Ganze vier Kliniken gibt es in Deutschland, die familienorientierte Reha anbieten. Das sagt Thomas Müller, Geschäftsführer von einer dieser Kliniken – nämlich der im Villingen-Schwenninger Ortsteil Tannheim. Bei einer so übersichtlichen Zahl bleibt es nicht aus, dass jede einzelne dieser Einrichtungen weit über ihre Region hinausstrahlt.
In Tannheim lässt sich das auf dem Klinikparkplatz besichtigen: Autokennzeichen aus allen möglichen Landkreisen sind dort zu finden, teilweise von weit weg.
Gleichzeitig ist eine Reha-Klinik kein Unternehmen wie jedes andere: „Hier arbeitet fast ausschließlich der Mensch am Menschen“, sagt Müller. Und zwar bei etwa 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich etwa 125 Vollzeitstellen teilen und 175 bis 180 Patientinnen und Patienten versorgen.
Mit Geräten laufe nicht viel, erklärt Müller, drei Diagnostikräume, Trainingstherapie und ein Ganganalysegerät für Prothesenträger – „das war es dann mit den Geräten“, sagt der Geschäftsführer.
Seit 2018 ist Müller schon Teil der Geschäftsführung von Tannheim, zunächst mit dem Initiator und Gründer der Klinik, Roland Wehrle. Der hat sich allerdings Ende 2024 in den Ruhestand verabschiedet, seitdem ist Müller als Geschäftsführer allein verantwortlich für die Nachsorgeklinik.
Ein Mann der ersten Stunde in Tannheim
Angefangen hat er dort aber viel früher, nämlich 1997, ein paar Monate vor der eigentlichen Eröffnung der Klinik. Dabei kommt Thomas Müller eigentlich aus der wirtschaftlichen Ecke, hat zunächst als kaufmännischer Leiter die Zahlen der Klinik verantwortet, wurde kurz darauf auch Prokurist.
Unter seinen vorigen Arbeitgebern zählt der Diplom-Volkswirt der Universität Freiburg Unternehmen aus der Automobilbranche und der Wirtschaftsprüfung auf. Wie kommt es zum Engagement in einer sozialen Einrichtung?
Ein Mitglied im damaligen Klinik-Aufsichtsrat habe ihn angesprochen, ob Tannheim nicht etwas für ihn wäre, erzählt Müller. Der Mann habe selbst ein krebskrankes Kind gehabt und sei, ebenso wie er, aus Mönchweiler gekommen. Abgesehen von der äußerst sinnstiftenden Arbeit in der Nachsorgeklinik sei der Reiz für ihn gewesen, etwas von Anfang an aufzubauen: „Als Wirtschaftsprüfer bekommt man immer die fertigen Zahlen zu sehen.“
Da sei es reizvoll gewesen, eine Unternehmensstruktur quasi aus dem Boden zu stampfen. Und Müller erinnert sich an die Anfangszeit: „Das waren unruhige, wilde Jahre. Geld fehlte an allen Ecken und Enden.“ Dennoch sei ihm immer wichtig gewesen, dass die Mitarbeiter pünktlich ihr Gehalt bekommen – „nur so kann man Vertrauen der Mitarbeiter erwerben“.
Dass der Betrieb läuft und die Klinik sich in einer Reihe von Anbauten erweitern konnte, dabei haben auch die Spenden der SÜDKURIER-Leser sehr geholfen, sagt Müller. Mehr als 11 Millionen Euro seien im Laufe der Jahre über die Spendenaktion des Medienhauses zusammengekommen – und das schon vor der Eröffnung der Klinik. Die Berichte in den SÜDKURIER-Medien würden maßgeblich zur Bekanntheit der Tannheimer Klinik beitragen, auch ein ganzes Gebäude trägt den Namen des SÜDKURIER.
Auch in den nächsten Jahren wird gebaut
Und die Bauarbeiten gehen derzeit noch weiter. Es werde fünf weitere Plätze für Patienten geben, die älter als 27 Jahre sind. Außerdem soll ein neues Apartmenthaus für acht Familien entstehen, ein Parkdeck und auch ein neues Haus für die Stiftung „Deutsche Kinderkrebsnachsorge – Stiftung für das chronisch kranke Kind“ soll gebaut werden.
Das Geld dafür komme aus Mitteln, die die Klinik für eine geplante Partnerschaft mit einer anderen Klinik angespart habe. Die Partnerschaft sei am Ende geplatzt, so Müller, das Geld kann jetzt anders verwendet werden.
Wenn all das fertig ist, können 210 bis 215 Patienten gleichzeitig in der Klinik unterkommen. Und das ziehe dann auch Änderungen an Speisesaal und Küchenbereich nach sich. Die Pläne dafür seien noch nicht fertig, sagt Müller, gibt aber einen Eindruck. So könnte man die Kühlräume, die ohnehin saniert werden müssen, verlagern, um Platz in der Küche zu gewinnen: „Und wir überprüfen die Abläufe in der Küche.“
Geld bleibt aber auch abgesehen von Bauarbeiten ein Thema. Die Pflegesätze seien zu etwa zehn Prozent nicht kostendeckend, jedes Jahr müssten 750.000 bis eine Million Euro eingeworben werden, sagt der Geschäftsführer. Spenden, Bußgelder und auch Nachlässe würden in dieser Hinsicht helfen.
Für eine stabile Perspektive für das Haus
Als seinen wichtigsten Auftrag sieht Müller aber nicht das Bauen. Sondern hauptsächlich das Personal. Die Nähe zur Schweiz mache die Suche nach Mitarbeitern schwierig: „Aber es gelingt immer wieder, gutes Personal nach Tannheim zu holen.“ Dafür macht Müller vor allem die sinnstiftende Arbeit verantwortlich.
Und so gibt es auch Erfolgsmeldungen. Ab September seien zehn Stellen für den Bundesfreiwilligendienst bereits vergeben, sagt Müller: „So früh hatten wir noch selten alle Stellen besetzt.“ Durch Bindung von Personal will Müller eine langfristige Perspektive für das Haus schaffen – in einer Situation, in der geburtenstarke Jahrgänge in Ruhestand gehen. Und nicht zuletzt wolle er, inzwischen 61 Jahre alt, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für sich selbst aufbauen.
Dass es mit der Nachsorgeklinik in Tannheim nun so weitergeht, begrüßt auch Roland Wehrle, Initiator und Gründer der Klinik. Er ist zwar Ende 2024 offiziell in den Ruhestand als Geschäftsführer gegangen, bleibt aber als Berater an Bord und ist Vorstand der Stiftung „Deutsche Kinderkrebsnachsorge – Stiftung für das chronisch kranke Kind“.
Für eine Einrichtung wie Tannheim sei kein „normaler Manager“ brauchbar, sagt Wehrle. Es müsse jemand sein, der auch die menschliche Seite des Geschäfts beherrscht: „Das bringt Thomas Müller mit.“ Daher sei er sehr dankbar, dass jemand da sei, der die Aufgabe in seinen Augen gut mache, so Wehrle: „Mit Thomas Müller haben wir eine Persönlichkeit, die das sehr gut weiterführen wird.“