Auf seiner Internetseite stand bis zuletzt noch der Satz: „Seit dem 19.05.2020 dürfen wir wieder in unserem Restaurant für Sie kochen.“ Seit Montag ist auch der „Löwen“ in der Villinger Innenstadt wieder zu. Aber nicht nur Wirt Marco Garofalo belastet die Berg- und Talfahrt durch Corona. Auch Wirtesprecher Michael Steiger, selbst Gastronom, sowie TV-Köchin Luisa Zerbo treibt die Situation um. Gemeinsam und stellvertretend für Kollegen und verwandte Branchen haben sie dem SÜDKURIER frei von der Leber weg erzählt, was sie bewegt, welche Nöte und Ängste es gibt, wofür sie stehen und was sie sich wünschen in dieser schweren Zeit.
Appell
„Vergesst die Gastronomen nicht“, so lautet ihr zentrales Anliegen. Zum einen stehen sie hinter den Corona-Maßnahmen und versuchen, mit gewissenhafter Einhaltung von Hygienekonzepten, ihren Beitrag zu leisten. Zum anderen stoßen sie, wie auch andere Branchen, durch ein Auf und Ab langsam an Grenzen. Strukturen verändern sich. Viele potentielle Gäste kommen wegen Homeoffice gar nicht mehr in die Stadt und essen zuhause. Geschäftsleute reisen nicht mehr, nutzen Videokonferenzen. Vereinstreffen und Veranstaltungen finden kaum noch statt.
Lockdown
„Wir hatten auf eine andere Lösung gehofft“, gibt Steiger mit Blick auf die jüngsten Einschränkungen für seine Branche zu, die nach einem guten Sommer bereits vor dem erneuten Lockdown krankte. „Mit der 50er Marke bei der Inzidenz sind unsere Einnahmen um 50 Prozent gesunken“, erzählt Garofalo. Viele Gäste seien aus Angst und Verunsicherung ausgeblieben. Hinzu kommen Belastungen wie 500 Euro für Desinfektionsmittel, Druckkosten für Erfassungszettel, 30 Prozent weniger Plätze und mehr Aufwand.
„Was mache ich jetzt mit meinen beiden Azubis? Die sollen nicht vier Wochen unbeschäftigt bleiben“, so Garofalo. Die Lösung wird sein, sie beim Kochen der Mitnahme-Gerichte einzusetzen, auch wenn diese Einnahmen kaum den Aufwand decken. Steiger verzichtet in seinen Betrieben daher komplett darauf, fährt alles herunter.
Perspektiven
Luisa Zerbo, die aktuell kein Restaurant betreibt, steht häufiger vor Kameras, produziert Backvideos für Magazine und tüftelt an ihrer geplanten Café-Eröffnung im kommenden Jahr. Unter Corona-Vorzeichen ist das aber alles ungewiss.
„Was kommt nach diesem Lockdown?“, fragen sich die drei. „Keiner wird in dieser Zeit ein Restaurant eröffnen“, fügt Steiger hinzu. Auf der anderen Seite stünden viele ältere Kollegen vor der Entscheidung, ihr Lokal „zuzusperren und nicht mehr aufzumachen.“ Kurz vor dem Ruhestand noch einmal das Ersparte anzugreifen, um die Krise irgendwie zu überstehen, sei für viele keine Option, da ist er sich sicher. Er rechnet damit, dass rund ein Drittel seiner Kollegen die Pandemie nicht überstehen werden. Für die Zukunft zu planen und zu wirtschaften sei wegen der vielen Unsicherheiten kaum möglich, ergänzt Garofalo. Künstlern, Veranstaltern oder der Freizeit- und Reisebranche gehe es nicht anders, so die Gastronomen.
Wünsche
Eine Lösung für alle Probleme haben die drei auch nicht parat, regen für die Zukunft allerdings ein besseres Miteinander an. An Gäste gerichtet wünschen sie sich jetzt und in Zukunft Unterstützung, „zum Beispiel Gutscheine für Mitarbeiter, als Ersatz zur Weihnachtsfeier“, etwas weniger Unmut, „wir können ja nichts für die Situation“ und weniger Ängste, „wir tun alles, dass der Gastronomiebesuch sicher ist.“ „Wer aus Datenschutzgründen den Lokalen fernbleibt, der müsste ehrlicherweise auch sein Smartphone abschaffen“, gibt Zerbo zu bedenken. In Richtung Politik und Verwaltung regen sie mehr Gespräche an sowie Kontrollen „mit Maß und Ziel.“ 700 Euro für einen fehlenden Eintrag bei der Gästedatenerhebung seien zu viel. Da würde würde bei einem ersten Verstoß auch eine Abmahnung reichen, meint Garofalo.
Auch beobachten sie, wie in sozialen Medien Panik, Angst und Wut geschürt werde. Das vergifte die Corona-Diskussion und ende meist in Beschimpfungen und Beleidigungen, was nicht zielführend sei. Ein Problem sei auch die unüberschaubare Gesetzeslage. Viele Menschen wüssten gar nicht mehr, was gerade gilt und was nicht, was zu Frust und Unsicherheit führe. Klare Ansagen und Regeln, die leicht verständlich an eine breite Masse kommuniziert werden, könnten die Situation verbessern.