Dennoch vertritt er gerne bei diesen Demos seine Meinung, die allgemein unter dem Begriff einsortiert werden. „Ein Grundrecht“, so Lutze, welches er nun eingeschränkt sieht.

Denn die Demo in Villingen, die für den 9. Mai angemeldet war, wurde vom Landratsamt vor wenigen Tagen verboten mit Bezug auf die hohen Infektionszahlen im Landkreis, die derzeit zu den höchsten in ganz Baden-Württemberg zählen.

„Warum?“, fragt sich Lutze. Vor einer Woche habe eine Kundgebung der Antifa in Schwenningen ja auch stattfinden dürfen. Demonstrationen, die sich gegen das politische Vorgehen in der Pandemie sowie die Corona-Verordnung richten, würden von vornherein anders behandelt aufgrund vieler Vorurteile, da ist er sich sicher. „Hier wird versucht, Menschen mundtot zu machen. Das mag ich nicht“, sagt der selbstständige Handwerker. Die Schwenninger Antifa-Demo war jedoch viel kleiner und damit epidemiologisch unkritischer eingestuft worden.

Bei bis zu 1000 erwarteten Teilnehmern aus Nah und Fern mit Treffpunkt in der beengten Villinger Fußgängerzone, das war der Verwaltung ein zu großes Risiko. Weitere Details zur Begründung können Sie hier nachlesen. Ab einer Inzidenz von 50 ist das Landratsamt für solche Entscheidungen zuständig, ansonsten die Stadtverwaltung. Am Donnerstagmorgen wurde nun der Eilantrag der Veranstalter gegen diese Entscheidung vom Verwaltungsgericht Freiburg ebenfalls abgelehnt.

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Nicht auf Grundrecht verzichten

Der 41-Jährige streitet nicht ab, dass solche Veranstaltungen auch von Nazis, Reichsbürgern oder Verschwörungstheoretikern als Plattform genutzt werden. Von solchen Gruppen grenzt er sich jedoch klar ab. „Ich leugne Corona nicht und nehme auch die Gefahren der Krankheit ernst.“ Warum er dennoch zusammen mit Anhängern extremer Gruppen auf die Straße geht, erklärt er so: „Das kann man ja nicht verhindern. Wie soll man kontrollieren, wer zur Demo kommt? Man sieht es den Menschen ja nicht an.“ Und deswegen auf sein Grundrecht verzichten, das will er nicht. „Wenn jeder deshalb nicht teilnimmt, dann gibt es bald keine Demos mehr“, argumentiert er.

Instrumentalisieren lasse er sich von solchen Gruppen nicht. Daher vertrete er seine Meinung auch in Kommentaren in den Sozialen Medien, wo sich Teilnehmer austauschen und der Protest organisiert wird. Mit dieser Haltung sei er dort auch nicht alleine. Viele ganz normale Menschen, die einfach nicht mit der Corona-Politik einverstanden sind, Krankenschwestern, Pfleger oder Arbeiter, seien dort vertreten.

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Genehmigung unter strengeren Auflagen

Seiner Meinung nach spreche nichts dagegen, die Demonstration am 9. Mai stattfinden zu lassen. Wenn nicht in vollem Umfang, dann eben unter verschärften Auflagen und mit weniger Teilnehmern. „Und wenn sich Veranstalter dann nicht an die Auflagen halten, kann die Demo aufgelöst werden“, schlägt der 41-Jährige vor. Dann hätten Organisatoren ihre Chance vertan. Sie jedoch von vornherein zu verbieten, sei der falsche Weg. „Mann muss sich nicht wundern, wenn normale Bürger anfangen, sich zu radikalisieren“, äußert er seine Meinung. Besser sei das in Tuttlingen geregelt. Dort würden ähnliche Veranstaltungen immer gut funktionieren und es gebe kaum Probleme. Anmerkung der Redaktion: Bislang bewegten sich die Veranstaltungen dort in kleinerem Rahmen.

Am kommenden Sonntag will sich Lutze an das Verbot halten. „Wenn eine Veranstaltung nicht erlaubt ist, gehe ich auch nicht hin.“ Dass am Sonntag trotz Verbot viele Demonstranten nach Villingen kommen, daran glaubt er nicht.

Angst vor Konsequenzen

„Viele trauen sich gar nicht mehr, sich öffentlich zu äußern, aus Angst, von Gesellschaft und Medien in eine Ecke gestellt und abgestempelt zu werden“, erklärt er Vorbehalte vieler Teilnehmer solcher Demos. Als Beispiel nennt er die Aktion „Alles dichtmachen“ von Schauspielern, die zuletzt für massive, öffentliche Kritik gesorgt hatte. Wer sich öffentlich äußere, müsse mit negativen Konsequenzen rechnen, so Lutze. Bei der Aktion wurden in kurzen Videos die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung kritisiert. Zustimmung kam aus dem Lager der Querdenker. Einige Schauspieler distanzierten sich daraufhin. Nicht so Volker Bruch, der laut Medienberichten einen Mitgliedsantrag bei der Querdenker-Partei gestellt hat.

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Impfpflicht und Ausgangssperren

Das Verbot ist nicht das einzige, was Lutze an der Corona-Politik stört. Er selbst habe wirtschaftlich keine Sorgen und sobald möglich, will er sich auch impfen lassen. Eine Impfpflicht, die seiner Meinung nach durch Freiheiten für Geimpfte indirekt Formen annehme, lehnt er strikt ab, sagt aber: „Ich bin sicher, dass das so kommen wird.“ Ausgangssperren hält er für unwirksam und die Corona-Politik der Regierung konzeptlos. Rückblickend sei man von einem Lockdown in den nächsten geschlittert, ohne konkrete Perspektiven. Besser wäre es laut Lutze gewesen, das Land konsequent für drei bis sechs Wochen herunterzufahren, klar geregelt, mit geschlossenen Grenzen und ohne Ausnahmen an verschiedenen Stellen. Warum seien Parteitage im Lockdown möglich, während er seine Familie nicht treffen dürfe? Und er fragt sich, warum Einzelhandel und Gastronomie noch immer geschlossen sind, während Großbetriebe und Industrie kaum eingeschränkt wurden.

Im Juli wird der 41-Jährige erstmals Vater. Darauf freut er sich. Unsicher ist er jedoch, ob er seine Frau dabei mehr als eine Stunde lang begleiten darf. Die gute Nachricht: Im Schwarzwald-Baar Klinikum zum Beispiel dürfen Partner im Kreißsaal durchgehend bei der Geburt dabei sein.