Marius Neininger, Geschäftsführer der Bächle Logistics GmbH, sitzt am großen Besprechungstisch in einem Büro. Der Blick geht von hier auf das Firmengelände im Industriegebiet Herdenen. Lastwagen fahren ein und aus. „Zum Glück“, sagt er, „sind die meisten auf der Straße.“
Ein Drittel der Fahrer ist im Krieg
Dennoch: Dem Unternehmen fehlen Fahrer, konkret Fahrer aus der Ukraine, die für das Schwesterunternehmen in Litauen fahren. 45 ukrainische Fahrer beschäftigt das Logistikunternehmen dort. 15 von ihnen müssen ihr Land bereits gegen Russland verteidigen.

„Da steht der Lastwagen dann erstmal auf dem Hof und man selbst steht vor vollendeten Tatsachen“, schildert Neininger. Er rechnet damit, dass dem Unternehmen noch weitere Fahrer abhanden kommen.
Wie der Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) warnt, könnten in absehbarer Zeit mehr als 100.000 ukrainische Lkw-Fahrer zum Kriegsdienst eingezogen werden. In polnischen und litauischen Speditionen stellen diese einen hohen Anteil der Belegschaft. Der Marktanteil polnischer und litauischer Speditionen liegt in Deutschland nach Worten von BGL-Sprecher Dirk Engelhardt bei 20 Prozent.
Spedition Hugger gehört nun zu Bächle
Der Krieg in der Ukraine stellt die Logistikbranche vor große Herausforderungen. „Schwierig, sehr schwierig“, sei das Umfeld momentan, sagt Marius Neininger. Der 41-Jährige ist als Geschäftsführer für 450 Mitarbeiter in der Region verantwortlich. Erst im Januar hat die Schweizer Post, zu der die Firma Bächle seit 2018 gehört, die Aldinger Spedition Hugger mit 217 Mitarbeitern und die Logistik Center Villingen GmbH übernommen.

Der sich nun noch weiter verschärfende Fahrermangel beschäftige das Unternehmen schon seit Jahren, sagt Marius Neininger. „18 Prozent unserer Fahrer sind über 60 Jahre alt.“ Der älteste, der aktuell noch arbeitet, ist 72. Warum arbeitet man mit über 70 Jahren noch? Die Motive seien unterschiedlich, sagt Neininger. Bei dem einen drohe eine Rentenlücke, der andere wiederum könne nach 30, 40 Jahren auf der Straße den plötzlichen Stillstand nicht ertragen.
Schlafen im Laster, Kampf mit dem Schnee
Nachwuchssuche gestalte sich schwer. Die Ursachen lägen weit in der Vergangenheit. Seit dem Wegfall des garantierten Frachtentgelts Mitte der 90er Jahre sei der Beruf des Kraftfahrers immer unattraktiver geworden.
Die Verpflegungspauschale für einen Lkw-Fahrer liegt beispielsweise pro Acht-Stunden-Tag bei 14 Euro – kein Betrag, für den man sich an deutschen Rasthöfen unbedingt satt essen kann. Hinzu komme das tagelange Schlafen im Lastwagen, im Winter müssen die Fahrer Schneeketten montieren und ihre 40-Tonner über glatte Straßen manövrieren. „Das muss der Staplerfahrer in der Lagerhalle alles nicht.“
„Die Familie muss das mittragen, und wenn sie das soll, geht das am ehesten über den Verdienst.“Marius Neininger
Die ständige Abwesenheit von zu Hause belaste das Familienleben und Freizeit: „Brutto müsste man eigentlich das Doppelte bezahlen, um die ständige Abstinenz von daheim auszugleichen“, sagt Neininger. „Die Familie muss das mittragen, und wenn sie das soll, geht das am ehesten über den Verdienst.“
30 junge Leute ausgebildet
Mehr als zehn Jahre lang habe man bei Bächle insgesamt 30 junge Leute zu Berufskraftfahrern ausgebildet. Von diesen sei noch einer im Unternehmen: „Und der arbeitet im Büro.“ In den osteuropäischen Ländern hingegen gehöre der Berufskraftfahrer zu den Besserverdienern.