Auch am Mittwoch setzte die Verteidigung im Hess-Prozess ihre Linie fort, die gegen Christoph Hess und Peter Ziegler erhobenen Vorwürfe der Bilanzmanipulationen akribisch als Irrtum der Anklage zurückzuweisen. Dieses Mal ging es um Millionen-Geschäfte im superreichen Emirat Katar in Verbindung mit dem schillernden Frankfurter Künstler, Lichtdesigner, Erfinder und Unternehmer Thomas Emde (61).
Wie der Angeklagte Peter Ziegler dem Gericht erläuterte, wollte die Villinger Hess AG vor ihrem Börsengang unbedingt die Firma Emdelight, ein Unternehmen von Thomas Emde, in ihren Konzern übernehmen. Emdelight war zwar wirtschaftlich laut Ziegler eher ein Sanierungsfall. Allerdings habe Thomas Emde nicht nur über tolle Design-Idee verfügt, sondern auch über glänzende Kontakte in Katar, „an die wir sonst nicht rangekommen wären“. Und in Katar winkte das große Geld. Daher übernahm Hess Emdelight vollständig und beteiligte sich an zwei weiteren Emde-Firmen anteilig.
Im Emirat konnte sich Emdelight zwei große, lukrative Aufträge sichern, in die auch die Hess AG eingebunden wurde. Allerdings wirft die Staatsanwaltschaft den ehemaligen Firmenvorständen Hess und Ziegler vor, auch in diesen Fällen nur Luftbuchungen durch Kreisgeschäfte vorgenommen zu haben. Denn festgestellt wurde von den Ermittlern, dass die Hess AG Emdelight in einem Fall 2,2 Millionen Euro in Rechnung gestellt hatte, die dann einige Monate später wieder in vergleichbarer Höhe zurückerstattet wurden. Das Gleiche geschah in einem weiteren Geschäft ebenfalls in der zweiten Jahreshälfte 2011. Dabei ging es um rund 2,5 Millionen Euro. Schlussfolgerung der Ermittler: Da wurden Geldbeträge nur auf dem Papier hin- und hergeschoben, ohne dass eine tatsächliche Lieferung stattgefunden habe. Scheingeschäfte also, um die Bilanz aufzupolieren.
Diesen Vorwurf zerpflückte der Anwalt von Peter Ziegler, Tony Rostalkski, in einer ausführlichen Präsentation. Hintergrund der Verrechnungen seien keinesfalls Kreisgeschäfte. Vielmehr habe die finanziell klamme Firma Emdelight die beiden Aufträge angenommen, sei aber nicht in der Lage gewesen, das Projekt zu finanzieren. Die Hess AG sei daher für das Frankfurter Unternehmen eingesprungen unter der Bedingung, damit den gesamten Auftrag federführend zu übernehmen: Die Finanzierung und zugleich die vollständige Beschaffung und Lieferung der Produkte und sonstiger Leistungen. Wobei die Hess AG diese Übernahme auch mit anderen Zulieferern, darunter auch der Emdelight selbst, bewerkstelligte.
Deshalb habe die Hess AG der Emdelight die Gesamtkosten mit einer 14-prozentigen Gewinnmarge in Rechnung gestellt. Als schließlich die Emdelight nach einigen Monaten ihr Geld vom Auftraggeber in Katar bekam, hat sie den Aufwand der Hess AG zurückgezahlt. Fazit des Anwalts: Es handle sich bei diesen Rechnungen also keineswegs um einen abstrakten Geldfluss auf dem Papier, es hätten tatsächliche Leistungen zugrunde gelegen, formulierte der Anwalt. Er untermauerte dies mit Verträgen und Schriftverkehr. Kein Scheingeschäft also, wie die Anklage behaupte, sondern ein nicht unübliches Kettengeschäft, bei dem die Hess AG Lieferverpflichtungen für die Emdelight übernommen habe. Die Staatsanwaltschaft hätte dies erkennen können, wenn sie sich nicht einzig auf die Zahlungsflüsse konzentriert, sondern diese inhaltlich betrachtet hätte, so der Anwalt.
In einer recht allgemein gehaltenen Stellungnahme wies auch der ehemalige Vorstandvorsitzende der Hess AG, Christoph Hess, den Vorwurf zurück, dass die Firma Hess mehrere Drittfirmen, wie beispielsweise die Gießereien, die für das Unternehmen produzierten, vor allem genutzt habe, um Scheinrechnungen zu erstellen. Da die Firma Hess ihre Gießerei in Villingen im Zuge einer Neuausrichtung aufgegeben habe, sei sie auf externe Gießereien angewiesen gewesen. Um ihre Produktion zu sichern, habe man sich daher an mehreren Firmen mehrheitlich beteiligt oder sie wirtschaftlich gestützt.