Die Villinger Kneipenmeile, die Färberstraße, findet keine Ruhe. Gut ein Jahr lang sind die verlängerten Öffnungszeiten für die Außenbewirtschaftung in Kraft. Erneut kommt es zum Kräftemessen von entnervten Anwohnern mit den Gastronomen. Die Stadträte wollen es dennoch bei den bisherigen Zeiten belassen.
24 Einwände aus Färberstraße
Allein für die Färberstraße gibt es 24 Einwendungen von Anwohnern sowie zwei Gutachten, die zwei Gaststätten zu einer Schließung der Außenbewirtschaftung um 22 Uhr zwingen werden. Dies wurde in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch, 19. März, deutlich.
Die Auseinandersetzung schwelt schon seit Jahrzehnten. Einerseits bangen die Anwohner um ihre Nachtruhe, andererseits die Wirte um ihr Geschäft. Im vergangenen Jahr wurden nun auf Anregung von CDU- und Freie Wähler-Fraktion die Öffnungszeiten der Außenbewirtschaftung verlängert, das heißt, die Sperrzeiten verkürzt.
Einheitlich für die gesamte Stadt
Die Terrassen und Außenbereiche sollten in der gesamten Stadt während der Sommerzeit bis 23 Uhr öffnen dürfen, in den Monaten Juni bis September an Freitagen und Samstagen sowie vor Feiertagen bis 24 Uhr. Nach einem Jahr sollte die Regelung überprüft und neu bewertet werden.
In diesem Jahr hat sich viel getan, vor allem sind doch einige Anwohner speziell in der Färberstraße auf die Barrikaden gegangen, auch wenn das Bürgeramt die Lärmsituation aus der Freibewirtschaftung als „unauffällig“ charakterisiert.
Die Anzahl der Ordnungsstörungen aus Gaststättenbetrieben beträgt in Villingen 17 und in Schwenningen drei. Keiner dieser Vorfälle stand in Verbindung mit einer Freibewirtschaftung.
„Eher ruhig“
Es sei grundsätzlich ruhig gewesen, erklärte Bürgeramtsleiter Ralf Glück in der Sitzung. Anwohner hätten sich aber gemeldet, Unzufriedenheit signalisiert und die Außengastronomie als störend empfunden.
Zwei Lärmgutachten mit Folgen
Zwei Anwohner der Färberstraße beauftragten zudem ein Lärmgutachten. Das Ergebnis: Die Werte bei zwei Außenbewirtschaftungen werden in beiden Nachtstunden überschritten, von 22 bis 23 Uhr sei sogar die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung erreicht.
Daraufhin forderte ein Anwalt den Oberbürgermeister auf, die Außenbewirtschaftungen in den zwei Gaststätten um 22 Uhr enden zu lassen.
Dazu wird es wohl kommen, denn die Stadträte wollten den Tagesordnungspunkt mit 23 Ja-, zehn Nein-Stimmen sowie einer Enthaltung nur zur Kenntnis nehmen. Den Vorschlägen des Bürgeramts, die Öffnungszeiten für die Außengastronomie wieder zurückzuschrauben, erteilten sie damit eine Absage.

Keine schwerwiegenden Beschwerden
Stadträtin Ulrike Heggen (Freie Wähler) verteidigte das Vorgehen. Mit dem vor einem Jahr angenommenen Antrag ihrer Fraktion und der CDU sollte eine Gleichbehandlung der Färberstraße mit der restlichen Stadt erreicht werden. Es sei zu keinen „eklatanten Beschwerden“ gekommen. 100-prozentige Ruhe könne in der Färberstraße nicht erreicht werden. Oft gehe die Lärmbelastung gar nicht von den Gastronomien, sondern von den Fußgängern aus.
Sie meint, dass Klagen der Anwohner noch zunehmen. „Das können wir nicht ändern.“ Wenn Gerichte entscheiden, dann sei es so. Dennoch „wollen wir nicht mehr zur alten Regelung zurück.“
„Vorprogrammierter Krieg“
Die Bestimmung vor dem 1. März 2024 sei ein „guter Kompromiss“ gewesen, betonte AfD-Stadtrat Olaf Barth. Dann kam dieser „dämliche Antrag“. Für diese Wortwahl wurde er aber sofort von Oberbürgermeister Jürgen Roth gerügt. Barth weiter: Der Krieg mit den Anwohnern sei vorprogrammiert gewesen. Er plädierte dafür, die Sperrzeiten wieder zu verändern.
Nicht nur das Interesse der Gastronomen, sondern auch das der Anwohner müsse berücksichtigt werden, bemerkte Grünen-Stadtrat Oskar Hahn. Die Färberstraße sei anders als andere Bereiche mit Gaststätten in der Stadt. Es handelt sich um eine enge Bauweise. Schall geht „nicht raus“.

Spinnen die Schwarzwälder?
Aus Michael Steiger (FDP) spricht der Praktiker, der die Seite der Gastronomie beleuchtet: Seit 35 Jahren habe er den Irish Pub in der Färberstraße. Wenn man zur alten Regelung zurückkehre, könne man zehn Meter weiter, im Ratzennest, im Außenbereich eine Stunde länger trinken. Wenn er das einem Kurgast aus Bad Dürrheim schildere, denke der wohl: „Die spinnen, die Schwarzwälder.“ Manchmal mute es an wie eine private Fehde, die sich auf die ganze Stadt ausweite.
Die Stadträte sitzen zwischen allen Stühlen, wie Nicola Schurr für die SPD („schwieriges Thema“) sowie CDU-Sprecher Dirk Sautter deutlich machen. Sautter: Nicht allen kann man es recht machen. Auch er sprach sich dafür aus, die Vorlage zur Kenntnis zu nehmen.

Regierungspräsidium will Lärmmessungen
Doch Oberbürgermeister Jürgen Roth machte klar, dass man durch ein Gerichtsurteil aufgefordert wurde, bei jedem Neuantrag zur Außenbewirtung eine Lärmberechnung durchzuführen. Sei es zu laut, könne eine Genehmigung nur noch bis 22 Uhr erreicht werden.
Es handele sich um einen kuriosen Fall, der seinen Ausgang gar nicht in der Färberstraße habe, betonte Bürgeramtsleiter Ralf Glück. Nach dem Gerichtsurteil, wogegen die Stadt in Berufung gegangen war, stellte das Regierungspräsidium fest, dass die Stadt keine flächendeckenden Lärmberechnungen ausführte. Das müsse künftig bei Neuanträgen aber gemacht werden.