Normalerweise sitzen die Menschen hier bei Kaffee und Kuchen zusammen, doch heute ist die Theke befüllt mit Käse, Eiern und Joghurt. Rundherum stehen statt Stühlen und Tischen nun Regale. Sie tragen Kisten mit Mehl, Zucker, Brot und Gemüse.

Noch vor einer Stunde deutete in der AnsprechBaar im Mehrgenerationenhaus von Donaueschingen nichts darauf hin, dass wenig später ein kleiner Supermarkt spontan aus dem Boden sprießt. Verantwortlich dafür sind an diesem Dienstag, 22. April, Katharina Martin, Christa Rodenwaldt und Gisela Zeller.

Tonnenweise Lebensmittel jeden Tag verarbeitet

Sie sind drei der aktuell sechs ehrenamtlichen Helferinnen beim Tafelladen in der Quellstadt und richten jeden Dienstag Regale und Auslagen mit Lebensmitteln her, die von Discountern aussortiert oder von Privatpersonen gespendet wurden.

Es sind häufig Lebensmittel, die kurz vor dem Ablaufen des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen, oder bereits darüber sind. Diese werden dann in Tafelläden wie in Donaueschingen für berechtigte Personen zu einem günstigen Preis zum Einkaufen angeboten. Wer das Angebot der Tafel nutzen möchte, braucht einen Nachweis zur Zulassung vom Jobcenter.

Etwa ein Drittel des Ladenpreises kosten die Lebensmittel in der Tafel. Außer Fisch dürfen sie auch über das Mindesthaltbarkeitsdatum ...
Etwa ein Drittel des Ladenpreises kosten die Lebensmittel in der Tafel. Außer Fisch dürfen sie auch über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus verkauft werden. | Bild: Daniel Vedder

Da die Donaueschinger Tafel keinen eigenen Standort und damit auch kein eigenes Lager hat, müssen die Freiwilligen jede Woche zunächst auf die Anlieferung warten, dann das Mehrgenerationenhaus herrichten und nach dem Verkauf schließlich wieder alles abbauen.

„Wir versuchen, die Ware dann anständig darzustellen und zu ordnen, damit die Leute eine gute Übersicht haben“, sagt Leiterin Katharina Martin. „Wenn wir zu Dritt sind, klappt das ganz gut.“

In einer Auslage im Mehrgenerationenhaus haben die Ehrenamtlichen Getränke, Milchprodukte und Eier zurechtgestellt.
In einer Auslage im Mehrgenerationenhaus haben die Ehrenamtlichen Getränke, Milchprodukte und Eier zurechtgestellt. | Bild: Daniel Vedder

Geliefert bekommt die Donaueschinger Tafel ihre Lebensmittel aus Villingen-Schwenningen. Von dort organisiert der Förderverein Mach mit alle Tafelläden im Schwarzwald-Baar-Kreis. Etwa 1,5 Tonnen gespendete Lebensmittel werden laut Johannes Zimmermann vom Förderverein täglich in Mühlhausen geprüft und sortiert.

Kundenzahlen steigen deutlich

Klingt nach viel, doch es ist nötig. „Heute versorgt die Tafel Villingen-Schwenningen in ihren fünf Ausgabestellen nicht mehr circa 1100 Personen, wie es 2020 der Fall war, sondern deutlich über 2000 Personen“, so Zimmermann.

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Immer mehr Menschen sind auf das Angebot der Tafeln angewiesen. 15,5 Prozent der Deutschen waren laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes 2024 von Armut gefährdet. Das waren 13,1 Millionen Menschen und damit knapp eine Million mehr, als noch 2023.

Ein deutlicher Anstieg der Kundenzahl bei den Tafeln im Kreis begann laut Johannes Zimmermann schon in den Jahren nach 2015 durch die Migrationsbewegungen und später durch die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter in den Rechtskreis des Arbeitslosengeldes II.

Vor allem junge und ältere Frauen

Auch in Donaueschingen ist die Kundenzahl nach oben geschossen. Wie Katharina Martin sagt, sind etwa 100 Berechtigungsscheine für den Laden ausgestellt. Seit sie 2017 angefangen hat, sich zu engagieren, ist der Kundenstamm von etwa 20 Menschen auf im Schnitt 30 bis 35 Personen jeden Dienstag angewachsen.

Die Tafel in Donaueschingen hat keinen eigenen Standort. Deswegen müssen die Ehrenamtlichen jeden Dienstag das Mehrgenerationenhaus zum ...
Die Tafel in Donaueschingen hat keinen eigenen Standort. Deswegen müssen die Ehrenamtlichen jeden Dienstag das Mehrgenerationenhaus zum Supermarkt umbauen. | Bild: Daniel Vedder

„Mit dem Krieg in der Ukraine hatten wir dann anfangs 50 bis 60 Kunden“, sagt Martin. Da hatten sie dann auch zeitweise eine Übersetzerin dabei, die helfen musste. Seitdem sind die Zahlen wieder zurückgegangen.

Heute kommen laut Katharina Martin meist jüngere, alleinerziehende Frauen oder Seniorinnen, bei denen die Rente nicht ausreicht. Drei bis vier Stammkundinnen gibt es in Donaueschingen schon seit Martin 2017 bei der Tafel angefangen hat.

Mancherorts kommt es zu Aufnahmestopps

Zur Hochzeit nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gab es wegen des großen Bedarfs auch mal Begrenzungen, wie viele Leute pro Woche einkaufen durften, sagt Helferin Christa Rodenwaldt. Mittlerweile kann in Donaueschingen aber wieder jeder Berechtigte jede Woche kommen. Generell kommt der Tafelladen aktuell ganz anständig über die Runden. „Für unsere Verhältnisse in Donaueschingen geht es“, sagt Leiterin Martin.

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Doch das ist nicht überall so. „Aktuell unterstützen die Tafeln rund 1,5 Millionen armutsbetroffene Menschen. Knapp ein Drittel der Tafeln arbeitet mit temporären Aufnahmestopps oder Wartelisten. Viele Helferinnen und Helfer sind am Limit“, sagt Andreas Steppuhn, Vorsitzender des Dachverbandes der Tafel Deutschland, zu dem 970 Läden gehören.

Spenden aus Discountern gehen deutlich zurück

Grund dafür sind nicht nur die gestiegenen Kundenzahlen. „Die Lage der Tafelläden im Schwarzwald-Baar-Kreis hat sich in den letzten zehn Jahren spürbar verschlechtert“, so Johannes Zimmermann von der Tafel VS. Trotz gestiegener Kundenzahl seien die Sachspenden durch Supermärkte zwischen 2020 und 2023/24 um fast 20 Prozent zurückgegangen – und für 2025 erwartet er noch weniger.

„Ware, die früher direkt an uns ausgegeben wurde, wandert heute in die sogenannten Rettertüten, von deren Verkauf nur noch ein Centbetrag an den Bundesverband der Tafeln nach Berlin abgeführt wird. Die Rettertüte aber kann von jedem erworben werden, ohne sozialen Vorbehalt“, sagt Zimmermann.

Manche Dinge, wie etwa Mehl und Zucker bekommen die Tafeln nicht gespendet. Dafür nutzt der Trägerverein dann die Erlöse aus den ...
Manche Dinge, wie etwa Mehl und Zucker bekommen die Tafeln nicht gespendet. Dafür nutzt der Trägerverein dann die Erlöse aus den Verkäufen oder Geldspenden. | Bild: Daniel Vedder

Statt der Lebensmittelspenden kommen von den Discountern nun vermehrt Geldspenden. „Supermärkte kalkulieren mittlerweile besser, dass am Ende des Tages nicht mehr so viel übrig ist. Das begrüßen wir grundsätzlich, da Tafeln gegen Lebensmittelverschwendung eintreten. Allerdings werden eben genau diese Spenden benötigt“, sagt Andreas Steppuhn vom Tafel-Dachverband.

Dafür holen die Tafeln Ware aus Überproduktion vermehrt bei den Herstellern direkt. Laut Johannes Zimmermann baut auch die Tafel VS ihre Vernetzung mit kleineren Herstellern wie Metzgern, Bäckereien und Hühnerhöfen aus, „die aber natürlich nicht so regelmäßig liefern können wie etwa Supermärkte“.

Maßnahmen schon an anderer Stelle ansetzen

In Donaueschingen kommt die Tafel mit den Spenden aktuell gut aus. Neben den üblichen Waren von Herstellern und Supermärkten, gibt es auch regelmäßig einen Spendenaufruf der Kirche. „Das merkt man“, sagt Leiterin Katharina Martin. Private Sachspenden seien hingegen selten, so Christa Rodenwaldt: „Die bekommen wir immer mal wieder, aber so richtig große hatten wir schon lange nicht mehr.“

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Wie sich die Lage andernorts entspannen könnte? Für Andreas Steppuhn vom Tafel-Dachverband muss das Problem an der Wurzel angepackt werden: „Es braucht eine ernsthafte Bekämpfung von Armut. Die Politik muss dafür sorgen, dass sich etwas verändert. Dazu gehört unter anderem eine krisenfeste Absicherung von Kindern, Jugendlichen sowie Seniorinnen und Senioren, ebenso wie bezahlbares Wohnen, armutsfeste Regelsätze und die Chance auf Teilhabe.“