Am Tag nach der eskalierten Zwangsräumung eines Wohnhauses im Unterkirnacher Panoramaweg ist Andreas Braun deutlich anzumerken, wie die Anspannung des Vortages abgefallen ist.

Gemeinde wusste von Zwangsräumung

Im Gespräch mit dem SÜDKURIER berichtet er, wie er den Tag der Zwangsräumung erlebt hat: „Wir wussten seit einigen Tagen schon, dass auf Dienstagvormittag die Zwangsräumung des Hauses angesetzt ist. Ein solcher Termin wird der Kommune immer mitgeteilt, denn nach einer Zwangsräumung muss die Gemeinde gegebenenfalls eine Obdachlosenunterkunft für den Geräumten zur Verfügung stellen.“

Die Gerichtsvollzieherin und die Polizei hätten sich vor dem Rathaus getroffen. Von dort seien sie zu dem Haus im Panoramaweg gefahren und hätten den Räumungsschuldner aufgefordert, das Haus zu verlassen. Das habe dieser bekannterweise verweigert und gedroht, das Haus anzuzünden. Im Rathaus sei Hauptamtsleiter Werner Breig zunächst die Ansprechperson gewesen.

Blick auf das Haus am Panoramaweg 22 in Unterkirnach, in dem sich am Dienstag der Bewohner verschanzt hatte. Am Tag nach dem Großeinsatz ...
Blick auf das Haus am Panoramaweg 22 in Unterkirnach, in dem sich am Dienstag der Bewohner verschanzt hatte. Am Tag nach dem Großeinsatz untersuchen Polizeibeamte und andere Helfer das Gebäude auf mögliche noch vorhandene Gefahrenquellen. | Bild: Sprich, Roland

Braun selbst habe zu diesem Zeitpunkt noch mit einem normalen Arbeitstag gerechnet und sich in einer Besprechung befunden. Werner Breig sei dann in die Besprechung gekommen und habe ihn informiert, dass ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei auf dem Weg nach Unterkirnach sei.

Die Besprechung wurde damit zur Nebensache. Gegen 9.30 Uhr begab sich Braun selbst an die Einsatzstelle. „Dort wurde ich in Kenntnis gesetzt, dass der Bewohner gedroht hat, das Haus anzuzünden“, berichtet der Bürgermeister.

„Damit ging für mich praktisch so etwas wie ein zweiter Tag los. Auf einmal war ich in einer Situation, die komplett unwirklich erschien. Ich bin noch immer beeindruckt, wie alle Einsatzkräfte zusammengearbeitet haben. Wie professionell das alles ablief“, so der Bürgermeister.

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Bürgermeister erreicht Wahl-Geschäftsführer unter der Dusche

Gleichzeitig sei er überrascht gewesen, wie viele Aufgaben ihm und der Gemeindeverwaltung übertragen wurden. Bald habe sich zum Beispiel gezeigt, dass die SEK-Beamten einen Raum brauchten, um sich auszuruhen. Innerhalb kürzester Zeit habe man das Verwaltungsgebäude der Firma Wahl dafür zur Verfügung stellen können.

Polizeibeamte ziehen Gasmasken auf und untersuchen das Gebäude am Panoramaweg 22 in Unterkirnach am Tag nach dem Großeinsatz. Der ...
Polizeibeamte ziehen Gasmasken auf und untersuchen das Gebäude am Panoramaweg 22 in Unterkirnach am Tag nach dem Großeinsatz. Der Hausbewohner, der gedroht hatte, das Gebäude abzubrennen, hatte im Haus überall Benzin ausgeschüttet, um seine Drohung umsetzen zu können. | Bild: Sprich, Roland

Den Geschäftsführer des Unternehmens habe er telefonisch in den USA unter der morgendlichen Dusche erwischt, erzählt Andreas Braun. Nach kurzer Schilderung der Sachlage sei sofort klar gewesen, dass das Unternehmen hilft und seine Räume zur Verfügung stellt.

Darüber hinaus hat die Gemeindeverwaltung zum Beispiel der Bereitschaftspolizei und des Präsidiums Konstanz sowie der Feuerwehr Räume im Rathaus zur Verfügung gestellt, damit sich die Leute zurückziehen konnten. Im Rathaus seien auch etliche Anwohner, die aus ihren Häusern evakuiert wurden, untergekommen. Im Umkreis von 100 Metern seien alle Häuser evakuiert worden.

Die Duschen im Hallenbad reaktiviert

Bald sei dann auch klar gewesen, dass sich die Einsatzkräfte auf eine lange Nacht einstellten. Deswegen hat Braun zum Beispiel kurzfristig dafür gesorgt, dass im geschlossenen Hallenbad die Duschen aktiviert wurden, damit die Leute duschen konnten.

Für die Einsatzkräfte im Panoramaweg gibt es am zweiten Tag des Einsatzes aus Anlass einer eskalierten Zwangsräumung Verpflegung aus dem ...
Für die Einsatzkräfte im Panoramaweg gibt es am zweiten Tag des Einsatzes aus Anlass einer eskalierten Zwangsräumung Verpflegung aus dem Kofferraum eines Fahrzeuges der Gemeinde Unterkirnach. Ein Kaffee, ein Würstchen und Brot aus der Hand werden dankbar angenommen. | Bild: Cornelia Putschbach

So kam eine Aufgabe nach der anderen. „Ich war zum Beispiel damit beschäftigt, Informationen über eventuelle Bezugs- und Kontaktpersonen zusammenzutragen und Kontakte zu vermitteln“, berichtet der Bürgermeister weiter. Oder dafür zu sorgen, dass die EGT das Gas im Wohngebiet abstellt, um die Gefahr einer Gasexplosion auszuschließen.

Verhandlungstaktik hat sich bewährt

„Am Ende funktioniert man in solch einer Situation nur. Man versucht, Ruhe zu bewahren“, schildert der Bürgermeister, wie er den gestrigen Tag erlebt hat. Die Strategie der Polizei, lange zu verhandeln, habe sich definitiv bewährt. Dass dies richtig sei, habe er nie bezweifelt. Am Einsatz selbst habe er die ganze Zeit über relativ nahe dabei sein dürfen und auch erleben können, mit welcher Taktik die Polizei arbeitete.

Braun konnte auch mitverfolgen, was es mit dem Behälter auf sich hatte, die der Bewohner des Hauses gegen 18 Uhr vor die Tür stellte. Damit hat er seinen Sprengstoff übergeben, der von einem Roboter abgeholt wurde.

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In der Box war der Sprengstoff

„Ich konnte eine gewisse Erleichterung spüren, als er die Box mit dem Sprengstoff herausgegeben hat. Ab dem Zeitpunkt schienen auch die Einsatzkräfte davon auszugehen, dass der Hausbesitzer den letzten Schritt einer Explosion nicht gehen wird“, schildert Andreas Braun seine Eindrücke.

Ein Lob auf die Einsatzkräfte und Rathausmitarbeiter

„Ich möchte heute allen riesigen Dank aussprechen. Natürlich sind die Einsatzkräfte entsprechend geschult, aber auch solch eine Situation ist nicht alltäglich. Es ist wirklich beeindruckend, wie sie mit der Situation umgegangen sind.“

„Einen Riesendank“, so Braun weiter, „geht außerdem an meine Kollegen in der Gemeindeverwaltung. Was die geleistet haben im Rathaus und in der Organisation ist beachtlich.“

Polizeibeamte ziehen Gasmasken auf und untersuchen das Gebäude am Panoramaweg 22 in Unterkirnach am Tag nach dem Großeinsatz. Der ...
Polizeibeamte ziehen Gasmasken auf und untersuchen das Gebäude am Panoramaweg 22 in Unterkirnach am Tag nach dem Großeinsatz. Der Hausbewohner, der gedroht hatte, das Gebäude abzubrennen, hatte im Haus überall Benzin ausgeschüttet, um seine Drohung umsetzen zu können. | Bild: Sprich, Roland

Das Dorf ist zusammengestanden

Zudem sei es „einfach toll“, wie das Dorf in dieser Ausnahmesituation zusammengestanden habe. Er habe zum Beispiel Nachrichten aus der Bevölkerung bekommen, in denen Wohnungen zur Verfügung gestellt wurden.

„Es ist einfach sensationell. Wir können einfach nur froh sein, dass das so ausgegangen ist“, bricht die Dankbarkeit und gleichzeitig die Erleichterung aus Andreas Braun heraus.

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