Sie sind Meister des geflügelten Wortes, können vokabular aus dem Stand schmeicheln oder Kante geben. Jetzt ringen sie um die richtige Formulierung. Wie erklären zwei bekannte Villinger, dass der einzige öffentliche Fasnettermin trotz des am Donnerstag begonnen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine stattfindet. Die Aufgabe übernehmen Narro-Chef Anselm Säger und Katzen-Chef Dominik Schaaf.

Anselm Säger sagt, der Termin sei nach wie vor eigentlich so gedacht: „Wir stehen zusammen, es geht um die Solidarität unter den Bürgern, eigentlich zum hoffentlich baldigen Ende der Coronakrise“, sagt er und fügt emotional hinzu: „Welcher Krieg ist schlimmer – der in Syrien oder der in der Ukraine. Das ist meine private Meinung.“ Der Chef des mit 5000 Mitgliedern größten Vereins der Region Schwarzwald-Baar will das aus seiner Sicht sinnvolle Ereignisse jetzt nicht über die Klinge springen lassen.

Die Stadt- und Bürgerwehrmusik im Franziskaner Konzerthaus 2018.
Die Stadt- und Bürgerwehrmusik im Franziskaner Konzerthaus 2018. | Bild: Isabell Bucher

„Würden wir die Fasnetkonzerte am Sonntag absagen, gibt es zum zweiten Mal in Folge keine offizielle Fasnet in Villingen“, wirbt er um Verständnis. Fühlt er sich verstanden? „Mein Vorstand in der Zunft steht hinter mir, ich fühle mich sehr unterstützt“, offenbart er. Das ist gerade derzeit nicht immer so: Im Verein würde auch darüber debattiert, ob es nicht sinnvoller wäre, sich wegen Corona noch defensiver zu verhalten. Zunftmeister Säger will nach vorne. Erst kürzlich sagte er: „Wir brauchen eine Öffnung.“

Villingens Stadtmusik beim Großen Umzug im Jahr 2018.
Villingens Stadtmusik beim Großen Umzug im Jahr 2018. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Dominik Schaaf drückt die Motivation für die Sonntagskonzerte so aus: „Das ist ein Zeichen für uns alle hier, für die Narren ein Hoffnungsschimmer. Endlich einmal wieder etwas Positives, das ist das, wir jetzt wirklich brauchen.“ Der Zunftmeister stimmt komplett zu. Säger: „Das wird ein Lichtblick, der uns allen gut tut.“

Sie sind die Musik der Katzenmusik, die Stadtharmonisten 2019 unter der Leitung von Mario Mosbacher, hier in der Villinger Fußgängerzone ...
Sie sind die Musik der Katzenmusik, die Stadtharmonisten 2019 unter der Leitung von Mario Mosbacher, hier in der Villinger Fußgängerzone zu sehen. | Bild: Foto Singer

Säger und Schaaf dürfen vom Rathausbalkon aus begrüßen und moderieren. Sie wollen beide „nach derzeitigem Stand“ nichts zum Krieg sagen. „Das kann man nicht vermengen“, sagt Schaaf und Säger fügt hinzu: „Das zu moderieren, ist ohnehin schon schwierig genug – jetzt.“

Rund 150 Musiker treten Sonntag an

Die zwei größten Musikzüge der Stadt treten am Fasnetsonntag zwischen Villinger Rathaus und Münster an. Dominik Schaaf sagt: „Beide Kapellen hatten ja jetzt auch seit fast zwei Jahren keinen Auftritt mehr.“ Stadt- und Bürgerwehrmusik sowie die Stadtharmonie wollen je gemeinsam mit ihren Jugendkapellen antreten. Rund 150 Musiker werden dann vor dem Rathaus unter dem Balkon Aufstellung nehmen.

Die Menschen suchen nach Corona unbeschwerte Stunden: Villingen am Fasnet-Dunnschtig.
Die Menschen suchen nach Corona unbeschwerte Stunden: Villingen am Fasnet-Dunnschtig. | Bild: Fröhlich, Jens

Das Publikum könne sich, links und rechts vom Münster weiträumig verteilen. Einlass sei jeweils eine halbe Stunde vorab. Es gibt kein Anmeldungsprozedere. Mitzubringen seien 3G-Nachweis und ein Mund-Nasen-Schutz.

So sind Sie 14 und 16 Uhr dabei

Die Zünfte hoffen, dass jeder Gast ein Umzugsabzeichen für fünf Euro erwirbt. Es ist vor Ort erhältlich. Drei Zugänge gibt es: am Sudhaus, an der Münstergasse (Uhren Grießhaber) und am Pfarrhaus über die Kronengasse. Security kontrolliert vor dem Zutritt.

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Zutritt hätten jetzt jeweils 1000 Menschen, möglich mache dies die vom Land gestatteten Lockerungen. Ursprünglich waren pro Konzert 500 Personen erlaubt. Folge für die Veranstalter: Jetzt muss auch das Rote Kreuz noch wegen der neuen Veranstaltungsdimension vor Ort sein. „Wir kriegen das hin – auch das“, sagt Anselm Säger.

Wer genau dafür gestimmt hat

Das Platzkonzert wird also nicht platzen.. Am Donnerstagvormittag hat sich die Zuggesellschaft telefonisch noch einmal wegen des Kriegsausbruchs abgestimmt. Dabei gewesen seien: OB Jürgen Roth als Vorsitzender der Zuggesellschaft, für die Narros Anselm Säger, für die Katzen Dominik Schaaf, für die Glonki Günther Reichenberger, für die Hexen Maik Gildner, für die kleinen Vereine in der Zuggesellschaft Daniela Mennella von den Brigachblätzle.

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Aber: Kommt am Sonntag Stimmung auf, angesichts der Bilder von Marschflugkörpern, die in Kiew und anderen Großstädten der Ukraine einschlagen? Dominik Schaaf nickt und sagt: „Wir sind Fastnachter mit Kopf und mit Herz – natürlich ist das alles auch bei uns. Aber wir wollen jetzt einfach versuchen, positiv zu bleiben.“

Hinter dem Konzert steckt auch viel Überzeugung

Der Chef des 2500 Mitglieder großen Katzenmusikvereins hat auch eine weitere Überzeugung: „Es ist doch besser, eine kontrollierte Veranstaltung anzubieten, als eine unkontrollierte“, meint er.

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Zum ersten Mal an den hohen Tagen der Fastnacht wird auch die traditionelle Villinger Fasnetmusik in der Stadt gespielt. „Zuerst der Narromarsch“, beeilt sich Säger zu sagen und muss lachen. Dominik Schaaf sagt nichts. Beide schmunzeln. Die zwei Kapellen sollen eingangs gemeinsam Narromarsch und dann das Katzenmusiklied spielen. 150 Musiker, Markus Färber und Mario Mosbacher dirigieren.

Was ist aber wenn . . .?

Die Konstellation ist schon in der Theorie eine Wucht. Was ist, wenn Villingen Party macht, anschließend zur Polonaise aufbricht oder einfach weiterschunkelt? Säger und Schaaf sind überrascht. Und finden dann als geübte Narren doch eine Antwort: „Dann ist Fasnet“, sagen sie unisono.