Genießerpfad. So steht es verlockend am Waldparkplatz. Hier, an der Villinger Tannenhöhe, ballt sich beinahe schon traditionell der Freizeitbetrieb der Zähringerstadt. Mit dem Auto zum Spazierengehen fahren, das ist für manche die letzte Möglichkeit, die frische Waldluft zu genießen, viele andere kommen auch per Rad, und das ist Teil des Problems.

Der Weg am Villinger Stadtrand führt durch traditionelles Terrain: Oberhalb vom Kirnacher Bahnhöfe geht es zum Uhustein und weiter zur Forelle hinein ins Groppertal, wo Skater die Beine fliegen lassen und Mütter ihre Kinderwagen schieben. Zweifelsfrei: ein schönes Stück Villingen, das aber unter der Freizeitbelastung erkennbar ächzt.
Das sagt der Forstamts-Chef
Das sieht auch Tobias Kühn so. Der Forstamts-Chef ist mit seiner Behörde hier zuständig. Und als Kühn nun vom SÜDKURIER mit verschlammten Wegstücken und ungepflegten Ecken konfrontiert wird, da hat der erfahrene Forst-Experte eine überraschende Antwort:
„Wir machen hier erst einmal so wenig wie möglich, wenn wir da Schotter hinwerfen, ist das Siegel weg“, schildert er die Umstände aus seiner Sicht.
Kühn räumt freilich ein, dass die Villinger Wege hier oberhalb vom Kurgebiet auch ein Naherholungsrevier sind wie kaum ein zweites in VS. Schwarzwald pur, mit Beeren und Pilzen, und wer frühmorgens leise über den Weg joggt, der sieht hier auch Hasen und Füchse.
Premium, das ist der erklärte Anspruch hier
Die Wanderroute im Groppertal trägt auch das Signet des Premiumwegs. Aber wieviel Premium bleibt da noch, wenn schwarzer Schlamm statt wassergebundener Oberfläche die Wanderlust versumpfen lässt? „Sicher“, sagt Kühn, auch er weiß, dass Naherholung heute nicht automatisch auf steigeisen-fähigen Profilsohlen stattfindet.

Für den Förster ist der Zustand des Wegs auch ein Bürokratieproblem. Die Route wurde einst auf Druck der Marketing- und Tourismus-GmbH ausgewiesen, die Verleihung es Premium-Siegels gilt als Erfolg. Der Zustand des Wegs ist nun zwar über viele Abschnitte ein reichlich matschiges Erlebnis, Kühn aus schmunzeln, wenn er auf „den vielen Regen“ der letzten Wochen hinweist. Er weiß, dass ein guter Waldboden das normalerweise schluckt, das Problem sind die Überlastungen solcher Routen.
Parallelweg durch die Beeren
Wer ein wenig die Spuren liest, der sieht hier viele Fahrradabdrücke im weichen Erdreich. „Das ist das Hauptproblem“, sagt Kühn. Unter zwei Meter Wegesbreite ist radeln verboten, es sei denn, der Weg wäre explizit freigegeben. „Das ist hier aber klar nicht der Fall“, betont der Leiter des Forstamts.

Freizeit-Rowdys also, doch die Geschichte geht weiter. Der Zustand des Weges hat nämlich für einen verblüffenden Umleitungseffekt gesorgt. Geradelt wird jetzt, nach Spurenlage eindeutig, einfach drei Meter weiter östlich, tiefer im Wald. Quer durch die Heidelbeeren ziehen sich hier die Routen, die ebenfalls bereits wieder mit Wasserlöchern und Radspuren ziemlich unpassierbar sind. Diese Parallelstrecken des Premiumwegs sind unerwünscht. Waldbesucher sollen auf den Wegen bleiben, dem Wald zuliebe. Offenbar juckt das hier nur ein paar Spaziergänger, die sich an den SÜDKURIER gewandt haben und darum baten, „den Missstand aufzuklären“.
Viele benutzen diesen Wald
Macht die Gesellschaft also den schönen Wald zwischen Villingen und Mönchweiler kaputt? An einem sonnigen Morgen herrscht hier reger Betrieb. Ältere Herren grüßen freundlich, als sie mit ihrem Bello zurück Richtung Parkplatz streben. Der Jagdhund ist ebenso wenig angeleint wie zwei Kleinhunde, die um eine Frau herumtänzeln. Wer Gassi-Erfahrung hat, der weiß: Kommt ein Reh, geht eigentlich jeder Hund hinterher wie ein Pfeil. „Mein Hund macht das nicht“, sagen Hundehalter dann oft, werden sie ums Anleinen gebeten.
Tobias Kühn zuckt mit den Schultern, „Wir haben kein Personal, um den Wald zu bewachen und Radfahrer ums Absteigen zu bitten“, sagt er ganz offen. Der Premiumweg scheint beliebt bei den Pedaleuren.

Der selbe Tag, es ist früher Nachmittag: Eine Frau joggt im pinkfarbenen Top und mit Stirnband entschlossen in den Wald hinein, ein Mann kurbelt ihr in einem dreirädrigen Gefährt engagiert hinterher – fast wie ein Trainer.
Kühn will Gespräche führen
Für die Radler mag das noch ein Genießerpfad sein, Spaziergänger und eine Frau, die einen Rollstuhl schiebt, weichen kopfschüttelnd zwei Damen aus, die mit Mountainbikes über den engen Pfad vorbeistechen.
Tobias Kühn sagt, er werde das Problem mit der Marketing- und Tourismus GmbH besprechen. Wenn dort die Rechnung bezahlt wird, kann sich Kühn hier vieles vorstellen, vielleicht sogar hölzerne Stege, die den Weg überbauen. Ob man das aber im Schwarzwald als Naturerlebnis will? Für die schnelle Runde auf schicken Sohlen vom Homeoffice aus – vielleicht. Ob jedem Problem eine Lösung hinterhergebaut werden muss, ist die nächste Frage, die sich um solche Zeiterscheinungen rankt.
Nicht attraktiv für Touristen?
Am Premiumweg-Parkplatz stehen rund 20 Autos am Nachmittag, fünf am Vormittag. Alle haben VS-Kennzeichen. Die Schlammroute durch den Villinger Wald könnte auch ein Ansatz sein bei der Beantwortung einer anderen Frage: Weshalb bleiben so viele Gäste nicht mehr zum Übernachten in der Stadt, sondern reisen gleich weiter nach Freiburg oder an den Bodensee? Sind Wege wie dieser letztlich zu unattraktiv weil ungepflegt?
Der jämmerliche Zustand vieler Trimmdich-Stationen, die hier ebenfalls aufgestellt sind, verstärken den Eindruck, dass sich hier keiner mehr um das Erscheinungsbild einer Seite der Stadt kümmert, die Vorzeigequalitäten haben könnte. Draußen trainieren, das ist seit Corona mehr als ein Trend. Viele meiden die Innenräume der Fitnessstudios und halten sich im der Natur fit. Ein alter Holzbalken auf dem Boden fürs Skipping rundet das Gesamtbild der verschlammten Wege und der zusammengefahrenen Heidelbeerbüsche hier allerdings ab.
Was hätte Oberförster Ganter getan?
Um die Ecke ist der Ganterweg. Er erinnert an den legendären Villinger Oberförster gleichen Namens. Ganz ist: Er hätte wohl als erstes ein paar Buben losgeschickt, um all die Coronamasken einzusammeln, die hier zusammen mit anderem Unrat am Wegesrand wohl auch in Jahren noch nicht verrottet sind.