Fußball, Landesliga: Ein solches Saisonfinale hat es in der Landesliga lange nicht gegeben. Der FC RW Salem geht als Spitzenreiter in den letzten Spieltag, muss allerdings beim Tabellenzweiten FC Radolfzell antreten, der lediglich einen Punkt weniger geholt hat. Und sollte die Partie unentschieden enden, könnte der drittplatzierte FC Pfaffenweiler mit einem Sieg beim SC Gottmadingen-Bietingen an beiden Kontrahenten noch vorbeiziehen. Titelgewinn? Relegationsteilnahme? Rang drei? Mehr Spannung geht nicht. Wer den Fußball liebt, wer große Emotionen erleben möchte, den zieht es am Samstag um 16 Uhr ins Katzental oder auf die Mettnau.
Oder auf ein Kreuzfahrtschiff. Das ist zugegeben nicht die schlechteste Variante, aber Susanne Strauß hat innerlich geflucht wie selten zuvor in ihrem Leben, als ihr die Terminkollision auffiel. „Suse“ nennen sie alle in Salem. 61 Jahre alt, Mutter von Samuel (31), Moritz (29) und Paul (25) Strauß, alle drei Leistungsträger beim FC RW Salem. „Meine Freundin Sabine wird 60 Jahre alt. Gemeinsam haben wir die Reise geplant. Ich dachte, dass die Saison Anfang Juni schon vorbei sei“, erklärt Suse. Doch während die meisten Regional-, Ober- und Verbandsligakicker schon ihre letzten Saisonspiele absolviert haben, steht in der Landesliga das große Finale noch aus. „Vielleicht ist es gut so, ich bin jetzt schon nervös, der Samstag vor Ort wäre nicht einfach geworden.“
Kickplatz neben dem Elternhaus
Suse war früher selbst eine talentierte Turnerin, im Sportunterricht wurde aber beim Aufwärmen stets Fußball gespielt, was ihr auch gut gefiel. Und als Samuel und Moritz gerade laufen konnten, jagten sie auch schon auf dem Kickplatz neben dem Elternhaus dem Ball hinterher. „Die waren immer draußen, da war immer was los“, erinnert sich die Mama, die bald schon ihren Söhnen bei den Bambinis die Schuhe bindet und im Laufe der Jahre einige Tausend Kilometer als Chauffeur für ihre Jungs abgerissen hat. „Ich bin ein Vereinsmensch“, sagt Susanne, entsprechend habe sie die gemeinsame Fußballzeit mehr als Lust denn als Last empfunden. „Ich bin eigentlich bei allen Spielen dabei.“ Und nach den Partien findet im Hause Strauß in Salem-Mimmenhausen die Spielanalyse statt, meist mit noch einigen anderen Teamkollegen. „Das ist schon eine besondere Gemeinschaft“, lobt Susanne den Mannschaftsgeist beim FC RW Salem.
Gemeinsam gekickt hat das Trio in den Jugendjahren übrigens nur in der Freizeit. Und obwohl alle drei Strauß-Brüder zu den talentiertesten Fußballern im Umkreis zählten, hat jeder bislang nur jeweils eine Meisterschaft feiern können: Samuel in der C-Jugend in Pfullendorf, Moritz in der C-Jugend in Überlingen, Paul in der D-Jugend in Salem. Moritz und Paul haben später zumindest beim FV Ravensburg in der Oberliga zusammengespielt, wechselten vor dieser Spielzeit dann beide zum FC RW Salem, der gerade von der Bezirksliga in die Landesliga aufgestiegen war. Bruder Samuel hatte die Kickschuhe da bereits in den Keller verbannt.
Drei Brüder, drei Charaktere
Die Aussicht, mit seinen beiden Brüdern zusammen beim gemeinsamen Heimatclub zu spielen, trieb ihn nach der Hinrunde zum Comeback, das nun ein grandioses Saisonfinale findet. Und wie groß ist die Anspannung bei Familie Strauß? „Die ist schon da“, gibt Susanne zu, wenngleich sehr unterschiedlich ausgeprägt: „Moritz ist der ruhigste, ist Verteidiger, hat die größte Erfahrung. Der hat ja auch schon mit dem 1.FC Rielasingen-Arlen im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund vor großer Kulisse in Freiburg gespielt.“ Samuel, Doktor der Juristerei, sei als Mittelfeldspieler meist auch gelassen. „Paul ist eher der impulsive Typ, was vielleicht aber auch an seiner Position im Angriff liegt.“

Dass die Partie in Radolfzell ausgerechnet am 7. Juni stattfindet, hat bei Familie Strauß übrigens für einige Erinnerungen gesorgt. „Wenn man will, ist das unser Schicksalsdatum“, sagt Susanne, die als bin Fitness- und Rehasporttrainerin im ProSana Gesundheitszentrum in Salem arbeitet. „Vor drei Jahren war Paul am 7. Juni in Barcelona, als er plötzlich wegen einer Blinddarm-Entzündung ins Krankenhaus musste. Zwei Jahre zuvor waren wir beim gleichen Datum in Sevilla, als Paul und ich uns eine Lebensmittelvergiftung zuzogen.“ Nicht gerade die besten Omen, oder? „Wir halten es mit dem Lied von Herbert Grönemeyer: Zeit, dass sich was dreht.“
Der Cocktail-Plan
Und was, wenn sich wirklich was drehen würde? Wenn Suse am Samstag gegen 18 Uhr per Anruf oder WhatsApp auf Mallorca die Nachricht vom Titelgewinn erreichen sollte, den einige Hundert Salemer vor Ort mitverfolgen wollen? „Dann werde ich die Schiffsbar stürmen, einen riesigen Cocktail für mich und meine Freundin bestellen, und einfach nur glücklich sein.“