So unterschiedlich bewerten Verteidiger und Staatsanwalt selten eine Tat. Im Prozess um versuchten Mord in Villingen-Schwennigen fordert am Landgericht Konstanz Staatsanwalt Egon Kiefer acht Jahre Haft. Er geht von versuchtem Mord und gefährlicher Körperverletzung aus. Er sieht keinen Ansatz von Notwehr, wie sie der Angeklagte geltend macht.

Verteidiger sieht es ganz anders

Verteidiger Anton Frey dagegen sieht Möglichkeiten für eine Bewährungsstrafe. Für ihn gab es nur den Versuch eines Totschlags in einem minderschweren Fall. Dafür sollte der Täter mit einem Jahr und sechs Monaten bestraft werden, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Bei Haftstrafen bis zu zwei Jahren ist eine Bewährungsstrafe möglich.

Warum wird aus dem Treffen ein Drama?

Aus einem Treffen von Männern, die sich zum Trinken und Fernsehschauen in einer Wohnung in Villingen-Schwennigen zusammen kommen, wird ein Drama. Am Schluss hat einer zwei gefährliche Schnitte am Hals, die Halsschlagader ist nur knapp verfehlt, ein anderer hat zwei weitere, aber nicht so schwerwiegende Stichwunden.

Wie es dazu gekommen ist, darüber gibt es zwei völlig unterschiedliche Versionen. Alle Beteiligten waren alkoholisiert. Das schwer verletzte Opfer hatte über eine Promille, war aber noch am wenigsten betrunken.

Angeklagter will in Notwehr gehandelt haben

Der Angeklagte sagt, er habe in Notwehr gehandelt. Er sei vom 39-Jährigen, bulligen Mann angegriffen worden. Der frühere Angehörige der russischen Miliz macht geltend, er sei vertraut im Umgang mit Waffen, und habe das Messer extra so gehalten, dass keine tiefen Verletzungen entstehen könnten.

Ein Rechtsmediziner stellte dazu als Gutachter vor Gericht fest, dies funktioniere nur, wenn das Opfer sich nicht bewege. Wenn er dies aber mache, dann könne auch mit einer durch den Daumen verkürzte Klinge eine schwere Verletzung entstehen.

Dem 50-Jährigen im blauen T-Shirt wird vom Staatsanwalt versuchter Mord vorgeworfen.
Dem 50-Jährigen im blauen T-Shirt wird vom Staatsanwalt versuchter Mord vorgeworfen. | Bild: Claudia Rindt

Die anderen beiden behaupten, der Angeklagte habe aus heiterem Himmel das 39 Jahre alte Opfer mit dem Messer attackiert. Der Beschuldigte sei zwar geschlagen worden, aber nicht von dem Mann, der durch Halsstiche schwer verletzt wurde, sondern von dem nur leicht verletzten 51-Jährigen.

Staatsanwalt Kiefer sagt, es sei nur dem Zufall und dem Glück zu verdanken, dass der 39-Jährige die zwei Stiche in den Hals überlebte. Er hält die Aussagen des Schwerverletzten und des leicht Verletzten für glaubwürdig. Der erste Schnitt sei noch relativ harmlos gewesen.

Zweiter Schnitt tief im Körper

Dieser sei möglicherweise, wie der Angeklagte anführt, tatsächlich kontrolliert ausgeführt worden. „Das Opfer war überrascht.“ Es habe keine Gegenwehr geleistet. „Sonst hätte es nicht so einen sauberen Schnitt gegeben.“ Der zweite Schnitt, an den sich der Angeklagte nicht mehr erinnern will, aber sei tief und nahe an lebenswichtigen Strukturen gewesen.

Lag Verwechslung vor?

Über die Motive des Angriffs vermutet er, dass es sich um eine Verwechslung gehandelt habe. Wegen der erheblichen Alkoholisierung (2,3 Promille) des Angeklagten, habe dieser nicht erkannt, dass es sich nicht um den Mann handelte, der ihm wegen einer Auseinandersetzung um die Lautstärke ein Mittelding zwischen Ohrfeige und Faustschlag verpasst hatte.

„Der Staatsanwalt fährt das Maximalprogramm.“
Anton Frey, Verteidiger

Über den Angeklagten stellt der Staatsanwalt fest, dieser sei „völlig sinnlos aggressiv“, das habe er auch bewiesen, als die Polizei in den Raum kam. Erst sei er neben dem Leichtverletzten auf dem Boden gesessen, dann habe er sich den Beamten gegenüber gewalttätig verhalten. Dass der Angeklagte Probleme mit Alkohol hat, sei deutlich, er habe aber nicht gehört, dass dieser bereit sei zu einer Therapie.

Anwalt Frey beklagt, der Staatsanwalt fahre hier das „Maximalprogramm“. Es seien gar keine Ansätze für Heimtücke zu erkennen. Er macht geltend, dass der Angeklagte, mehrere Verletzungen im Gesicht habe, am Ohr, an den Lippen, am Auge. „Woher kommen die denn?“ Das 39 Jahre alte Opfer habe den Angeklagten geschlagen, so wie dieser das sagt, anders ließen sich die Wunden nicht erklären.

Wird Therapie angeordnet?

Sein Mandant habe keinerlei Tötungsabsicht gehabt, sondern sich nur gewehrt und im Affekt verteidigt. Er sieht einen minderschweren Fall von versuchtem Totschlag. Er fordert ein Jahr und sechs Monate Haft und eine Aussetzung zur Bewährung. Als Bewährungsauflage sollte eine Therapie angeordnet werden. Das Urteil wird am Montag gesprochen.