Das blau-weiße Papierfähnchen mit dem Stern in der Mitte, rund 15 mal 20 Zentimeter groß, ist für Susanne Knötschke wichtig. Die Doppelstädterin will mit der kleinen Flagge ihre Solidarität für den Staat Israel zeigen. Doch jetzt wurde ihr das Fähnlein fast zum Verhängnis.

Ein wenig ungläubig klingt ihre Stimme immer noch, wenn Susanne Knötschke von den beiden Tage vor wenigen Wochen erzählt.

Es ist 13 Uhr, Schulschlusszeit, als sie mit ihrer Tasche samt wippender Mini-Fahne im Schwenninger Supermarkt unterwegs ist. Seit einigen Wochen trägt sie diese mit sich, um ein Zeichen zu setzen, wie sie selbst sagt. Israel interessiert die Doppelstädterin schon seit vielen Jahren.

Plötzlich springt die Gruppe auf

Zur gleichen Zeit hält sich im Einkaufsmarkt auch ein Grüppchen Jugendlicher auf. Fünf Jungs, etwa fünfte bis achte Klasse, schätzt Knötschke.

„Scheiß Juden“, rufen sie laut Knötschke im Chor, springen auf und umringen die Frau. Einer habe an der kleinen Fahne gezerrt, das dünne Papier sei abgerissen. Die Jungen hätten die Israel-Flagge zerknüllt, gar versuch, sie anzubrennen.

„Stopp“, habe sie gerufen, so Susanne Knötschke. Sie habe sich befreit aus dem Pulk, sei weitergelaufen, die Jungen hätten ihr Schimpfworte hinterhergerufen.

Jahrelanger Einsatz für Flüchtlinge

„Ich hatte plötzlich Angst“, sagt sie noch heute, wenn sie an den Vorfall denkt. „Richtig Angst.“

Sie, die sich in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis christlicher Kirchen (ACK) jahrelang um syrische und arabische Familien gekümmert hat. Die mit den Kindern die deutsche Sprache geübt, mit ihnen gespielt, den Eltern bei Alltagsproblemen geholfen hat und sogar zu Hochzeiten eingeladen war – sie fürchtet sich auf einmal.

Israelfeindliche Vorfälle gibt es in der Region immer wieder. Gehäuft beispielsweise im vergangenen November, kurz nach dem Hamas-Angriff: Die israelischen Fahnen vor den Rathäusern in Villingen und Schwenningen wurden gestohlen, ein Gedenkstein am Bahnhof zerstört, die Schneckenbrücke mit antisemitischen Parolen besprüht. Aufgeklärt werden konnten diese Fälle bis heute nicht.

Von Beleidigung bis Volksverhetzung

Von Fällen wie dem von Susanne Knötschke, in denen Leute direkt beleidigt oder bedrängt wurden, kann die Polizei zwar nicht berichten. Nach Angaben von Polizei-Pressesprecher Marcel Ferraro liegen hier keine Zahlen für den Schwarzwald-Baar-Kreis vor.

Oft, so weiß er, würden solche Vorfälle aber gar nicht zur Anzeige gebracht. Ferraro rät jedoch dazu, im Falle des Falles auf jeden Fall die Ordnungshüter zu kontaktieren. Die möglichen Tatbestände reichen hier von Beleidigung bis hin zur Volksverhetzung.

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Susanne Knötschke gehört zu denen, die keine Anzeige erstattet haben. Über alles reden, aber sachlich und fair – das ist ihr wichtig. Am liebsten, so sagt sie, würde sie in Moscheen sprechen und ihren Standpunkt erklären, sagt Knötschke.

Die Doppelstädterin versucht auch, mit den Schülern ins Gespräch zu kommen – auch bei einem zweiten, fast identischen Vorfall, der sich nur zwei Tage später im gleichen Einkaufsmarkt ereignet.

„Ihr könnt schon sagen, was ihr meint, sollt aber nicht persönlich oder gewalttätig werden“, sagt Susanne Knötschke den Jugendlichen. „Ich laufe hier nur rum und sage kein Wort, das muss doch auszuhalten sein“, meint sie.

Unterwegs mit Fahne – oder doch nicht

Dieser Tage war sie wieder in der Stadt unterwegs – ohne ihr Israel-Fähnchen. Irgendwie war ihr nicht mehr so recht wohl dabei. „Ich möchte Farbe bekennen, habe aber Angst bekommen“, gibt sie zu.

Doch die blau-weiße Flagge soll bald wieder ihre Tasche zieren. „Wenn ich sie nicht mehr mitnehme, hätte ich das Gefühl, ich hätte verloren“, stellt sie klar.