„Von heute auf morgen ist einfach alles weg“, erzählt Claudia Behrendt-Mey. „Augenbrauen, Haare, Wimpern – einfach alles.“ Knapp drei Jahre ist es her, dass die Chemotherapie ihr Aussehen komplett verändert hat.

Um Frauen wie Claudia Behrendt-Mey während der Krebserkrankung zu unterstützen, gibt es spezielle Kosmetikseminare für Krebspatientinnen. Das Programm „look good feel better“ (etwa: „Sieh gut aus und fühle Dich besser“) wurde 1995 von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) ins Leben gerufen.

Die Nachfrage im Schwarzwald ist groß

Etwa fünfmal im Jahr findet ein Workshop im Schwarzwald-Baar-Klinikum in Villingen-Schwenningen statt. Nächstes Jahr soll es sechs Termine geben, wie Martina Obergfell erzählt. Sie arbeitet in der onkologischen Tagesklinik am Klinikum und kümmert sich unter anderem um die Organisation der Seminare.

Martina Obergfell (rechts) vom Schwarzwald-Baar-Klinikum hat Claudia Behrendt-Mey vor drei Jahren auf den Kosmetikkurs aufmerksam ...
Martina Obergfell (rechts) vom Schwarzwald-Baar-Klinikum hat Claudia Behrendt-Mey vor drei Jahren auf den Kosmetikkurs aufmerksam gemacht. Sie ermutigt regelmäßig Krebspatientinnen dazu, auch wenn diese sonst nicht viel mit Schminken zu tun haben. Und macht beispielsweise mit Flyern darauf aufmerksam, wie ihn die beiden Frauen hier zeigen. | Bild: Lisa Sperlich

Ein Kosmetikkurs dauert etwa zwei Stunden für zehn Teilnehmerinnen, wie Martina Obergfell sagt. Im Schwarzwald-Baar-Klinikum wird dafür ein Raum schön hergerichtet und neben dem Schminken gibt es auch ein Stück Kuchen für die Teilnehmerinnen. „Es ist dazu gedacht, den Patientinnen eine wertvolle Zeit zu schenken“, sagt Obergfell.

Teilnehmerinnen kommen aus ganz Südbaden

Dafür kommen Patientinnen auch gerne mal von weiter her, wie zum Beispiel vom Bodensee. „Die Frauen sind auch bereit, 80 oder 100 Kilometer zu fahren“, sagt Martina Obergfell.

Denn eine Übersichtskarte der DKMS zeigt: Der nächste Kursstandort in der Region – abgesehen von Villingen-Schwenningen – ist in der Nähe von Offenburg oder in Ludwigshafen.

Eigentlich kein Fan von Make-Up: „Ich hasse schminken“

2021 hat Claudia Behrendt-Mey den Kosmetikkurs besucht – der Pandemie geschuldet lediglich online. Auf die Idee hatte sie damals Martina Obergfell gebracht. „Den Ansporn habe ich gebraucht“, sagt sie. Alleine wäre sie nicht auf die Idee gekommen.

„Du bist in einer Situation, da denkst du: Das interessiert mich jetzt überhaupt nicht“, erzählt Claudia Behrendt-Mey. „Das ist das Letzte, womit man sich beschäftigen möchte.“

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Denn eigentlich sei sie überhaupt kein Fan vom Make-Up. „Ich hasse schminken“, sagt Claudia Berehndt-Mey lachend. Daher hatte sie auch nicht gezögert, ihren Platz beim ersten Termin an eine andere, wartende Frau abzugeben.

Chemotherapie ändert das Aussehen und Wohlbefinden

Ein Problem mit ihrem Aussehen hatte Claudia Behrendt-Mey damals nicht. „Ich hab meine Glatze getragen, das hat mich nicht gestört.“ Trotzdem hatte sie das Gefühl, nicht mehr ganz sie selbst zu sein.

Durch die Chemotherapie fallen nicht nur die Haare aus, sondern auch die Gesichtsform und Haut verändere sich. „Die Medikamente lassen alles aufquellen“, sagt die 56-Jährige. „Man weiß gar nicht, wo man ansetzen muss.“

Kosmetik soll das Selbstwertgefühl stärken

Während des Workshops bekommen die Teilnehmerinnen eine Anleitung und Tipps von speziell geschulten Kosmetikerinnen, die die Kurse ehrenamtlich geben.

„Man kann eben nicht jedes erstbeste Produkt verwenden“, sagt Claudia Behrendt-Mey. „Sonst fährt man sich einmal durchs Gesicht und alles ist weg.“ Also werden neben üblichen Produkten auch beispielsweise Augenbrauenstifte verwendet, die besonders haltbar sind.

Die Produkte wie Augenbrauenstifte, Rouge oder Lippenstift bekommen die Teilnehmerinnen kostenlos von der DKMS gestellt und dürfen diese im Anschluss behalten. Neben dekorativer Kosmetik gibt es auch Pflegeprodukte wie Reinigungsmilch und Cremes dazu.

Starke Sonnencreme besonders wichtig

Auch Sonnencreme spielt eine wichtige Rolle. Während der Chemotherapie ist die Haut besonders empfindlich. „Wir sprechen hier von einem Lichtschutzfaktor von 70 oder 80“, erklärt Behrendt-Mey.

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Zeichen nach Außen setzen: „Hallo, ich lebe!“

Für Claudia Behrendt-Mey war die Teilnahme am Programm mehr als nur Schminktipps zu bekommen. „Es ist von unschätzbarem Wert“, sagt sie. Das Gefühl lasse sich nur schwer in Wort fassen. „Das ist Luxus für die Psyche.“

Der Fokus liegt für Behrendt-Mey nicht auf den Produkten und das Schminken an sich, sondern auf dem Selbstwertgefühl. In einer Zeit, in der einem grundsätzlich viel Mitleid begegnet, sei das besonders wichtig: „Man will einfach rausgehen und sagen: Hallo, ich lebe!“.