Anita Simon kann es nicht fassen. Und ist noch immer aufgewühlt. Weil ein Wolf – vermutlich – sieben ihrer Schafe in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gerissen hat. „Das tut einem weh. In der Seele weh“, sagt sie.
Drei ihrer Schafe fand sie auf einer Weide in Breitnau, bei Titisee-Neustadt, tot auf. Mit Risswunden und Blut am Fell. „Ein anderes Schaf war so schwer verletzt, dass wir es erschießen mussten.“ Eins ist seitdem völlig verschwunden – und zwei stünden jetzt verletzt im Stall.
Die Verletzung der Tiere sind von Anita Simon dokumentiert worden. Wir zeigen diese Bilder weiter unten im Artikel.
„Der Anblick war grauenhaft“, sagt sie. „Die Schafe sind für uns eigentlich wie Familienmitglieder.“ Jedes der Tiere habe seinen eigenen Namen. Seinen eigenen Charakter. Die Mutterschafe sein Simon sogar oft wie Hunde hinterhergerannt.
Aber: Mit einem Wolfsangriff hat sie nicht gerechnet. Der Wolf schien ihr so weit weg. Laut dem Wildtierinstitut „Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg“ (FVA), das seinen Sitz in Freiburg hat, seien es momentan drei Wölfe, die sich im Schwarzwald herumtreiben.
In Baiersbronn. Am Feldberg und am Schluchsee.
Eindeutiger Befund fehlt noch
„Die 20 Kilometer vom Schluchsee hierauf sind für einen Wolf in einer Nacht aber kein Problem“, weiß Simon inzwischen. Nach Gesprächen mit dem Veterinäramt. Laut der FVA können Wölfe sogar bis zu 70 Kilometer in einer Nacht zurücklegen.
Um andere Schafzüchter zu warnen, spricht Simon deshalb auch mit dem SÜDKURIER. „Die Untersuchungen laufen zwar noch“, sagt sie. Denn: Noch stehe nicht eindeutig fest, ob es wirklich ein Wolf war.
Doch Simon ist sich sicher: „Ein Hund macht sowas nicht. Nicht bei sieben Tieren.“ Die FVA sieht das etwas anders und schließt einen Hund als Übeltäter nicht kategorisch aus.
Besonders hart für die Hobbyzüchterin aus Gütenbach: Weil ihre Weide in Breitnau auf so unwegsamen Gelände stehe, dass sie gar keinen Sicherheitszaun errichten könne, bekommt sie für die gerissenen Tiere auch keine Entschädigung.
Der Grund: Breitnau liegt im sogenannten Fördergebiet „Wolfsprävention Schwarzwald“. Das heißt: Ganz banal, dass ein Wolf in der Region ist. Doch es heißt auch, dass Tierhaltende Schutzmaßnahmen ergreifen müssen, wie die FVA mitteilt. „Für die Schutzmaßen gibt es auch eine bis zu hundertprozentige Förderung.“
Auch ein wirtschaftlicher Verlust
Kein Sicherheitszaun, keine Entschädigung, so einfach ist die Rechnung für die Behörden. Simon ärgert das. Zumal sie die Tiere im Herbst, wie jedes Jahr, verkaufen wollte. Um jene Kosten zu decken, die im Laufe des Jahres anfallen. Pacht, Heu, Kraft- und Mineralfutter für den Winter. „Das ist ein emotionaler und wirtschaftlicher Verlust“, sagt Simon.
Wolfsattacken scheinen inzwischen immer häufiger vorzukommen. Der FVA wurde zum Beispiel erst am Mittwoch eine verletzte Kuh aus dem Kreis Waldshut gemeldet. Auch sie könnte von einem Wolf gerissen worden zu sein.
Nehmen die Risse durch Wölfe also zu? Nicht unbedingt, so ein Sprecher der FVA: „Bisher haben wir nur einzelne Wölfe im Land und die Nutztierrisse schwanken“ – und treten besonders häufig auf, wenn sich ein Wolf neu niederlässt, „auch wenn nicht jeder Wolf automatisch Nutztiere reißt.“ Mit der Umsetzung des Herdenschutzes gingen die Übergriffe in der Regel zurück.
Mehr Risse durch die Wölfe
Trotzdem deuten die Zahlen auf eine Vermehrung der Übergriffe hin. Wo die FVA 2018 noch vier, 2019 und 2020 noch sechs und sieben Nutztierrisse registrierte, waren es 2021 schon 13.