Ihr jüngster Sonntagsdienst ist Apothekerin Roswitha Rebmann noch gut in Erinnerung: Ein Vater sei mit vier fiebernden Kindern vom ärztlichen Notdienst gekommen. Auf dem Rezept: eine Flasche Fiebersaft für alle vier.
Ob Ibuprofen oder Paracetamol: Fiebersenkende Mittel für Kinder sind in Deutschland seit Monaten Mangelware. „Wir haben sie zuletzt nur noch gegen Rezept herausgegeben“, sagt Roswitha Rebmann. Normalerweise sind die Mittel für wenige Euro frei verkäuflich.

Bei Kindern ab vier Jahren könne man sich zwar mit (teilbaren) Tabletten behelfen. Doch was ist nach den ersten Impfungen, wenn das Baby standardmäßig ein Fiebermedikament verschrieben bekommt? Oder die erste heftige Erkältung mit hohem Fieber einher geht? „Gerade für die unter Zweijährigen war das zuletzt ein Riesenproblem.“
Grund genug für ihren Chef Christoph Behrendt, aktiv zu werden. Der Apotheker betreibt in Villingen Klosterring-, Berthold-, Mozart- und Delta-Apotheke und weiß um die Nöte der Eltern.

„Wir haben lange abgewartet, ob wir uns vorwagen sollen“, sagt er. Zumal zunächst auch nicht klar gewesen sei, ob die Krankenkassen für die höheren Kosten der vor Ort hergestellten Arznei aufkommen.
„Dass es in einem reichen Land wie Deutschland für die Kleinsten keine Medikamente gibt – das geht einfach nicht.“Apotheker Christoph Behrendt
Letztlich seien die Ursachen für die aktuelle Situation vielfältig und kaum schnell zu lösen, doch: „Dass es in einem reichen Land wie Deutschland für die Kleinsten keine Medikamente gibt – das geht einfach nicht“, sagt Behrendt. Nicht zuletzt sei die Herstellung von Medikamenten die ureigenste Tätigkeit von Apotheken – auch wenn das Gesundheitssystem immer stärker unter Sparzwang stehe.

Mit der pharmazeutisch-technischen Assistentin Katrin Bernard hat die Klosterringapotheke eine Mitarbeiterin, die das für die Medikamentenherstellung notwendige Know-how und Routine mitbringt. „Ich habe zuletzt in einer Apotheke in Frankfurt gearbeitet und wir haben für viele Kinderkliniken Medikamente hergestellt“, sagt sie.

Und während die Fertigmedikamente rar sind, konnte Roswitha Rebmann immerhin noch eine 500 Gramm-Packung reines Paracetamol in Pulverform bestellen. Schwieriger sei es schon gewesen, Dosierspritzen und Flaschen zu organisieren, denn die Apotheke will demnächst auch Fiebersaft herstellen.
Rebmann ist seit 1986 Apothekerin. Eine solche Situation habe sie in all den Jahren noch nicht erlebt. Umso glücklicher ist sie über das halbe Kilo Paracetamol.
In der Rezeptur, dem Arbeitsraum in der Apotheke, wird das weiße Pulver von Katrin Bernard verarbeitet. Zunächst wird der Trägerstoff, ein Hartfett, geschmolzen. Zusammen mit dem Wirkstoff werden daraus Zäpfchen. Was sich einfach anhört, setzt akribisch genaue Berechnungen und die perfekte Temperatur des Trägerstoffes voraus. „Der Wirkstoff muss sich ja gleichmäßig verteilen und darf nicht an einer Stelle absacken“, erklärt Katrin Bernard.
Genaue Berechnung ist wichtig
In falscher Dosierung kann Paracetamol die Leber schädigen, so dass vor allem bei den niedrigen Dosierungen für Kinder extrem genau gearbeitet werden muss. „Wir arbeiten dabei nach dem vier-Augen-Prinzip, auch schon bei der Berechnung“, sagt Katrin Bernard.

Die selbst gefertigten Zäpfchen darf die Apotheke sowohl auf Rezept als auch zum Selbstkostenpreis herausgeben. Und der ist schon mal eine Ansage: Zehn Zäpfchen à 125 Milligramm, im Normalfall für unter fünf Euro zu haben, kosten 23 Euro.
Preis deckt die Kosten nicht
Damit sei praktisch nicht einmal der Arbeitsaufwand gedeckt, sagt Christoph Behrendt. „Wir gehen da aber mit Absicht nicht in die Vollen.“ Mit Rezept vom Kinderarzt übernehmen die meisten Krankenkassen die Kosten.
Behrendt sieht die Politik vor einer Herkulesaufgabe stehen, eine grundlegende und nachhaltige Gesundheitsreform auf die Beine zu stellen. „Das Ganze muss man jetzt langsam mal auf eine vernünftige Basis stellen.“