Der Verein zur Hagelwehr in den Landkreisen Schwarzwald-Baar und Tuttlingen ist stolz. „Wir haben im Juni 2021 gezeigt, weshalb wir uns gegründet haben“, sagt Gernot Hengstler für den Vorstand. 14 Einsätze seien allein im Juni dieses Jahres erfolgt, nach elf Einsätzen im kompletten Jahr 2020, schildert Vorsitzender Heinz Messner. Die Piloten seien „an die Grenze gegangen, es war durchgehend eine sehr extreme Situation“. Messner weiter: „Wir sind dankbar, dass wir unfallfrei geblieben sind.“ Wie vom SÜDKURIER berichtet, kam ein Hagelfliegerpilot im vergangenen Monat nicht mehr zurück zum Startplatz Donaueschingen. Schweres Wetter im Schwarzwald-Baar-Kreis führte dazu, dasss die Maschine in Stuttgart landen musste und dort eine Nacht verblieb.

Dieser Club ist einzigartig

„Wir sind der einzige ehrenamtliche Verein in ganz Deutschland, der eine Hagelabwehr organisiert“, sagt Vorstandsmitglied Gerhard Vetter. 3000 Mitglieder unterstützen den Verein heute, „darunter viele Firmen mit Spenden“, betont Messner dankbar. 14 Gemeinden seien mit dem Schwarzwald-Baar-Kreis erklärte Unterstützer. Der Landkreis überweise einen pauschalen Jahresbetrag, die Gemeinden zahlten 22 Cent pro Einwohner und Jahr.

Messner macht klar, dass seitens der Kommunen noch mehr Unterstützung kommen könnte. „Mit Bad Dürrheims Bürgermeister Berggötz verhandeln wir aktuell, mit Donaueschingen sind wir seit Jahren im Gespräch aber es passiert nichts“, schildert der Vorsitzende. Auch der Landkreis Tuttlingen hielte sich heraus, ebenso etliche Gemeinden vor allem vom Heuberg.

Sie leiten den Verein zur Hagelabwehr. Von Links: Peter Hellstern, Gernot Hengstler, Heinz Messner.
Sie leiten den Verein zur Hagelabwehr. Von Links: Peter Hellstern, Gernot Hengstler, Heinz Messner. | Bild: Trippl, Norbert

Nach dem brachialen Hagel des Jahres 2006 über Villingen-Schwenningen machten vor allem die Schwenninger Unternehmer mobil. Gernot Hengstler schildert abstrakt, weshalb genau: “Nach dem zweiten Hageleinschlag auf eine Firma steigt erst die Versicherung aus und dann kündigt die Bank den Kredit für das nunmehr unversicherte Gebäude.“ Dies gelte es zu vermeiden.

Gerhard Vetter betont, dass der Hagelflieger als gemeinnützige Organisation „alle Gemeinden der Region schützt“. In der Luft werde seitens der Piloten nicht unterschieden, wer bezahlt und wer nicht. Zuletzt habe eine Dame per Mail beim Verein angefragt, weshalb auch Gemeinden im Einsatzgebiet lägen, die kein Geld überweisen.

Probleme unterwegs

„Wir haben die Finanzierung aktuell ordentlich im Griff“, sagt Messner. Zuletzt habe es 40 neue Mitglieder gegeben, offensichtlich nach den Erfahrungen des Juni. „Wir können keine hagelfreien Jahre garantieren, sagen aber ganz klar, dass wir in den letzten Jahren viel Hagel bei uns verhindert haben.“ Zuletzt fiel das besonders auf, als der Hagelflieger im Juni wegen tief hängender Wolken und gefährlicher Winde nicht bis Unterkirnach und Mönchweiler fliegen konnte. Dort kam es zu Schäden, vielen Landwirten wurden die Felder abgeschwemmt, Firmen standen unter Wasser, Privatleute hatten zerbeulte Autos und zerschlagene Rollläden.

Im Vordergrund der Silberjodid-Verdampfer, der unter dem rechten und dem linken Flügel der zweimotorigen Maschine befestigt ist. Im ...
Im Vordergrund der Silberjodid-Verdampfer, der unter dem rechten und dem linken Flügel der zweimotorigen Maschine befestigt ist. Im Hintergrund ist der Tower des Flugplatzes Donaueschingen zu erkennen.

„Unsere Flieger sind keine Kamikaze-Piloten“, sagt Heinz Messner. Sie müssten auch auf ihr Leben achten und im Juni wurden vor allem wegen der extremen Winde auch Flüge abgebrochen. Holger Miconi ist einer der Piloten. Er schilderte am Mittwoch, dass er nach der Wetteralarmierung eigenverantwortlich handele. „Wann wir starten und zurückkehren, das liegt bei uns allein.“ Geflogen werde auf Sicht und mit einer Karte, die den Regenradar der letzten Minuten zeige. „Dazu kommt unsere Erfahrung“, so Miconi. Peter Hellstern tüftelt aktuell an einer Software, um dem Mann im Cockpit via Internet aktuellste Daten zu liefern. Der Verein verbessert die Ausstattung ständig. 2020 seien neue Brenner beschafft worden. Diese sitzen jeweils unterm Flügel hinter länglichen Tanks. Das erhitzte Silberjodid werde nach hinten aufgesprüht und steige auf Grund seiner Temperatur in der Wolke auf. So werde der Hagel aufgelöst. Zwei 20-Liter-Tanks hat die Maschine an Bord. Piloten und Flugzeug stellt eine Firma gegen eine Jahrespauschale „per Dienstleistungsvertrag“, sagt Gernot Hengstler.

„Schadet nicht“

Die Schwenninger Unternehmer sind aber ständig am Drücker: Ziel sei es, so Hellstern, dass wir in den kommenden Jahren einen Meteorologen am Boden sitzen haben, der den Piloten ganz aktuell zu den Echtzeit-Entwicklungen des Gewitters informieren kann. Aktuell prüfe man satellitengestütztes Internet.

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Miconi beschrieb am Mittwoch auch einen Einsatz. Der Pilot fliege „nie in die Wolke hinein“, dementierte er anderslautende Aussagen. Immer von unten werde die Wolke geimpft. Wegen vorgeschriebener Mindestflughöhen, tiefer Gewitterbewölkung und ständig variierender Schwarzwald-Topografie seien gezielte Einsätze zuletzt nicht immer möglich gewesen. „Wir müssen uns an die Vorschriften halten“, so Miconi.

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„Das Silberjodid schade weder Menschen und Tieren noch der Natur“, betonte Heinz Messner. Der Stoff werde vor dem Aufsprühen stark verdünnt, sei mit Aceton vermischt und werde zudem extrem verwirbelt. Dies belege eine neue Studie. Hengsten betont, die „Methodik ist erwiesen“. Nicht nachweisen könne man die Einzelfall-Wirksamkeit. Das sei wie bei einem Medikament. Die Wirkung ist nachgewiesen, bei Einzelpersonen könne es andere Ergebnisse geben.

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