Pro Kirche
Miriam Oberföll ist 41 Jahre alt, Polizistin, Mutter und katholisch. Sie lebt derzeit im Kreis Waldshut, kommt aber ursprünglich aus Villingen-Schwenningen und ist hier auch von Zeit zu Zeit. Für sie spielt die katholische Kirche eine entscheidende Rolle in ihrem Leben. „Solange ich in der Kirche die Möglichkeit habe, meinen Glauben zu leben, trete ich nicht aus“, sagt sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
„Ich glaube, dass Jesus eine Gemeinschaft, aus der letztlich die Kirche hervorgegangen ist, im Sinn hatte“, sagt sie. Daher gehört es für sie dazu, dass man sich in der Gemeinschaft trifft, betet und dort für einander da ist. „Ich versuche, sonntags immer in die Kirche zu gehen. Wenn ich das nicht schaffe, schaue ich, dass ich den Kirchenbesuch unter der Woche nachhole“, erzählt die 41-Jährige weiter.
Der Glaube selbst beeinflusst ihr Leben permanent. Für Oberföll ist das eine „Lebensfrage“ und eine „bewusste Entscheidung“, die sie getroffen hat. Sie kommuniziert eigenen Angaben zufolge täglich mit Gott. „Der Glaube wurde mir in die Wiege gelegt“, sagt sie. Auch ihre Großeltern und Eltern sind religiös und auch ihr eigenes Kind wird katholisch getauft. Ihr Mann übrigens war evangelisch und ist schon länger aus der Kirche ausgetreten. Er akzeptiere den Glauben seiner Frau, beiden haben kirchlich geheiratet.
Dass, so wie ihr Mann, immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, findet sie schade. Oberföll sagt: „In der Gesellschaft nimmt der Glaube ab.“ Die Argumente dafür findet sie aber zu kurz gedacht. Natürlich gebe es den Missbrauch und die Geldgier. Aber das betreffe nicht alle. „Ich kündige ja auch nicht gleich, nur wenn ich manche Kollegen nicht mag“, sagt die gebürtige Villingerin.
Es gebe überall Probleme. Wenn man aber an die Sache an sich glaube, sei es falsch, wenn Menschen aus der Kirche austreten. Ganz im Gegenteil: „Die Kirche lebt von kontroversen Meinungen“, sagt sie weiter.
Es gelte, die positiven Seiten der Kirche besser herauszuarbeiten. Papst Franziskus etwa findet sie super: „Klar ist, die Kirche steht und fällt mit ihrem Oberhaupt. Der Papst lebt die Werte der Kirche wie Liebe, Menschlichkeit und Begeisterung vor. Das gefällt mir sehr.“
Die Kirche ist für Oberföll auch eine Konstante im Leben, die ihr Halt gibt. Zwar müsse diese auch mit der Zeit gehen. Allerdings: „Die Kirche kann sich nicht der Gesellschaft anpassen. Sonst würde sie in meinen Augen an Glaubwürdigkeit verlieren.“

Contra Kirche

Bereits 1990 aus der katholischen Kirche ausgetreten ist Brigitte Steinhüser. Die 49-Jährige lebt in Gelsenkirchen, kommt aber regelmäßig nach Villingen, wo sie geboren wurde und wo bis heute ihre Eltern leben.
Die waren es auch, die sie in die Kirche einführten: „Ich war von meiner Taufe an Katholikin“, sagt Steinhüser. Im Laufe ihres Lebens habe sie aber immer mehr Konflikte mit der Kirche gehabt. 1990 war es dann soweit: „Ich bin ausgetreten. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch fest in Villingen gewohnt.“
Sie habe sich damals viel mit der Bibel beschäftigt und die Inhalte mit der katholischen Kirche verglichen. Aus ihrer Sicht habe beides nicht zusammengepasst. Beispielsweise hieße es in der Bibel, dass man keine anderen Götter außer dem dem einen anbeten soll: „In der katholischen Kirche wird aber Maria angebetet. Sie ist ein zentrales Thema dort. Das passt nicht zusammen“, sagt Steinhüser.
Sie habe für sich damals festgestellt, dass sie nicht Teil einer solchen Kirche sein könne. „Der Austritt war eine Erleichterung“, erinnert sie sich. Ganz im Gegenteil zu ihren Eltern. Steinhüser: „Meine Eltern sind sehr gläubig. Mein Vater besucht fast täglich die Münsterkirche in Villingen.“ Die Eltern hatten Angst um ihre Tochter – vor allem wegen der Beerdigung und was danach kommen möge. „Das zeigt die Macht, die die Kirche hat“, sagt die 49-Jährige weiter.

Ein Wiedereintreten in die katholische Kirche kann es für Steinhüser heutzutage nicht geben. Die Kirche halte sich noch immer nicht an die Inhalte, die in der Bibel vermittelt werden.
Das hatte sie sich 1990 von den Zeugen Jehovas versprochen, weshalb sie dort in Villingen Mitglied wurde. Auch heute ist sie eigenen Angaben zufolge noch davon überzeugt, dass die Zeugen die Gemeinschaft sind, die am ehesten die Werte der Bibel lebt. Bis 2000 war sie dort Mitglied. Aber warum ist sie ausgeschieden?
„Ich war damals verheiratet, mit meinem ersten Mann. Ich lernte in der Zeit aber meinen jetzigen können. Ich beging also Ehebruch“, erzählt Steinhüser. Das sei bei den Zeugen Jehovas ein klarer Ausschlussgrund. „Ich hatte das zunächst den Ältesten gesagt. Die berufen dann eine Komiteeverhandlung ein, bei der über meinen Verbleib entschieden wurde“, sagt die gebürtige Villingerin weiter. Die Konsequenzen seien ihr aber klar gewesen und: „Ich wäre auch von mir aus gegangen.“ Die Liebe zu ihrem Mann sei ihr einfach wichtiger gewesen, als die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft.
Seit dem Beginn des Jahrtausends ist Steinhüser konfessionslos – aber nicht ohne ihren Glauben. „Ich spreche oft mit Gott. Die Kirche und der Glaube haben für mich nichts miteinander zu tun. Gott anzweifeln würde ich nie“, sagt sie.
Kann es daher sein, dass sie irgendwann wieder Teil einer Kirchengemeinde wird? „Wenn es eine Religion geben würde, die sich an die Regeln der Bibel hält, dann schon. Das ist aber sehr unwahrscheinlich.“