Es ist noch nicht lange her, da standen hier noch große, alte Bäume. Dann wurde im Wald zwischen der B 523 und dem Schwenninger Industriegebiet Ost mit Vollerntern eine breite Schneise geschlagen für eine Anbindungsstraße.
Nachdem der Gemeinderat das über zehn Millionen Euro teure Projekt Ende 2020 wieder gekippt hatte, war klar, das Forstamt muss das Gebiet wieder aufforsten. Damit wurde jetzt begonnen, allerdings nicht wie üblich.

Forschungsprojekt
Am Donnerstag pflanzten Mitarbeiter eines beauftragten Unternehmens 1200 junge Dougalsien in drei abgesteckten Bereichen auf einer Fläche von insgesamt einem Hektar. „Das entspricht etwa einem Drittel der gerodeten Fläche in diesem Bereich“, erklärt Forstamtsleiter Tobias Kühn.

Initiiert wurde die Pflanzung von Sarah Löffler aus Unterkirnach. Die 25-Jährige studiert Forstwirtschaft in Rottenburg. Mit dem Versuchsfeld will sie aufschlussreiche Daten für ihre Abschlussarbeit gewinnen. Das Forstamt VS unterstützt sie dabei, nicht ganz ohne Eigeninteresse.

Die Untersuchung
Denn Löffler untersucht, welche Auswirkungen sogenanntes Hydrogel sowie spezielle Pflanztabletten auf das Anwachsen und das Wurzelwachstum von jungen Bäumen haben. 400 Bäume werden ohne Zusatz ganz konventionell gepflanzt, 400 Stück zusammen mit jeweils 1,5 Litern Hydrogel im Pflanzloch, das zuvor aus einem Granulat und Wasser angerührt wurde.

20 Kilogramm dieses Granulats können 1000 Liter Wasser aufnehmen und speichern.
Im dritten Bereich wird den Jungbäumen eine kleine Tablette mit auf den Weg gegeben, die sich später durch Niederschläge mit 180 Millilitern Wasser vollsaugen kann und den Pflanzen so als Wasserreservoir dient.

Beide Zusatzstoffe sollen vollständig ökologisch abbaubar sein. Löffler dokumentiert die Wurzeln bei ihrem Versuch ganz genau, jetzt und in einem Jahr. Im kommenden Aprill will sie den Zuwachs an Wurzelmasse der einzelnen Bereiche auswerten und aus den Daten mögliche Rückschlüsse über die Wirksamkeit der drei Methoden ziehen.
Hintergrund
Das Problem beim Aufforsten ist nämlich, dass vor allem in trockenen Jahren viele Jungpflanzen eingehen. Dann muss kostenintensiv nachgepflanzt werden. „Die Douglasie ist eigentlich ein Baum, der das wärmer und trockener werdende Klima gut verträgt. Allerdings sind die Bäume in jungen Jahren sehr empfindlich gegenüber Trockenphasen“, erklärt Kühn. Durch die Forschung von Sarah Löffler erhofft er sich Erkenntnisse, ob Hydrogel oder Tabletten ein Modell für künftige Pflanzungen im VS-Forst sein können. Würde man nicht aktiv aufforsten, würde erst eine wilde Heckenlandschaft entstehen.
30 bis 40 Jahre später könne man dann von einem waldähnlichen Bereich sprechen, so Kühn. So viel Zeit soll aber nicht vergehen, da ist sich auch Löffler sicher. Sorge bereiten ihr vor allem die vielen abgestorbenen Bäume im Schwarzwald. Dagegen will sie mit ihrer Forschung einen Beitrag leisten. Beim aktiven Aufforsten können Experten zudem solche Baumarten vorauswählen, von denen sie glauben, dass sie dem fortschreitenden Klimawandel am besten gewappnet sind.
Kosten
Etwa 2,7 Hektar Wald muss das Forstamt im Bereich der Schneise wieder bewalden. „Mit Nadelholz entstehen dafür Kosten zwischen 6000 und 10 000 Euro, mit Laubbäumen etwas mehr“, rechnet der Forstamtsleiter vor. Der Bereich der Versuchsfläche wird jedoch noch teurer, da er eingezäunt werden muss, um Wild und Mensch auf Distanz zu halten, die das Ergebnis verfälschen könnten. Außerdem ist die Pflanzung mit Hydrogel deutlich aufwändiger, was weitere Kosten verursacht. Die restlichen Bereiche in Richtung Industriegebiet sollen ab Herbst nach und nach konventionell mit Erlen und Bergahorn bepflanzt werden. In geschützten Bereichen kann sich Kühn auch Weißtannen vorstellen.
Unbekannte Variablen
Um die Wirkung des Gels und der Tablette am Ende aus den Daten herauslesen zu können, muss auch das Wetter ein wenig mitspielen. Ein Jahr, das aus dem langjährigen Trend des Klimawandels ausscheren würde, könnte die Ergebnisse verfälschen. Bedeutet: Wenn es 2021 viel regnet, bringen Hydrogel und Tabletten vermutlich nur geringfügige Verbesserungen beim anwachsen, so die Annahme. „Wenn wir am Ende feststellen, dass Hydrogel und Tabletten keine ökonomischen Vorteile bringen, dann lassen wir es auch wieder“, erklärt Kühn. Oder das Forstamt experimentiert an anderer Stelle weiter.
Nächstes Projekt
Schon jetzt stehe ein weiteres Forschungsprojekt eines Studenten in den Startlöchern. „Erst gestern fand ein Treffen und eine Waldbegehung dazu im Villinger Wald statt“, so Kühn. Dabei gehe es darum, im Wald verstreut kleine Seen und Tümpel anzulegen. Hintergrund dieser Idee ist, bei Waldbränden immer Löschwasser parat zu haben. Nicht abwegig, denn Kühn bilanziert eine deutlich ansteigende Kurve von bislang nur kleineren Waldbränden in den vergangenen Jahren. Solche Wasserbereiche könnten zudem auch für die Bewässerung junger Bäume sowie als Lebensraum für Amphibien und andere Tiere dienen.