Silke Weidmann

„Jeder kommt mit einer Baustelle nach Tannheim – und an der arbeiten wir“, sagt Jan Holzmann, Sporttherapeut in der Nachsorgeklinik. So soll ein breites Spektrum in den vier Aufenthaltswochen geboten werden, „damit die Leute sehen, was für sie möglich ist“. Gerade die Eltern kranker Kinder seien oft schon seit Jahren nicht mehr dazu gekommen, etwas Neues auszuprobieren, oder sie haben unbehandelte Beschwerden.

Viele Jugendliche müssen sich nach einer schweren Erkrankung eine neue Sportart suchen. „Bei manchen fehlt nach langen Krankheitsphasen auch einfach das Selbstbewusstsein“, sagt der Therapeut.

Sie motivieren zur Bewegung: Die Sporttherapeuten Jan Holzmann (v. links), Isabel Babisch und Abteilungsleiter Günter Hermann.
Sie motivieren zur Bewegung: Die Sporttherapeuten Jan Holzmann (v. links), Isabel Babisch und Abteilungsleiter Günter Hermann. | Bild: Silke Weidmann

Die Sport- und Physiotherapie ist einer der Therapieschwerpunkte der Klinik. Die Leitlinien zum Verhältnis von Sport und Krankheit haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Früher sei man der Ansicht gewesen, sagt Abteilungsleiter Günter Hermann, dass bei schweren Erkrankungen zunächst Schonung angezeigt sei. Inzwischen geht man davon aus, dass Sport und Bewegung in angemessener Intensität bei jeder Krankheit möglich und wichtig sind.

Die Kunst dabei sei, durch die passenden Trainingsanreize genau das richtige Maß zu finden. Denn: Leistung, Kraft und Ausdauer kann man nicht konservieren. Ein wichtiges Reha-Ziel sei daher, eine dauerhafte Motivation bei den Leuten zu wecken, so der erfahrene Therapeut. „Bewegt euch, treibt Sport, es lohnt sich!“

Beim Sportprogramm ist jeder dabei

Während Physiotherapie je nach medizinischer Indikation verordnet wird, macht beim Sportprogramm so gut wie jeder mit während des Tannheim-Aufenthaltes. In der Einzeltherapie wird das Training individuell zugeschnitten und an den jeweiligen Zielen wie Kraft, Ausdauer, Motivation oder Beweglichkeit gearbeitet. „Beim Abschlusstest sind die Patienten oft selbst über ihre Veränderungen erstaunt“, sagt Sporttherapeut Jan Holzmann.

Zum Ausgleich suchen sich die Reha-Teilnehmer Gruppenaktivitäten aus. Kinder haben viel Spaß beim Bewegungsparcours in der Turnhalle. Für die Größeren werden auch Ballspiele und verschiedene Outdoor-Aktivitäten angeboten. Die Eltern nutzen gerne die Kurse in Aquafitness, Zirkeltraining, Yoga oder Nordic Walking, um den Kopf freizubekommen. Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen seien der neue Erlebnisparcours und die betreuten E-Bike-Touren sehr beliebt, so der Sporttherapeut. Alle Gruppen sind integrativ, das heißt Kranke und Gesunde treiben zusammen Sport.

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Wie vielerorts erfordert Corona auch in der Tannheimer Sport-und Physiotherapie Flexibilität bei Mitarbeitern und Patienten: „Die Masken sind für die Therapeuten schon eine gewisse Belastung“, sagt Günter Hermann.

Gerade in der Atemtherapie mit Mukoviszidose-Patienten sei es eine große Anstrengung, mehrere Stunden täglich mit einer FFP2-Maske zu arbeiten. Die physiotherapeutischen Behandlungen sind etwas verkürzt worden. Die übrige Zeit werde für Corona-Maßnahmen wie Lüften und Desinfizieren benötigt.

Diskussion um Maskenpflicht kann hier niemand nachvollziehen

Aber auch für die Therapeuten seien die kurzen Pausen wichtig, um zwischendurch immer wieder die Maske abnehmen zu können. Trotz allem: Die ganze Abteilung sei froh, dass die Rehas in Tannheim stattfinden können. „Als die Klinik im März schließen musste“, erinnert sich der Abteilungschef, „war das für alle ein trauriger Tag.“

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In der Sporttherapie mussten vor allem die Gruppen verkleinert werden. Man habe das Programm so geändert, dass genug Abstand gehalten werden kann und möglichst viel ins Freie verlagert, berichtet Jan Holzmann. Bei Aktivitäten in Innenräumen ohne fest zugeordnete Plätze tragen alle einen Mund-Nasen-Schutz. „Das läuft hier super, auch mit kranken Kindern“, sagt der Therapeut.

Die Diskussionen um die Akzeptanz von Masken und anderen Maßnahmen, wie sie „draußen“ teilweise stattfinden, könne in Tannheim kaum jemand nachvollziehen. Gerade weil man die Konzepte entsprechend geändert habe, sei vieles wieder möglich. „Dafür sind alle dankbar.“