Die Startphase des Strafverfahrens gegen die ehemaligen Vorstände der einstigen Hess AG in Villingen, Christoph Hess und Peter Ziegler, brachte bislang neben einer längeren „Corona-Pause“ auch eine inhaltliche Überraschung. Die beiden Angeklagten haben nach sieben Verhandlungstagen keinen der Vorwürfe eingeräumt, sondern ihre Verteidigung konsequent darauf aufgebaut, sämtliche Anschuldigungen zurückzuweisen.

Im Fokus bislang standen vor allem die Vorwürfe, dass im Geflecht der Firmen innerhalb des einstigen Hess-Konzernverbundes und weiterer von ihm abhängiger Betriebe Rechnungen hin- und hergeschoben sein sollen, um Umsätze in Millionenhöhe vorzugaukeln, die nicht vorhanden waren. Das alles soll der Manipulation der Bilanz gedient haben, um einen erfolgreichen Börsengang des Villinger Leuchtenherstellers im Jahre 2012 zu ermöglichen.

Doch beim Vorwurf der Bilanzmanipulation zeigte sich die Verteidigung bisher bestens präpariert. Vor allem Peter Ziegler, der ehemalige Finanzvorstand des Unternehmens, wehrt sich akribisch. Fast allen Vorwürfen von illegalen „Luftbuchungen“, „Schein- und Kreisgeschäften“ stellte er eine plausible buchhalterische Erklärung entgegen. Sein Vorwurf an die Ermittler: Sie hätten sich stets nur auf vermeintlich verdächtige Zahlungsein- und -ausgänge konzentriert ohne deren inhaltliche Begründungen zu recherchieren.

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Vor allem hat die Verteidigung nach dem Eindruck der Prozessbeobachter plausibel dargelegt, dass es in dem Unternehmen sehr wohl aufwändige Entwicklungsleistungen gegeben hat, die im Zuge des Börsengangs bilanztechnisch aktiviert wurden, um die Eigenkapitalbasis zu verbessern. Diese Ausführungen stehen in scharfem Kontrast zur Anklageschrift, die in der Entwicklungsgesellschaft der Hess AG quasi die Drehscheibe eines manipulativen Systems ausgemacht hat.

Doch nach dem bisher Gehörten sind wir weit weg von eindeutigen Sachverhalten und einem Schuldspruch. Die Angeklagten gehen inzwischen davon aus, dass die Verwürfe der Scheingeschäfte vom Tisch seien. Es könnte allenfalls noch um die Frage gehen, ob bei der Höhe der angesetzten Rechnungen getrickst wurde. Sollte sich diese Einschätzung bewahrheiten und es der Staatsanwaltschaft tatsächlich nicht gelingen, die Erklärungen Zieglers zu erschüttern, wäre ein tragender Pfeiler der Anklage zusammengebrochen. Für diesen Fall stellten sich weitreichende Fragen, an deren Konsequenzen man lieber nicht denken mag: Nämlich die, wie solide hier ermittelt wurde und ob ein Unternehmen durch falsche oder fehlerhafte Anschuldigungen mit einem gigantischen Schaden in Insolvenz ging?

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Doch für derlei Schlussfolgerungen ist es noch viel zu früh. Bislang hört das Gericht nur geduldig zu, was die Angeklagten zu sagen haben. Dies wird sich noch bis Januar fortsetzen. Erst wenn sich die Ex-Chefs zu allen Tatkomplexen geäußert haben, geht das Gericht in die „heiße Phase“ der Beweisaufnahme. Dann werden Zeugen gehört, Ermittlungsergebnisse präsentiert und die Angeklagten damit konfrontiert. Ob sich das bisherige Bild dann noch einmal dreht? Es bleibt jedenfalls spannend in diesem Verfahren um ein Unternehmen, dessen Aufstieg und Fall die Menschen in der Stadt über Jahre hinweg bewegt haben.