Die Corona-Pandemie verschärft die ohnehin schon schlechte Finanzlage der Stadt in diesem Jahr dramatisch. Die finanziellen Auswirkungen dürften die Stadtverwaltung und die Bürger noch auf Jahre hinaus schwer belasten.

Kampfabstimmung
Der Gemeinderat beschloss am Mittwoch erste pauschale Einsparmaßnahmen. Beschlossen wurde bei den geplanten Investitionen eine Kürzung von 21,2 Millionen Euro. Von einer Haushaltssperre ausgenommen wurden aber sämtliche bisher gewährten Zuschüsse an Vereine, Verbände und an die freien Träger von Kindergärten und Horten. In einer Kampfabstimmung setzten sich Grüne, Freie Wähler und SPD mit knapper Mehrheit durch, die Vereine und Kindergartenträger vor möglichen finanziellen Einschnitten zu verschonen.
Der Blick in die Streichliste bei den Investitionen zeigt aber, dass die Rathausspitze offenbar nur jede Menge Baumaßnahmen gekürzt hat, die sie in diesem Jahr vermutlich ohnehin nicht geschafft hätte. Größter Batzen in diesem Streichkonzert sind vier Millionen Euro, die für den Kauf des Mangin-Kasernenareals der Stadt vom Bund im Haushalt standen. Allerdings hat die Stad dafür bislang gut zehn Millionen Euro eingeplant, tatsächlich sollen nach neuesten Zahlen für das Grundstück nur gut Millionen benötigt werden, so dass sich vier Millionen leicht aus dem Etat streichen lassen.

Drei Ursachen
Stadtkämmerer Hans Kech erläuterte dem Gemeinderat, dass die kritische Finanzlage der Stadt drei Ursachen hat. Zum einen laufen der Stadt immer mehr die Ausgaben davon, so dass für 2020 bereits ein Defizit von 23 Millionen Euro eingeplant war. Hier rächt es sich, dass es die Rathausspitze versäumt hat, bereits 2019 massive Einsparmaßnamen einzuleiten. Weitere zwei Millionen Euro Verluste kommen jetzt unerwartet auf die die Stadt zu als Folge der Waldschäden durch den Orkan „Sabine“ im Februar. Die dritte und größte Ursache ist die Corona-Krise.

Corona-Ausfälle
Kech rechnet damit, dass durch den wirtschaftlichen Einbruch infolge der Schließung zahlreicher Unternehmen und Betriebe die Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt um 50 Prozent einbrechen. Das wäre ein weiterer Verlust von 31,5 Millionen Euro. Mit zwei Millionen Euro Verlusten rechnet die Stadt bei der Vergnügungssteuer, den Kindergartengebühren und anderer Einnahmen. Wie hoch die Ausfälle bei der Umsatz- und Einkommenssteuer ausfallen, wagt Kech nicht zu prognostizieren. CDU-Fraktionschef Klaus Martin äußerte die Vermutung, dass dort weitere zehn Millionen Euro wegbrechen. Damit läge das Minus der Stadt allein in diesem Jahr bei knapp 70 Millionen Euro. Ob und wie viel von diesem einmaligen Finanzdebakel der Nachkriegszeit durch Hilfspakete von Bund oder Land ausgeglichen wird, ist derzeit noch nicht bekannt.

Gegenmaßnahmen
Die Verwaltungsspitze der Stadt schlug dem Gemeinderat als Sofortmaßnahme vor, die Budgets der einzelnen Ämter, also die laufenden Ausgaben, bis auf einige Ausnahmen um 30 Prozent herunterzufahren. Wie viele Millionen damit gespart werden können, blieb vorerst offen. Zweiter Vorschlag: 20 Prozent der Zuschüsse der Stadt an die örtlichen Vereine, Verbände und freie Träger von Kitas und Horten sollen vorerst „gesperrt“ werden. Und drittens soll die Stadt die vorgesehenen Investitionsmaßnahmen in diesem Jahr um 21 Millionen Euro kürzen.
Massive Kritik
Dazu wurde dem Gemeinderat eine lange Exeltabelle vorgelegt, auf denen die Streichvorschläge gelistet wurden. Das Papier stieß in seiner schlechten Präsentation und aufgrund fehlender Priorisierung auf massive Kritik im Gemeinderat. Die Freie Wähler verlangten gar eine Absetzung des Tagesordnungspunktes und eine Sondersitzung, was aber von der Mehrheit abgelehnt wurde.

Das Streichkonzert
Dem Rotstift bei den Investitionen sollen nach Vorschlag der Verwaltung zahlreiche Baumaßnahmen bei Schulen, Kindergärten, Straßen und Sportanlagen zum Opfer fallen. Wobei die Stadt dabei vorwiegend die Taktik verfolgt, keine Projekte vollständig zu streichen, sondern meist nur Teilbeträge. Beispiel ist die Sanierung des maroden Sportplatzes am Hoptbühl. Dafür sind dieses Jahr knapp zwei Millionen Euro eingeplant. Das Hochbauamt schlägt vor, diesen Betrag für 2020 um eine halbe Million Euro zu kürzen. Nächstes Jahr soll dann die Maßnahme vollendet werden. Ähnlich sieht es bei der Brandschutzsanierung im Haus 2 der Karl-Brachat-Realschule aus. Dort ist ein Mitteleinsatz von einer Million Euro in diesem Jahr geplant, vorgeschlagen wird eine Kürzung auf 500 000 Euro und die Vollendung der Maßnahme in 2021.

Auf diese Weise soll auch der Umbau der Schwenninger Friedensschule zur Ganztagsschule von 1,5 auf eine Million Euro gekürzt werden. Härter soll es die Goldenbühlschule treffen: Die geplante Brandschutzmaßnahmen sollen von 500 000 auf 100 000 Euro heruntergekürzt werden. Auch die Sanierung Gartenschule und mehrere bauliche Investitionen auf dem Manginareal sind mit einigen hunderttausend Euro betroffen, ebenso die weitere Sanierung der Villinger Ringanlagen. Diese und viele weitere Bauvorhaben sollen offenkundig auf diese Weise zeitlich gestreckt werden. Komplett ins nächste Jahr verschoben werden soll der Umbau und die Sanierung des Friedengrundstadions (jetzt: MS Technologie Arena).

Noch immer ein Investitionsberg
Man kann allerdings voraussetzen, dass die Technischen Ämter der Stadt diese Maßnahmen auf der Streichliste in diesem Jahr ohnehin nicht hätten umsetzen können. Denn auch nach Streichung dieser 21 Millionen muss das Hochbau- und Tiefbauamt in diesem Jahr noch immer Baumaßnahmen über 45 Millionen Euro stemmen. Das ist noch immer doppelt soviel wie in „normalen Jahren“. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre werden die Ämter selbst diese 45 Millionen Euro in diesem Jahr nicht verbauen können, so dass die bisherigen Streichungen ohnehin nur eine gewisse Anpassung und Annäherung an die tatsächlichen Leistungsmöglichkeiten der Stadt sind.
Ob die Streichliste allerdings in der jetzt vorgelegten Form überhaupt Bestand hat ist noch eine ganz andere Frage. Denn mehrere Fraktionssprecher im Gemeinderat machte dem OB und dem Baubürgermeister am Mittwoch klar, dass sie über die Prioritäten, was gemacht und was nicht gemacht wird, in den nächsten Sitzung im Juni und Juli noch einmal nachhaltig mitdiskutieren wollen.

Das wurde beschlossen
Am Ende der Gemeindertsitzung lehnte eine knappe Mehrheit (vor allem Grüne, Freie Wähler, und SPD) die Mittelsperrungen bei den Vereins- und sonstigen Zuschüssen ab. Die verheerenden Folgen für das ehrenamtliche und soziale Engagement stünden in keinem Verhältnis zum bescheidenen Einsparbeitrag von 400 000 Euro, verdeutlichten mehrere Redner.
Diese Summe sei lediglich ein „Nasenwasser“ angesichts des sich auftuenden Haushaltslochs von an die 70 Millionen, sagte etwa Joachim von Mirbach (Grüne) Breite Zustimmung gab es im Rat für die 30-prozentige Haushaltssperre bei Sachausgaben und Dienstleistungen. Einstimmig beauftragte der Rat auch die Verwaltung, schnellstmöglich Einsparvorschläge für die städtischen Gesellschaften vorzubereiten. Die Kürzungen bei den Investitionen wurden mit knapper Mehrheit gebilligt. Hier forderten gleich mehrere Stadträte vom OB mehr Transparenz und Mitsprache in den nächsten Wochen.