Cesare Gianotti vom Eiscafé Zampolli hatte vor ein paar Wochen eine schwere Entscheidung zu treffen. Wie kann es gelingen, dass die Mitarbeiter einmal in der Woche einen Tag frei bekommen und die Stammkunden nicht vor den Kopf gestoßen werden? Die Lösung: Eis zum Mitnehmen. Keine Bedienung. Immer dienstags. Alle Mitarbeiter haben frei. Er und seine Frau halten im Café die Stellung.
Die Entscheidung fiel ihm schwer. Er macht an dem Tag viel weniger Umsatz als sonst und das in einer Zeit, in der er nach Monaten der Zwangsschließung eigentlich jeden zahlenden Gast gebrauchen könnte. Aber er hatte am Ende keine andere Wahl. „Es war die einzige Möglichkeit, damit das rollierende System weiter funktioniert und jeder Mitarbeiter einen Tag in der Woche frei hat.“
Aktuell fehlen ihm drei Mitarbeiter. Sie haben sich während Corona entweder einen neuen Job gesucht oder können noch nicht zurückkommen weil sie aus Südamerika sind. Bewerbungen bekommt er „so gut wie keine“. Einmal war jemand zum Probearbeiten da. Zwei Tage. Danach kam die Person nicht mehr. Cesare Gianotti klingt trotzdem nicht verzweifelt. Im Gegenteil. Er klingt vielleicht fast schon ein wenig zu optimistisch, wenn er sagt: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Situation bald besser wird. Und dass wieder mehr in der Gastronomie einsteigen werden.“
Rund jeden zweiten Mitarbeiter verloren
Rund 40 Prozent der Beschäftigten haben die Betriebe während der Corona-Pandemie verloren. Zu dem Ergebnis kommt eine Umfrage des Gaststättenverbandes Dehoga vom Juni 2021 unter 1500 Betrieben in Baden-Württemberg. „Die Lücken, die die coronakrisenbedingte Abwanderung von Beschäftigten gerissen hat, gehören zu den bedeutendsten Krisenschäden für das Gastgewerbe“, sagt dann auch Daniel Ohl, Sprecher des Dehoga Baden-Württemberg.
Er wehrt sich auch gegen das Argument, die Beschäftigten wären wegen zu schlechter Arbeitsbedingungen abgewandert. „Die Beschäftigungsentwicklung in der Branche bis zur Krise widerlegt dies deutlich.“ Demnach war von 2012 bis 2019 eine stetig wachsende Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter im Gastgewerbe zu verzeichnen.
Der Café-Besitzer
Drei Festangestellte und zwei Aushilfen fehlen Arwed Dammert vom gleichnamigen Café aktuell. Es war nie leicht, gutes Personal in der Gastronomie zu finden. Er kennt das. Aber so schwer wie in diesem Jahr, war es noch nie. „Momentan ist es extrem“, sagt Arwed Dammert. Seit einem halben Jahr sucht er. Seit einem halben Jahr hat er einmal jemand neues eingestellt, nur um dann gleich wieder eine Kündigung auszusprechen. Es hat einfach nicht gepasst. Den Bewerberrücklauf kann er an einer Hand, wahrscheinlich sogar an einem Finger abzählen. „So gut wie nichts“, sagt er.

Jetzt haben sie in Villingen und Schwenningen sonntags und im Café im Haslach montags geschlossen. Anders geht es nicht. Im Sommer, sagt Dammert, sei der Sonntag der Tag, auf den man am ehesten verzichten könne. Morgens zum Frühstück sei das Café zwar meist noch voll, aber in den heißen Mittagsstunden und nachmittags ist die Stadt dann wie leergefegt.
Seit 30 Jahren ist es das erste Mal, dass sie einen Tag in der Woche zumachen. „Es fehlt was“, sagt er. Gerade jetzt, wo sie nach Monaten des Lockdowns eigentlich jeden Umsatz gebrauchen könnten. „Es ist ein zusätzlicher Ausfall“, sagt er.
Einen Lichtblick gibt es für Arwed Dammert. Der Sommer neigt sich dem Ende zu. Und damit auch die Außenbewirtschaftung. „Wir hoffen, dass wir auf die Wintersaison wieder aufmachen können.“ Wenn die Terrasse wegfällt, haben sie eine Personalkraft eingespart. „Vielleicht ab Mitte Oktober“, sagt Dammert. Und fügt hinzu: „Aber sicher ist das noch nicht.“
Der Restaurantbesitzer
Michael Steiger, Geschäftsführer des Irish Pub in VS und Tuttlingen, fehlen Köche. Auf die Frage, seit wann er denn welche suchen würde, sagt er nur trocken: „Seit 20 Jahren.“ Das Problem ist also nicht neu. Es ist nur größer geworden. Seit August hat er darum in Villingen an einem und in Schwenningen an zwei Tagen den Irish Pub geschlossen. Ist das nicht Wahnsinn, in einer Zeit, in der eigentlich alle froh sein müssten, wieder aufzuhaben und jeden Tag, jeden Gast brauchen? Nein, findet Steiger. „Ich habe definitiv weniger Umsatz, aber auch keine Waren- und Personalkosten“, sagt er.

Steiger ist auch Vorsitzender der Dehoga im Kreis. Er kennt die Situation der Gastronomen vor Ort. „Einige“, sagt er, „haben zusätzliche Ruhetage eingeführt.“ Und er fügt hinzu: „Es hängt nicht unbedingt mit Corona zusammen. Die Situation war vorher schon angespannt.“ Seine Erklärung: zu wenig Wertschätzung. Und zwar auf zwei Ebenen. Einmal für das duale Ausbildungssystem, das fürs Gastgewerbe elementar ist. „Jeder denkt, man wäre nichts mehr wert, ohne Studium und nur mit einer Ausbildung.“ Und zum anderen für die Arbeit in der Gastronomie selbst. Überall gebe es Sonntagszuschläge, nur in der Gastronomie nicht.
„Ich frage Sie“, sagt Steiger, „würden Sie mehr bezahlen für ein Schnitzel am Sonntag als am Montag? Wären Sie dazu bereit?“ Die Antwort kann sich jetzt jeder selber geben.