Über Stunden wird eine 80-Jährige am Telefon terrorisiert. Angeblich sei die Tochter im Gefängnis. Damit sie wieder frei komme, müsse ein Betrag von 10.000 Euro an die Justizbehörden übergeben werden, wird ihr von unbekannten Betrügern vorgegaukelt. Sie wird dermaßen unter Druck gesetzt, dass sie die Summe sogar abhebt. Allerdings platzt der Betrug in letzter Sekunde.

„Das Geld ist, Gott sei Dank noch da“, sagt Tochter Meike Hackenbruch. Sie will die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren, weil die Betrüger immer professioneller vorgehen würden.

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Kurz vor Fastnacht erhält die 80-Jährige den verhängnisvollen Anruf. Er ging auch noch auf dem Handy der Villingerin ein, deren Nummer eigentlich nur die Mitglieder der Familie kennen. Sie war also arglos, als sie sich meldete, und wenig später zutiefst geschockt. Eine Stimme machte ihr klar, dass die Tochter einen Verkehrsunfall verursacht habe und im Gefängnis sitze. Dann hört die 80-Jährige die Worte „Mama, Mama, hol mich hier raus“.

Am Handy schutzlos ausgeliefert

Die 80-Jährige schreibt den Hilferuf der Tochter zu. Dass es sich um einen Betrug handeln könnte und eine Kriminelle die Stimme der Tochter imitiert, wird ihr nicht klar, möglicherweise auch deswegen, weil sie emotional so aufgewühlt ist. Den Hörer ihres Festnetztelefons musste sie neben den Apparat legen, so ist sie über Stunden nur über Handy erreichbar und damit dem Psychoterror der Kriminellen schutzlos ausgeliefert, berichtet die Tochter.

Immer wieder rufen die Betrüger auf dem Handy der Seniorin an, schüchtern sie massiv ein. Dann solle sie zur Bank gehen, um dort 10.000 Euro abzuheben. Die Bankmitarbeiter fragen ebenfalls nicht nach, verpacken das Geld in zwei Umschläge. Dann soll die Villingerin nach Heilbronn fahren, um dort das Geld am Gericht abzugeben.

Die Tochter schreitet ein

Bevor es soweit kommt, erreicht Meike Hackenbruch ihre Mutter. Sie kann den Betrugsanruf schnell aufklären, alarmiert die Polizei und zeigt den Fall an. Hackenbruch möchte aber nun auch die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren, zu realitätsnah verlaufen aus ihrer Sicht die Anrufe.

„Meine Mutter wurde richtiggehend terrorisiert.“
Meike Hackenbruch

Dabei wurde geschickt mit einer Drohkulisse gearbeitet, die für die alte Frau nicht einfach zu durchschauen gewesen sei. So solle die Tochter bei dem Unfall jemanden getötet haben, nun sei eine Anhörung beim Richter angesetzt.

So kommen die Täter an Telefonnummern

All das zu überblicken, sei für die 80-Jährige schwierig gewesen, meint die Tochter. Hinzu komme, dass die Anrufer die private Handynummer kannten. Wie die Betrüger daran kommen konnten, ist für Hackenbruch ein Rätsel. Für Jörg-Dieter Kluge, Sprecher am Polizeipräsidium Konstanz, ist dies aber gar nicht einmal so ungewöhnlich. Immer wieder würden Datenbanken von Mobilfunkanbietern gehackt, berichtet er, dann würden Daten sehr schnell auf den Markt kommen. Das machen sich organisierte Banden, die oft von der Türkei aus operierten, zunutze.

In einzelnen Fällen gelingen der Polizei auch Ermittlungserfolge, konnte sie der Hintermänner habhaft werden. Meist sei es schwierig, weil die Banden selbst auch vorsichtig agieren, wie jetzt in dem Fall der 80-Jährigen. Als die Anrufer Verdacht schöpften, dass ihr Betrug aufgeflogen war, meldeten sie sich einfach nicht mehr.

Polizei rät: Gespräche abbrechen

„Wir können nur gebetsmühlenartig appellieren, vorsichtig zu sein“, sagt Kluge. Lieber das Gespräch abbrechen und selbst bei den Angehörigen oder im Zweifelsfall bei der Polizei direkt anrufen, rät er. Er weiß aber auch, wie schwer das gerade alten Leuten fallen kann, die unter Druck gesetzt werden. Das sei eben sehr oft richtig perfide.

Banken agieren unterschiedlich

Für die Tochter Meike Hackenbruch stellt sich auch die Frage, warum die Bank das Geld so bereitwillig aushändigte, obgleich die Mutter seit mindestens zwei Jahren nicht mehr am Schalter war, da sie die Bankgeschäfte der Tochter überlassen habe. Das sei ein schwieriges Thema, vor allem wenn die Betroffene geschäftsfähig ist, räumt Kluge ein. „Wir können da nur sensibilisieren“, sagt er. Manche Banken seien da schon sehr weit, haken auch einmal nach, andere noch nicht.

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Zwar sind viele der Praktiken inzwischen bekannt, doch für die Banden zahlt es sich im Fall des Falles aus. Wenn unter 500 Anrufen nur einer nicht auflege und auf den Trick hereinfalle, könne es sich für die Kriminellen lohnen. Meist geht es um fünfstellige Summen bis zu „40.000, 45.000 Euro“, berichtet Kluge.