Es klingt wie im Film: Da soll jahrelang ein junger Mann, der damals in Tuttlingen lebte, Frauen zuerst emotional abhängig gemacht haben, sich dann von ihnen Geld geliehen und dieses nie zurückgezahlt haben. Und der, der die Geschichte erzählt, ist Tarkan Karakaya, der ebenfalls in Tuttlingen lebt.
Die Zahl der geschädigten Frauen schätzt Karakaya auf eine drei-, wenn nicht sogar vierstellige Zahl – und den Schaden, den der Mann ihnen zufügte, auf eine fünfstellige oder sechsstellige Summe.
Angeschuldigter weist die Vorwürfe zurück
Der angeschuldigte Mann widerspricht den Vorwürfen in einer knapp gehaltenen E-Mail-Nachricht. Und die zuständige Staatsanwaltschaft in Rottweil ermittelt.
Etwa im Jahr 2020 oder 2021 sei es gewesen, dass er den Mann kennengelernt habe, den er heute schwer beschuldigt, sagt Karakaya. Der habe sich damals älteren jungen Männern angeschlossen, sich mit ihnen zeigen wollen.
Der Name des Beschuldigten ist der Redaktion bekannt, wird in diesem Text aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes aber nicht genannt.
Sie seien damals eher lose Bekannte gewesen, sagt Karakaya heute. Die Vorfälle, von denen er berichtet, hätten sich in den Jahren seit 2022 zugetragen. Und der mutmaßliche Betrüger, heute erst 20 Jahre alt, habe sogar damit geprahlt, dass er Frauen ausnehme, wie es Karakaya formuliert.
Er sei selbst auch Zeuge geworden, wie der jüngere Mann dabei vorgeht – etwa in einer Konstanzer Diskothek. Der Mann spreche einfach möglichst viele Frauen an: „Irgendwas sprang immer für ihn raus.“ Das Ziel sei von vornherein gewesen, die Frauen auszubeuten, so der Vorwurf, und dabei gehe der heute 20-Jährige sehr raffiniert vor.
Erstes Ansprechen, Komplimente, Aufmerksamkeiten
Nach dem ersten Ansprechen habe es dann beispielsweise Smalltalk mit Zigarette gegeben, erste Komplimente, Aufmerksamkeiten für die Frau. Das sei schon beim Warten vor dem Eingang losgegangen, aber auch in der Disko weitergegangen.
Je mehr Vermögen eine Frau hatte – zu beurteilen nach Auto, Kleidung oder Schweizer Akzent –, desto eher sei der junge Mann drangeblieben: „Und bei zwei oder drei von fünf Frauen hat es dann geklappt, dass sie ihm etwas gegeben haben.“
Das seien meist kleine Beträge gewesen, doch in manchen Fällen sei das Spiel auch deutlich weiter gegangen, durch Online-Nachrichten, Videotelefonate und am Ende auch persönliche Treffen samt Intimitäten. Die Frauen habe der 20-Jährige dadurch emotional gebunden.
Mitunter sollen vierstellige Beträge geflossen sein
Und mitunter seien auch hohe Beträge geflossen. Karakaya legt Kopien von Kontoauszügen vor, aus denen hervorgeht, dass vierstellige Beträge von einer Frau an den 20-Jährigen geflossen sind.
In den Anzeigen, die er für manche der geschädigten Frauen erstattet hat, ist mal von 2000, mal von 9000, in einem Fall sogar von 14.000 Euro die Rede, die an den Mann geflossen sind. Freilich ohne je an die Frauen zurückzufließen, die immer unter dem Eindruck gewesen seien, dass sie das Geld nur verliehen haben.
Die Frauen selbst würden sich in den allermeisten Fällen allerdings schämen, auf die Versprechungen und emotionalen Bindungstaktiken eines so jungen Mannes hereingefallen zu sein. Deswegen seien viele nicht selbst zur Polizei gegangen, sagt Karakaya.
Zum Teil aktiv nach Geschädigten gesucht
In Fällen, in denen er davon mitbekommen habe, habe er den Frauen Mut zugesprochen und mit ihrem Einverständnis Anzeige erstattet. Später habe er selbst aktiv nach Geschädigten gesucht. Und nach seiner Einschätzung habe sich sein früherer Bekannter inzwischen ins Ausland abgesetzt.
Seine eigene Motivation, so umfassend gegen den Mann vorzugehen, erklärt er so: „Ich will diesem Treiben ein Ende setzen.“ Vielfach seien es keine wohlhabenden Frauen, die dem Mann Geld gegeben haben. Und: Ein solcher Betrug könnte mal die eigene Schwester, Cousine oder eine andere Verwandte betreffen.
Karakaya verschweigt allerdings auch nicht, dass zum Hintergrund ein Streit um Schulden gehört. Die habe der heute 20-Jährige bei ihm gehabt, aber ebenfalls nicht beglichen. Daher habe er sich entschlossen, alles aufzutischen.
Bei der Kripo laufen umfangreiche Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft Rottweil bestätigt, dass beim Kriminalkommissariat Tuttlingen umfangreiche Ermittlungen laufen – „auch zur tatsächlichen Anzahl der Geschädigten und zum Umfang der Schäden“, wie Staatsanwalt Markus Wagner, gleichzeitig Sprecher der Behörde, auf Anfrage schreibt.
Im Kern geht es dabei um ähnliche Vorwürfe, wie sie Karakaya erhebt: „Es kann bestätigt werden, dass der Verdacht besteht, dass der Beschuldigte – zum Teil von Tuttlingen aus handelnd – unter Vortäuschung seiner tatsächlich nicht gegebenen Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit mehrere Frauen zu Geldzahlungen und Überweisungen aufforderte und das Geld dann entsprechend vorgefasster Absicht trotz Erhalts nicht zurückzahlte“, heißt das im nüchternen Juristendeutsch.
Im Klartext lautet der Verdacht: Der Beschuldigte hat Geld von Frauen geliehen und von Anfang an nicht geplant, dieses Geld zurückzuzahlen – was er den Frauen indes verschwieg.
Mehrere Personen haben Anzeige erstattet
Wagner sagt auf Anfrage am Telefon noch, dass Anzeigen durch mehrere verschiedene Personen erstattet worden seien, auch von Geschädigten. Und teilweise seien Verfahren auch von anderen Staatsanwaltschaften an die Behörde in Rottweil abgegeben worden. Teilweise seien die Kontakte allein übers Internet zustande gekommen, so Wagner. Es bestehe der Verdacht gewerbsmäßigen Handelns, heißt es in seiner ersten Stellungnahme außerdem.
Der beschuldigte 20-Jährige selbst widerspricht in einer knapp gehaltenen E-Mail übrigens solchen Vorwürfen: „Sowas stimmt nicht, ich habe niemandem was vorgespielt“, heißt es darin.