Hätte der Bär Gefühle, so wären es anstrengende Tage für den Teddy gewesen. Doch so erträgt er gelassen von kleinen Händen gedrückt werden. Immer und immer wieder. Ein Seelentröster.

Und so hat er in den letzten Wochen einiges erlebt.

Im November am RS-Virus erkrankt

„Weißt du noch?“, fragt Mama Annika Munz ihren Sohn Theo. „Der Teddy war überall mit dabei: Der war beim Röntgen. Der war auf der Intensivstation. Der ist abgehört worden. Der hat Blutdruck gemessen bekommen. Der ist auch gerettet worden. So wie du.“

Annika Munz mit Theo.
Annika Munz mit Theo. | Bild: Daniela Biehl

Munz sitzt mit ihrem zweijährigen Sohn in einem Aufenthaltszimmer der Kinderklinik im Schwarzwald-Baar-Klinikum – sie ist eine Mutter von vielen, deren Kinder sich in letzter Zeit mit dem RS-Virus infiziert hatten.

Bundesweite Schlagzeilen

Bundesweit hörte man wochenlang von überbelegten Zimmern, langen Tagen in der Notaufnahme– und von Verlegungen kranker Babys in entfernte Krankenhäuser: Weil das gehäufte Auftreten der Atemwegsinfektion die Klinken ans Limit brachte.

Wie aber ist die Lage im Schwarzwald-Baar-Klinikum? Und vor allem: Wie haben Eltern die Situation erlebt?

RSV – Die wichtigsten Fakten

Für Munz beginnt die Geschichte vor knapp vier Wochen: „Theo ist ein fröhliches Kind“, sagt sie. „Er wacht auf, macht die Augen auf, plappert sofort los.“ Aber damals, vor knapp vier Wochen, war er plötzlich ganz anders. Völlig apathisch. Wollte nicht mehr trinken. Nicht mehr Essen. Hatte Husten. Keine Körperspannung mehr.

Der 28. November

„Da wusste ich, dass etwas nicht stimmt.“ Sie war schon Samstag, 24. November, mit ihm kurz im Klinikum gewesen. „Dann ist es ihm auch wieder besser gegangen.“ Doch dann, am Montag, 28. November, das Datum hat sich ihr ins Gedächtnis gebrannt, wird es ernst. Das spürt sie. Sie setzt sich ins Auto, fährt mit Theo erst zum Kinderarzt, dann ins Schwarzwald-Baar-Klinikum.

Zwischen Hilflosigkeit und Stärke

„Und plötzlich stand ich hier auf der Intensivstation mit gefühlt 50 Menschen um mich herum, alle mit Hauben. Jemand sagte: Bringt die Mutter raus.“ Munz fühlte sich hilflos, wollte stark sein, erfuhr bald, dass das Leben ihres Sohnes auf der Kippe stand – und dass das RS-Virus, das auch ganz mild verlaufen kann, es bei ihm nicht tut.

Die kommenden Wochen werden für Munz zur regelrechten Achterbahn-Fahrt: Mal geht es Theo besser, mal schlechter, mal kommt er auf die Normalstation, mal muss er wieder auf die Intensivstation. Munz schläft kaum noch, funktioniert nur noch.

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Und Theos kleiner Körper kämpft gegen das RS-Virus an. An seiner Seite: Mutter Annika, die Tag und Nacht in der Klinik bleibt, auch jetzt , wo sie bald entlassen werden. An seiner Seite auch: „Der Papa.“ Theo lächelt und Munz nimmt den Bären wieder in die Hand. „Und Teddy hier, der war auch immer dabei“, sagt sie – „und natürlich all die Ärzte und Pfleger.“

Was den Ärzten und Pflegern zu schaffen macht

Und denen machten die vielen Patienten in den letzten Wochen – und auch immer noch – enorm zu schaffen. Denn: „Momentan haben wir hier 21 Patienten mit RSV, neun mit Influenza und einen mit Corona in der Kinderklinik“, sagt Chefarzt Matthias Henschen.

Chefarzt Matthias Henschen mit Annika Munz und Sohn Theo.
Chefarzt Matthias Henschen mit Annika Munz und Sohn Theo. | Bild: Daniela Biehl

Fünf RSV-Patienten liegen auf der Intensivstation, wo sie beatmetet werden müssen, die anderen werden auf der Normalstation genaustens überwacht – und erhalten Unterstützung beim Atmen.

Das Virus: Ein alter Bekannter

Doch: Das RS-Virus ist eigentlich nicht ungewöhnlich, quasi ein alter Bekannter unter den Viren, der den Ärzten einmal im Jahr – von Sommer zu Winter oder Winter zu Sommer – immer wieder im Krankenhaus begegnet. Bei Erwachsenen verläuft die Infektion oft harmlos, ein Schnupfen in der Regel nur.

„Auffällig ist in diesem Jahr aber schon, die Häufigkeit. Also, dass relativ viele Kinder davon betroffen sind. Und auch, dass sie stärker krank sind als sonst“, sagt Henschen.

Anja Wernet, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und Assistenzärztin Simone Köhler (rechts) untersuchen ein zwei Wochen altes Baby, ...
Anja Wernet, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und Assistenzärztin Simone Köhler (rechts) untersuchen ein zwei Wochen altes Baby, das sich mit RSV infiziert hat. | Bild: Daniela Biehl

Die Infektionswelle trifft bundesweit auf Personal, das eigentlich schon lange am Anschlag arbeitet. Denn: Die Kliniken sind chronisch überlastet.

„Die letzte Zeit war heftig“, sagt Anja Wernet, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin – und geht mit Assistenzärztin Simone Köhler in das Zimmer eines zwei Wochen alten Babys. Über ein Gerät, verbunden mit Schläuchen und einer Art Nasensonde, wird es beim Atmen unterstützt.

Enorme Arbeitsbelastung

„Na, Hallo“, sagt Wernet und streicht dem Kind über den Arm. „Auch ein RSV-Fall.“

Wie so viele in den letzten Tagen und Wochen.

Hier arbeiten Pfleger und Ärzte aufgrund der vieler Atemwegserkrankungen momentan am Anschlag.
Hier arbeiten Pfleger und Ärzte aufgrund der vieler Atemwegserkrankungen momentan am Anschlag. | Bild: Daniela Biehl

„So viele, dass ich zu Hause oft meine, die Monitore noch zu hören“, sagt sie.

Und so viele, dass Kollegin Köhler sagt: „Tagsüber, aber gerade auch im Nachtdienst, ist die Arbeitsbelastung enorm. Du bist ständig am Hin- und Herrennen. Hast keine Pause. Versuchst allen gerecht zu werden. Und ständig sagt jemand: Wir haben kein Bett mehr frei, keine Monitore mehr – und dann musst du improvisieren. Plätze schaffen, die es eigentlich gar nicht mehr gibt.“

Wenn kranke Kinder auf dem Flur sitzen

Jeweils 30 bis 35 Patienten seien in den letzten Wochen auf der Kinderstation gewesen, sagt Wernet. Nicht alle mit RSV, aber das Virus sei dominierend gewesen. Und weil der Platz bei so vielen kranken Kindern nicht ausreicht, mussten die Kleinen teilweiße auf Flure und Untersuchungsräume verteilt werden. Denn: Die eigentlichen Zimmer waren voll.

Abgewiesen wird niemand

„Das treibt einen wirklich an die Belastungsgrenze. Ich muss die Kinder ja irgendwie versorgen“, sagt Wernet. Denn: Kinder abzuweisen, das kommt für Chefarzt Matthias Henschen nicht in Frage.

„Wo sollten sie auch hin? Es gibt es hier schon den Geist, dass wir helfen, wo Not ist“, sagt Henschen.