Fußball-Bezirksliga: – Michael Schwald ist echt zu beneiden. Der Trainer des FC Zell weiß nämlich genau, was zu tun ist, wenn seine Elf mal wieder aus dem Rhythmus kommt. In den Reihen seiner Spieler findet sich einer, für den Taktgefühl kein Fremdwort ist. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Sein Abwehrspieler Marius Lais glänzt nicht nur in der Defensive des Bezirksligisten, sondern steht auch am Dirigentenpult des Musikvereins Gresgen seinen Mann. Wenn der 23-Jährige nicht weiß, wie man ein Team im Rhythmus hält – wer denn dann?

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Allerdings sind in diesen Tagen beim FC Zell weniger die musikalischen Fähigkeiten von Marius Lais gefragt, als die sportlichen. Schließlich hat sich die Mannschaft nach ihrem Stolperstart gefangen und ist seit zwei Monaten unbesiegt: „Es läuft prima und ich habe zuletzt wieder regelmäßig gespielt“, lässt der junge Fußballer aus Atzenbach durchblicken, dass er keinen Stammplatz in der „Schwane-Ölf“ hat. An seinem Trainingsfleiß liegt es nicht, dass hier Andere den Ton angeben: „Ich versuche immer im Training auf dem Platz zu stehen und dann Vollgas zu geben“, so Lais, dessen Woche scheinbar mehr als die üblichen sieben Tage hat: „Aber das mit den Terminen ist bei mir manchmal schon etwas schwierig.“

Marius Lais im Gespräch Video: Scheibengruber, Matthias

Wird vor der Saison der Spielplan besprochen, zückt Marius Lais schnell seinen Kalender: „Ich weiß ja, wann welche Termine mit dem Musikverein anstehen. Da wird dann immer versucht, eine Lösung zu finden.“ Und klappt es dann doch nicht, allen Bemühungen zum Trotz, muss Lais eben passen: „Priorität hat für mich die Musik. Als Dirigent hast du dem Verein gegenüber ja schon eine Verpflichtung.“

Trompete statt Schlagzeug

Die Musik bekam im Leben des Marius Lais früh einen großen Stellenwert. Mit neun Jahren folgte er seiner Schwester Annalena zu den Proben beim Musikverein Atzenbach, stieg dort in die Zöglings-Ausbildung ein: „Anfangs wollte ich unbedingt Schlagzeug lernen, doch es gab – verständlicherweise – etwas Widerspruch in der Familie“, lacht Lais heute: „Dann wurde es eben die Trompete.“ Jetzt war der Funke entfacht, Marius Lais entpuppte sich als musikalisches Talent. Er wechselte bald das Instrument , haute nun auf die Pauke und kam schon als 15-Jähriger mit dem Goldenen Leistungsabzeichen für das Schlagwerk von der Blasmusikakademie aus Staufen nach Hause.

Beim Fußball spielt die Musik: Marius Lais vom FC Zell ist ein echter Vollblutmusiker.
Beim Fußball spielt die Musik: Marius Lais vom FC Zell ist ein echter Vollblutmusiker. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Mittlerweile hatte Marius Lais zusätzlich mit Klavierunterricht begonnen und dabei sein Lieblingsinstrument entdeckt. Spätestens jetzt schien der Teenager an die Musik verloren, oder? „Von wegen“, lacht Lais, der als F-Junior beim FC Zell begonnen hat: „Ich spielte parallel ja auch noch Handball beim TV Zell – bis sich die Abteilung aufgelöst hat. Ich war einfach ein Ball-Kind – Legosteine interessierten mich nicht.“

Papa war Ringer und die Mama spielte Handball

Erstaunlicherweise gab es in der Familie keine musikalischen Vorbilder. Es war tatsächlich der Sport, der Marius in die Wiege gelegt war: „Meine Mutter spielte Handball, mein Vater war bei den Ringern der RG Hausen-Zell aktiv“, erzählt Marius, dass er als Kind selbst auch auf der Matte stand: „Aber nur einmal. Schnell habe ich gemerkt, dass es nicht mein Sport ist – so ganz ohne Ball.“

Marius Lais (FC Zell): „Bei Terminen wird versucht, eine Lösung zu finden. Priorität hat für mich die Musik. Als Dirigent hast du dem ...
Marius Lais (FC Zell): „Bei Terminen wird versucht, eine Lösung zu finden. Priorität hat für mich die Musik. Als Dirigent hast du dem Verein gegenüber ja schon eine Verpflichtung.“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

Handball, Fußball, Musikverein – Marius Lais schien schon damals nichts zuviel zu sein. Denn zwischen Halle, Kickplatz und Bühne klopfte sogar der eine oder andere Verein bei ihm an, wenn es galt, fürs Konzert ein Instrument zu besetzen: „Ich habe immer gern ausgeholfen“, erzählt Lais: „Aber irgendwann war genug.“

Marius Lais im Gespräch Video: Scheibengruber, Matthias

Schließlich hatte er nach dem Abitur die nächste musikalische Weiche gestellt: „Mein Freiwilliges Soziales Jahr absolvierte ich bei der Akademie in Staufen. Dort hatte ich die Gelegenheit, den C3-Kurs zu belegen – quasi der Trainerschein für Musiker, der berechtigt, eine Kapelle zu leiten.“ Diese Ausbildung nahm Marius Lais zunächst als Bereicherung seines musikalischen Horizontes mit: „Ich dachte nicht im Geringsten daran, Dirigent zu werden.“

Dirigenten-Premiere mit 20 Jahren

Doch da bei Musikern die musikalischen Leiter so gefragt sind, wie bei den Fußballern die Trainer, war es nur eine Frage der Zeit, wann Marius Lais am Pult stehen würde: „Meine Freundin kommt aus Gresgen und wir waren dort bei einem Junggesellenabschied. An dem Abend wurde ich angesprochen, da der Musikverein einen Nachfolger für Jörg Sutter suchte“, blickt Lais auf die entscheidende Begegnung im Jahr 2021 zurück.

Spielt Piano und auch mal Forte: Marius Lais (links), als Abwehrspieler des FC Zell, hier gegen Patrick Klotz von der SG ...
Spielt Piano und auch mal Forte: Marius Lais (links), als Abwehrspieler des FC Zell, hier gegen Patrick Klotz von der SG Mettingen/Krenkingen. | Bild: Scheibengruber, Matthias

„Ich war gerade 20 Jahre alt. Meine Zusage habe ich damals durchaus als Experiment gesehen“, so Marius Lais: „Der Start fiel mitten in die Corona-Pandemie. Wir durften damals nur mit viel Abstand proben.“ Aus dem Abstand wurde in den vergangenen drei Jahren eine große Nähe, denn die gegenseitigen Erwartungen hatten sich schnell erfüllt: „Es war trotz meines jungen Alters für beide Seiten keine falsche Entscheidung“, blickt Lais auf viele erfolgreiche Konzerte und Aufführungen zurück: „Wir bilden mit unseren 35 Aktiven eine große musikalische Bandbreite ab.“

Marius Lais trifft beim VfB Waldshut Video: Tommy Buschle

Dazu trägt Marius Lais nicht nur bei Proben und Auftritten bei, sondern auch in seiner Freizeit: „Zu den Aufgaben eines Dirigenten gehört es, die passenden Musikstücke für ein Konzert auszusuchen und aufs Orchester abzustimmen“, plaudert er aus dem Nähkästchen: „Was nicht passt, wird dann eben passend gemacht“, so Lais, der Macher: „Dann schreibst du ein neues Arrangement oder besetzt ein Instrument um.“

Marius Lais (FC Zell): „Ob auf dem Platz oder am Dirigentenpult – ich gebe immer vollen Einsatz.“
Marius Lais (FC Zell): „Ob auf dem Platz oder am Dirigentenpult – ich gebe immer vollen Einsatz.“ | Bild: Scheibengruber, Matthias

Aroma spielt Musik mit Geschmack

Doch trifft der akribische Arbeiter nicht nur bei Gresgener Auftritten an Festen der benachbarten Vereine sowie an den traditionellen Gresgener Konzerten im Frühjahr und beim Chilbi-Frühschoppen den Geschmack der Besucher. Das gelingt ihm auch bei seinem zweiten musikalischen Projekt, das er vor gut zwei Jahren mit vier Gleichgesinnten gestartet hat: „Wir haben eine Band gegründet“, erzählt Marius Lais: „Wir nannten sie Aroma, weil wir Musik mit Geschmack spielen wollen.“

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„Wir“ – das sind neben Marius Lais am E-Bass auch die Sängerin Noelle Schöne. Am Klavier sitzt Jonas Köpfer, die Gitarre spielt Valentin Hierholzer und die Drums besetzt – hier schließt sich der Kreis – David Welte, sein Teamkollege beim FC Zell. Fordert und fördert Marius Lais am Dirigentenpult des Musikvereins Gresgen die traditionelle und konzertante Blasmusik, genießt er bei „Aroma“ die gediegene Tanz- und Stimmungsmusik: „Wir spielen an Fasnacht, auf privaten Feiern oder auch mal bei Städlifest in Zell.“

Rhythmus im Blut: Mit neun Jahren hat Fußballer Marius Lais sein Herz an die Musik verloren. Am Schlagzeug holte er sich schon als ...
Rhythmus im Blut: Mit neun Jahren hat Fußballer Marius Lais sein Herz an die Musik verloren. Am Schlagzeug holte er sich schon als 15-Jähriger das Goldene Leistungsabzeichen. | Bild: Scheibengruber, Matthias

Nun wundert es kaum mehr, dass es Marius Lais trotz seines Trainingsfleißes nicht immer in die Start-Elf beim FC Zell schafft. Als wären rund 70 Musiktermine und die gelegentlichen Tanzabende mit „Aroma“ nicht schon genug, lässt er sich hin und wieder mit Noelle Schöne als Gesangsduo bei Hochzeiten buchen: „Singen war früher nicht so mein Ding, aber im Rahmen des Studiums gehörte das einfach dazu“, so Lais, der sich an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg zum Realschullehrer mit Fachrichtung Musik ausbilden lässt.

Kanzler bei der Zeller Fasnacht

„Das war‘s dann also?“, lautet die Abschlussfrage, ehe er vermutlich zum Training in den Brühlpark aufbricht: „Nein, nicht ganz“, grinst Marius Lais breit und zeigt auf seinen Kalender: „Rund um den Ölfte Ölfte geht bei uns in Zell die Fasnacht los.“ Bei der Fasnachtsgesellschaft, die 2027 auf stolze 400 Jahre blickt, ist Marius Lais als „Kanzler“ eine wichtige Figur, denn er kümmert sich während der fünften Jahreszeit um den „Hürus“: „Das ist unser Regent, der Repräsentant der Zeller Fasnacht“, erklärt Marius Lais: „FGZ-Präsident Peter Mauthe bestimmt ihn jedes Jahr neu. Als Kanzler bin ich für Einkleidung, Termine und Antrittsrede des Hürus verantwortlich. Während der Kampagne begleite ich ihn auf Schritt und Tritt.“

Hohe Verantwortung: Als Kanzler ist Marius Lais bei der Fasnachtsgesellschaft Zell während der fünften Jahreszeit stets an der Seite der ...
Hohe Verantwortung: Als Kanzler ist Marius Lais bei der Fasnachtsgesellschaft Zell während der fünften Jahreszeit stets an der Seite der Traditionsfigur „Hürus“. | Bild: Gabi Decker (FGZ Zell)

Die Sorge, dass es dem Tausendsassa aus Atzenbach einmal langweilig werden könnte, kommt nicht auf. Seinen Spagat zwischen Kickplatz, Musikverein, Tanzband, Fasnacht und Studium bewältigt er stets mit einem Lächeln im Gesicht. Schließlich lebt er als Musiker und Fußballer das Motto „Wenn ich etwas mache, dann richtig und aus vollem Herzen“ seit vielen Jahren. Und dann verschwindet Marius Lais – ohne Kicktasche aber in Uniform – auf den benachbarten Pfaffenberg: „Ich muss los, wir haben dort ein Geburtstagsständchen zu spielen.“