine „Goaßl“, eine Peitsche also, hätte ein Kind getroffen. Kommentar eines Zuschauers: „In Rottweil lernen die Kinder rechtzeitig, aufzupassen, wenn einer klepft!“ Dann will ein Mann die Journalistin anzeigen, die ihn fotografiert hat. Er habe das Recht an seinem Bild. Dass er sich hier auf einer öffentlichen Veranstaltung befindet, lässt er nicht gelten.
Er gehe hier „nur spazieren“, meint er, und holt einen Polizisten. Der jedoch nimmt keine Anzeige auf. Die Demonstranten, die unangemeldet ihre Runde drehen, treffen sich unterhalb der Mahnwache. Es wird lautstark, man pfeift und klatscht. Der eine oder andere wendet sich den mahnwachenden Grünen zu. Ob die Kerzen für die Impf-Opfer stünden, fragt einer.
Diskussion von Kreisräten
Weiter oben wird noch eine Weile weiter geklepft. Eine gute Übung sei das, mit der FFP2-Maske, meint einer, anstrengender als mit der Narrenlarve. „Wir haben ein Zeichen gesetzt,“ meint ein anderer. Dass die Polizei überhaupt nicht eingriff, den sogenannten Spaziergängern freie Bahn ließ, stößt auf Unverständnis. Derweil diskutiert der maskenfreie AfD-Kreisrat Horst Niehues mit der eine FFP2-Maske-tragenden Grüne-Kreisrätin Sonja Rajsp, die ihn darauf hinweist, dass er sich als Mandatsträger doch an die Gesetze zu halten habe und deshalb eine Maske tragen müsste. Das ist dem Politiker nach eigenen Worten aber egal. Die Rathausmitarbeiter stehen derweil immer noch im unbeleuchteten Erker und schauen dem Treiben draußen zu, bis der Spuk vorüber ist.